Nahostkonflikt vor unserer Tür
Zu den - muslimischen - Reaktionen auf den Terrorkrieg der Hamas.
Zu den - muslimischen - Reaktionen auf den Terrorkrieg der Hamas.
Die Angriffe der Terrororganisation Hamas auf israelische Städte kamen überraschend. Niemand hatte damit gerechnet. Entsprechend laut waren und sind die Verurteilungen dieser Angriffe, was auch richtig und wichtig ist. Gewalt darf auf keinen Fall geduldet werden. Auffällig sind allerdings die Solidaritätsbekundungen mit der Hamas, sowohl in der arabischen und islamischen Welt als auch hier bei uns in Europa. Bilder, die Araber zeigen, wie sie die Angriffe der Hamas bejubeln und Süßigkeiten auf den Straßen verteilen, kursieren in den sozialen Medien. Sie stammen auch aus Wien, Berlin und anderen europäischen Städten.
Man muss an dieser Stelle anmerken, dass die Vorgänge im Nahen Osten viel komplexer sind, und das Problem viel tiefer sitzt, als es sich in der Empörung vieler von uns über den brutalen Angriff der Hamas auf Israel zeigt. Für viele Palästinenser, Araber und Muslime ist der Angriff der Hamas kein Terroranschlag, sondern ein Akt der Selbstverteidigung. Sie betrachten Israel als Besatzungsmacht. Dabei spielen religiöse Emotionen, wie die vorgebliche Verteidigung der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem, eine zentrale Rolle. Im Narrativ vieler Muslime ist Israel der Aggressor, die Hamas die Verteidigerin der heiligen Stätten des Islam. Auf der anderen Seite werden die Verbrechen des Holocaust in der arabischen Welt nicht ausreichend kommuniziert.
Wir müssen zugeben, dass wir es in den letzten Jahrzehnten versäumt haben, diesen Konflikt, auch bei uns im Bildungssystem, offen anzugehen. Der Nahostkonflikt wird lieber tabuisiert, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. So bleiben tickende Bomben, die nur auf einen Anlass warten, um Frust und Schadenfreude freien Lauf zu lassen.
Es bleibt dennoch zu hoffen, dass es zu einer baldigen Einstellung aller Kampfhandlungen kommt und dass dieser Konflikt am Verhandlungstisch gelöst werden kann.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.
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