6550147-1947_37_11.jpg
Digital In Arbeit

Salzburger Domkonzerte

Werbung
Werbung
Werbung

Während in der Fcstspielzeit aus vieler Herren Ländern die ausübenden Künstler für Oper und Symphoniekonzerte sich zusammenfinden, sind die Domkonzerte (und Serenaden) immer mehr eine eigenständige Salzburger Angelegenheit. Wie im Vorjahr, fanden sie auch heuer wieder in der Aula statt. Sie ist ein präditiger, ehrwürdiger Raum mit glanzvoller Vergangenheit, aber ihre Akustik kann nicht befriedigen. Deshalb erschien das Beharren auf der vorjährigen Notlösung dem nicht in letzte Zusammenhänge Eingeweihten nicht ganz ver-ständlidi. Denn die Akustik des Domes — seit je ein schwieriges Problem — ist durdi die provisorisdie Raumlösung, wie sie sich jetzt darbietet, besser geworden. Dagegen bewirkt die überakustische Aula, zumal bei einem größeren Chor- und Orchesterapparat, sehr schnell jenes „Zuviel“ an Klang, das eine Aufführung, und sei sie noch so gut, sehr störend beeinflussen kann. So war — um dies gleich vorwegzunehmen — das schwere Blech in der Sequenz von Verdis Requiem gewiß dazu angetan, die Schrecken ins Maßlose zu vergrößern, aber die Geherseindrücke lagen fast sdion jenseits der Grenze, die noch als Musik anzusprechen ist.

Etwas anderes kommt hinzu: Es ist nun einmal so, daß Kirchenmusik ihre letzte, tiefste Weihe erst in der Kirche selbst erhält und nur dort ihre ganze Wirkung entfalten kann. Verdis Requiem, aus tiefinnerlichem religiösem Fühlen entstanden, aber nicht Kirchenmusik im strengen Sinne, mag da an der Grenze stehen. Wenn aber schon „Konzertaufführungen“ von Kirdienmusik-werken aus irgendwelchen Gründen nidit zu umgehen sind, dann hätte es dodi möglich sein müssen, die Zuhörer in geeigneter Form zu ersuchen, von Beifallsbezeigungen abzusehen.

Stilistisch erfüllten die Aufführungen einen weitgespannten Rahmen, der starke Gegensätze in sidi sdiloß: von Palestrina über Johann Sebastian Bach und die Wiener Klassiker (außer Beethoven) zu Verdi und Bruckner. Mit Dankbarkeit quittierte der Zuhörer diese Auswahl, gab sie ihm doch unter anderem Gelegenheit, wieder einmal dem Geheimnis nachzuhorchen, wie anders sich die uralten heiligen Texte der Kirche in verschiedener Zeit und bei versdiiedenen Meistern zu Musik formten. #

So war gleich das erste der Domkonzerte auf dem starken Gegensatz von Bachs „Actus tragicus“ und Mozarts Krönungsmesse aufgebaut. Konnte es einen größeren Kontrast zur Bach-Kantate geben als den innigen Jubel der Krönungsmesse? Dieses so edit salzburgische Werk — Mozart hatte es für die Krönung des Gnadenbildes von

Maria-Piain bei Salzburg geschrieben — wurde denn auch mit der ganzen Liebe und Hingabe der „Einheimischen“ musiziert. Ein glücklicher Stern stand über der Aufführung, die auch alle bereditigtcn Wünsdie im ordicstralen Teil erfüllte.

Unstreitig' künstlerischer Höhepunkt der Domkonzerte .war die Aufführung von Verdis Requiem. -Entstanden in des Meisters reifster Zeit aus Anlaß des Todes des Dichters Manzoni, ist es ein tiefempfundenes religiöses Bekenntnis, in dem die ganze inbrünstige Glut des Südländers lebendig wird, und eines jener Werke, das uns immer wieder aufwühlt. Ist es bei Mozart das Transzendente des Textes der Totenmesse, das zum Angelpunkt der musikalischen Gestaltung wird, so läßt sich Verdi von den Schrecken und Furditbarkeiten des Jüngsten Gerichtes mitreißen, die mit geradezu unüberbietbarer Realistik und Dramatik geschildert werden.

Die Aufführung war ein Ereignis besonderer Art. Es waren außer den Solisten ausschließlich Salzburger Künstler, denen diese denkwürdige Leistung gelang. Sehr viele werden sich der Aufführung des gleichen Werkes unter Toscanini mit dem Wiener Staatsopernchor und den Wiener Philharmonikern erinnern. Maßstäbe jener Aufführung heranzuziehen, wäre völlig verfehlt. Und doch gewinnt die diesjährige Leistung erst ihr ganzes Gewicht, wenn man sich jener anderen erinnert. Den Solopartien ebenbürtig war die Leistung des Chores, die höchstes Lob verdient. Audi das Orchester erfüllte die ihm zugewiesenen heiklen Aufgaben sehr befriedigend.

Nicht ganz das gleiche kann von dem dritten Domkonzert gesagt werden, auf dessen Programm Palestrinas „Stabat mater“ und Bruckners e-moll-Messe standen. Die Aufführung genügte nicht allen Wünschen.

„Opus summura viri summi“ — was könnte diesem Wort Johann Adam Hillers über das Mozartsche Requiem hinzugefügt werden? Alle Begnadung dieser Seele wird noch einmal offenbar; eine mystische Glut und Andacht leuchtet aus allen Sätzen, die schon nicht mehr von dieser Welt sdieint. Es ist zur schönen, immer wieder ergreifenden Tradition geworden, dieses letzte Werk von Salzburgs größtem Sohn alljährlich aufzuführen. So wendeten auch heuer alle die ganze Liebe an das Werk. (Eine Frage: Sind die von Mozart vorgeschriebenen Basset-hörner wirklich nicht zu besdiaffen gewesen?) Im übrigen hätte man gerade diese schöne Aufführung in einer Kirche gewünscht — nicht zuletzt darum, weil auch hier *die Stimmung durdi den lauten Applaus geradezu brutal zerstört wurde.

Einen freundlichen, freudigen, echt österreichischen Ausklang fanden die Domkonzerte mit der „Harmoniemesse“ von Josef Haydn. In dieser seiner größten, in

Erfindung und Thematik persönlichsten Messe erkennen wir einerseits Mozartsche und Beethovensche Züge, wie sie andererseits unverkennbar für Schubert und Bruckner zum Vorbild geworden sind.

Das nicht zu vergessende Verdienst des Domkapellmeisters Professor Josef M e ß-n e r .ist die sorgfältige Vorbereitung und

Leitung dieser Aufführungen, deren bedeutender Erfolg die Leistungen des' Domchors wiederum ehrenvoll neben die anderen Festspielaufführungen stellen läßt. Möge der ausgezeichnete Organist und Improvisator Meßner im kommenden Jahr die schöne Tradition der Orgelkonzerte im Dom wieder aufnehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung