Böhmermann und das verpatzte Türkis

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Jan Böhmermann macht, was seine österreichischen Kollegen zurzeit nicht machen wollen oder dürfen, jedenfalls nicht im ORF: messerscharfes politisches Kabarett.

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Jan Böhmermann macht, was seine österreichischen Kollegen zurzeit nicht machen wollen oder dürfen, jedenfalls nicht im ORF: messerscharfes politisches Kabarett.

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Zufällig traf ich in Zürich einen prominenten Schriftsteller, der mir sogleich die österreichische Sumpflandschaft an den Kopf warf und sich bestens informiert zeigte über unseren Untersuchungsausschuss und die Geschäfte des Herrn Benko. Das alles wisse er von Jan Böhmermann. Inzwischen habe ich, wie 1.750.000 andere, das Video gesehen. Böhmermann, dem wir seinerzeit erste Anspielungen auf die Einsichten der Ibiza-Affäre verdankten, liefert in seinem „ZDF Magazin Royale“ ein Kabinettstück gründlich recherchierter und brillant verdichteter Satire, mit der das deutsche Fernsehen sonst nicht unbedingt zu glänzen vermag. Er macht, was seine österreichischen Kollegen zurzeit nicht machen wollen oder dürfen, jedenfalls nicht im ORF: messerscharfes politisches Kabarett.

Während wir uns angesichts der täglich neuen Sicherstellungen und Enthüllungen hierzulande noch die Augen reiben, zugleich aber an uns erste Anzeichen von Abstumpfung konstatieren, zeigt Böhmermann das rotweißrote Sittenbild in seiner ganzen Monstrosität und Bizarrerie. Nicht dass, vom kleinen Glücksspiel bis zum großen Horizont, Korruption, Freunderlwirtschaft und gewohnheitsmäßige Lüge stattfinden, ist skandalös, sondern dass sie als, um einen verschollenen Kärntner Politiker zu zitieren, „part of the game“ für Usus erklärt werden. Böhmermann nennt nicht nur den Bundeskanzler einen „Erdapfel-Erdogan“, er nennt Namen, Daten, Fakten. Den Immobilientycoon, für den die Spitzen der Republik sich um „serviceorientierte Verwaltung“ im Bezirksgericht bemühen. Oder den Ausschussvorsitzenden, der angesichts widersprüchlicher Aussagen seiner Parteifreunde vorschlägt, doch die Wahrheitspflicht für Zeugen abzuschaffen, damit es künftig entspannter zugehe. Und eine Öffentlichkeit, die das ohne Proteststurm hinnimmt. So sind wir, leider.

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