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Für Rossini

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Mit dem 29. Februar, dem Tag der Geburt Gioaechino Rossinis, hat die Aufführungsreihe seiner Werke begonnen, die sich bis zum 13. November, dem Tag seines Todes, der sich heuer zum 100. Male jährt, erstrek- ken wird. Pesaro, die Geburtsstadt dés Meisters, wurde zum Ort des Gedächtnisfestivals bestimmt, wo dieses mit „La cambiale di matri- monio“, der im Jahre 1810 für Venedig geschriebenen einaktigen komischen Oper, feierlich eröffnet wurde. Hier, ln der nördlichsten Provinz der mittelitalienischen Region Le Marche, wird im Laufe eines halben Jahres in größeren, in den Sommermonaten in kleineren Intervallen (Oktober ausgenommen) ein Überblick über das gesamte Schaffen Rossinis geboten, um mit der „Petite messe solennelle" in Florenz beschlossen zu werden, und zwar in Santa Croce, der großartigen Kirche der Grab-

mäler bedeutender Persönlichkeiten, inmitten welcher seine Asche beigesetzt ist.

Es war eine schöne, aus einer tiefen Beziehung resultierende Geste der Mailänder Scala, die Aufführung des Jugendwerkes „La pietra del paragone“ unter der brillanten Stabführung Maestro Mario Gusellas in Pesaro zur Gänze zu bestreiten. Dem 20jährigen Rossini, der bereits auf sechs aufgeführte Opern zurückblicken konnte, war nach schwierigen, schließlich geglückten Interventionen zweier von ihm begeisterter Sänger von der Regierung der Auftrag erteilt worden, eine Buffo- Oper für die Herbstsaison 1812 des Teatro alla Scala zu schreiben. Der „Prüfstein“, an welchem der Textdichter Luigi Romianelli die beiden Protagonisten den Wert und Unwert ihrer Umgebung erkennen und die Echtheit ihrer eigenen Gefühle erproben ließ, wurde auch für den jungen Maestro zum Prüfstein.

Hatte der „Prüfstein“ jeden Stein, der noch am Wege des Meisters lag, hinweggeräumt, so führte ein Jahr später die Oper „Tancredi", in welcher die entzückende, bereits echt rossinische „sinfonia“ der „Pietra del paragone“ wieder verwendet wurde, zu einem Höhepunkt, der nur vom Welterfolg des „Barbier von Sevilla“ überschritten wurde. „Tancredi“ wurde im gegenwärtigen Festspielprogramm konzertant geboten, den „Barbier“ wird die Römische Oper unter Bruno Bartoletti zur Bühnenaufführung bringen.

Immer wieder wird man von den Schöpfungen aus Rossinis Jugendjahren mit Staunen erfüllt; nicht nur in den obgenannten Werken, auch in „L’inganno felice“, noch mehr in „L’equivoco stravagante“, ganz besonders in „L’Italiana in Algeri“ zeigt sich unverkennbar, daß in diesen ein Genie steckt, dem es anscheinend nicht die geringste Mühe macht, sich in musikalischen Formen zu offenbaren, deren bezwingender Kraft und unbestreitbarer Vollendung von allem Anfang an gegeben war, die Welt zu erobern. Ein Rundgang durch die im „Conservatorio di Musica Rossini“ und „Museo di Cimeli Rossiniani“ ausgestellte Autographensammlung vertieft diese Erkenntnis — und beglückt zugleich durch eine kostbare Entdeckung, welche zu einer Revision der Auffassung von Rossinis fast AO.Jahre w.ähtendero „grande, silenzio“„A.nlaß gibt. Dieses kann nur als ein großes Schweigen bezüglich seines Opernschaffens verstanden werden, denn die im Jahre 1954 begonnene Publikation der „Quaderni rossiniani“ durch die „Fondazione Rossini“ in Pesaro hat unter der Leitung von. Alfredo Bonaccorsi, Direktor des „Centro Rossiniano die Studi“, eine ungeahnte Fülle von unveröffentlichten und daher unbekannten Werken aus nahezu allen Sparten der Kammermusik zutage gefördert. Zwölf solcher „Quaderni“ (Schreibhefte) sind bereits erschienen, weitere befinden sich in Druck und aus acht derselben wurden die Programme für die fünf Kammermusikabende zusammengestellt, welche dem Rossini- Memorial e einen besonderen Akzent geben und begreiflicherweise nicht nur das Interesse der Fachleute erregen, sondern auch weite Kreise der Laienwelt in neugierige Spannung versetzen: „Rossini einmal anders“

— und „das Schweigen war ja eigentlich gar keines!“ Es war im Gegenteil in allen Tonarten, auf allen Instrumenten, auch dem der menschlichen Stimme, recht deutlich zu hören. Und das erfreut.

Aus der in vier Heften publizierten Klaviermusik hatte der ausgezeichnete römische Pianist Sergio Perticaroli das „Album pour les enfants adolescents“ und das „Album pour les enfants dégourdis" gewählt, um daraus das Programm seines Konzerts aufzubauen. Der originelle Charakter der einzelnen Titel ließ nichts zu wünschen übrig: „Un enterrement en carnaval“ — „Un petit train de plaisir“ — „Valse torturée“

— „Fausse-couche de polka- mazurka“ — und fast immer hielt diesem die Originalität der Musik die Waage. „Ich will nichts mehr veröffentlichen lassen, solange ich noch lebe“, hatte der Meister einmal seinem Freund Edmond Michotte gesagt, „lernt man aber dann nach meinem Tode meine letzten Werke für Gesang und Klavier kennen, so wird man sehen, daß im Kopf des alten Rossini noch einiges drinnen gesteckt hat.“

Daß man es gesehen hat und noch so manches sehen wird, ist den genannten Institutionen, den italienischen Ministerien und Fremdenverkehrsämtern zu danken, die in vorbildlicher Munifizenz die wissenschaftliche und künstlerische Arbeit gefördert haben, welche Pesaro seinem größten Sohn gewidmet hat.

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