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Digital In Arbeit

Neues von Lern

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„Theorie der Unmöglichkeit ei- ner Theorie des literarischen Werk- es“: diesen Titel hätte die Arbeit eigentlich verdient, bemerkt Sta-

nislaw Lern im Vorwort. Angesichts der gegenwärtigen fachwissen- schaftlichen Spezialisierung be- kennt sich der polnische Literat mutig zur Idee der Ganzheit, ein Unternehmen, das er selbstironisch „unvernünftig“ nennt.

Der Versuch einer „allgemeinen Theorie von allem“ gerät zu einem fächerübergreifenden Streifzug in die Gebiete Linguistik, Logik, Se- mantik, Literatursoziologie, Infor- mations- und Sprachtheorie, Ky- bernetik und Philosophie. Die in der zweibändigen Arbeit entworfe- ne empirische - „empirisch“ ver- standen als Abgrenzung gegenüber philosophisch und subjektiv-Theo- rie der Literatur klammert dabei explizit die eigentliche Ästhetik aus.

Lern, der über ein stupendes Wis- sen verfügt, stellt die These auf, das literarische Werk unterliege, ähn- lich wie Tiere in der Natur, einem Selektionsprozeß. Die Entschei- dung, ob ihm „literarischer Wert“ gebühre, falle erst in der gesell- schaftlichen Rezeption, die einer mehrstufigen Selektion vergleich- bar sei. Zufallserscheinungen spiel- ten dabei eine wichtige Rolle.

Wer eine streng literaturwissen- schaftliche Arbeit erwartet, wird enttäuscht sein; wer aber Lems Streifzug folgt, wird sich an den überraschenden Abschweifungen, witzigen Bonmots und tiefen Weis- heiten ergötzen.

PHILOSOPHIE DES ZUFALLS. Zu einer empirischen Theorie der Literatur. Von Stanis- law Lern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1989.2 Bände, 418 und 444 Seiten, öS 280,80.

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