Der europäischen Aufklärung wird nachgesagt, selbstreflexiv genug gewesen zu sein, um die Frage nach ihrer eigenen Beschaffenheit zu stellen. Was ist eigentlich Aufklärung? Diese Frage stellte fast beiläufig ein Autor am Ende der Epoche um 1780, und es entstand jedenfalls im deutschsprachigen Raum eine spannende Diskussion.In der Gegenwart wird diese Frage nach den Eigenschaften der Aufklärung leider viel zu selten gestellt. Sehr häufig überwiegen Klischees, Vorurteile, Zerrbilder oder einfach Annahmen über die Aufklärung, die alle sehr fragwürdig sind. Hier ein paar typische
"Die dritte Stufe ist der Schritt zum reflektierenden Glauben, der bereit ist, auch 'überschwängliche Ideen' als ein der 'Vernunft fremdes Angebot' in Erwägung zu ziehen."Rudolf Langthaler, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, widmet sich in Zeiten des "Massenatheismus" und der beliebten psychologisierenden "Entlarvungen" des religiösen Glaubens Kants Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen -eine Verhältnisbestimmung, die seiner Meinung nach "einen Meilenstein in der neuzeitlichen Religionsphilosophie markiert".Weg zur "wahren
Konrad Paul Liessmann hat sich in den letzten Jahren als Kulturkritiker und scharfer Polemiker gegen die zeitgenössische Kompetenzorientierung, gegen den Bolognaprozess, gegen die Reformwut im so genannten Bildungswesen einen Namen gemacht. Auch sein neues Buch "Bildung als Provokation" setzt im ersten Teil diese Angriffe fort. Verschiedene Aspekte des pädagogischen Zeitgeistes werden dabei aufs Korn genommen: neben den Fragwürdigkeiten der kompetenzorientierten Lernkultur etwa die Versuche einer "Professionalisierung" des Lehrberufs, die Abwertung von Faktenwissen oder die fortschreitende
Die Flüchtlingsdebatte polarisiert. Dabei haben beide seiten -etwa
pro und kontra asyl-obergrenze -sachliche argumente, die zu
diskutieren sind. Ein Gastkommentar.
Paul Lendvais "Reflexionen eines kritischen Europäers"Macht ohne Missbrauch verliert ihren Reiz". Dieses Wort Paul Valérys ist gleichsam das Motto des zwölften Buches von Paul Lendvai. Es besteht aus Artikeln und Essays, die in europäischen Tageszeitungen und der Europäischen Rundschau in den letzten Jahren erschienen sind. Das Buch behandelt die politischen Ereignisse in bestimmten Ländern - wie Deutschland, den usa, Russland und Österreich -, von ganzen Regionen - vor allem Osteuropa und dem Balkan - und analysiert Institutionen wie der eu oder die Medien.Braune und rote
Warum die derzeitige Diskussion um die Schulreform an der Sache vorbeigeht.In den letzten zwei Wochen ist die Diskussion über die PISA-Studie wieder entflammt. Themen sind diesmal die Einführung der Gesamt- und Ganztagsschule, eine Verschiebung des Schulbeginns auf 9 Uhr und eine verbesserte Lehreraus- und weiterbildung. Alle sind sich einig, dass nun eine "ideologiefreie Debatte" nötig sei, die "sachlich und tabulos" geführt werden solle, so Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Der Ideologieverzicht bleibt aber ein Lippenbekenntnis. Das zeigt besonders die Diskussion um die Gesamtschule.
Seit zehn Jahren schreibt Peter Meier-Bergfeld als Österreich-Korrespondent des Rheinischen Merkur' über ein Land und seine Menschen, die er offenbar schätzen gelernt hat. Dieser Band versammelt seine Reportagen, Essays, Kommentare und Interviews, die praktisch alle Themen abdecken, die mit Österreich zu tun haben: Politik und Zeitgeschehen, Kultur, Kirche und Religion, Medien und Gerichtsreportagen, das Schulwesen und die Universitäten, Geschichte, verschiedene Regionen, den Balkan. Und zum Abschluss gibt es vergleichende "Seitenblicke nach Deutschland".Meier-Bergfeld formuliert witzig,
Gudula Walterskirchens Biographie des Ständestaat-Kanzlers.Gudula Walterskirchen konzentriert sich in ihrer flüssig und spannend geschriebenen Biographie erstens auf die Rolle des Katholizismus, der Engelbert Dollfuß maßgeblich motivierte. Ihr zweiter Schwerpunkt ist seine Nachwirkung: die Stilisierung zum Märtyrer und gleichzeitig zum Feindbild Nummer eins unmittelbar nach seiner Ermordung, die Zeit der großen Koalition, das Jahr 2000 bis zur Verhöhnung von Andreas Khol als "Kholfuß" wegen seiner Haltung zur Dollfuß-Frage. Die Biographie beginnt - und das ist sehr geschickt gemacht -
Frank Schirrmacher plädiert für eine Überwindung des so genannten "Altersrassismus".Der Ausgangspunkt ist die mittlerweile bekannte "demografische Zeitbombe'", durch die alle westlichen Industriestaaten gefährdet sind: Deutschland etwa wird im Jahr 2050 nicht nur eine sehr alte Bevölkerung umfassen, sie wird auch um 12 Millionen abgenommen haben. Der Eintritt der so genannten Babyboomer (die Jahrgänge zwischen 1950 und 1964) in das Pensionsalter werde, so Frank Schirrmacher, den Westen in eine Art "Ausnahmezustand" versetzen.Babyboomer in PensionSchirrmacher, Mitherausgeber der FAZ,
Mit Golo Mann starb vor 10 Jahren ein echter Intellektueller. Urs Bitterli hat eine ausgezeichnete Biografie über ihn verfasst.Sein Vater Thomas Mann sprach von seiner "problematischen Natur", als er noch ein Kind war, während des Zweiten Weltkrieges gelang ihm eine abenteuerliche Flucht in die USA, dort beschwerte er sich über die "frechen Schüler" an seiner südkalifornischen Universität, nach 1960 wurde er einer der angesehensten politischen Publizisten und einer der meistgelesensten Historiker des deutschen Sprachraumes: die Rede ist von Golo Mann, der als Angelus Gottfried Thomas
Michael Ley begibt sich auf die Suche nach der "europäischen Seele" und der Zivilreligion.Was hält die modernen Gesellschaften, was hält die Europäische Union zusammen? Diese Frage steht im Mittelpunkt von Michael Leys Studie über den Nationalismus, die Suche nach neuen Identitäten in Europa und die Zivilreligion.Ley beginnt chronologisch mit dem Nationalismus, der Nationalitätenfrage und den Lösungsversuchen in der Donaumonarchie. Schon früh wurde Intellektuellen wie Karl Renner klar, dass der Nationalstaat nicht nationale Konflikte löse, sondern diese erzeuge und verschärfe. Denn
Am Beispiel Böhmens zeigt Peter Glotz auf, wie Nationalismus entsteht und allmählich die Beziehungen zwischen den Völkern vergiftet.Wer über die Sudetendeutschen, ihre Vertreibung und die BeneÇs-Dekrete schreibt, gerät schnell zwischen ideologische Fronten: wer nur über die Verbrechen der Nationalsozialisten berichtet, dem wird Einseitigkeit vorgeworfen; wer sich zu lange bei den Verbrechen der Tschechen 1945 aufhält, ist schnell ein "Ewiggestriger" und "Revisionist".Glotz hält sich aus diesem Parteienstreit heraus, indem er die überlegte und überlegene Position des -
Nach "Bildungskatastrophe" und Ausrufung des "Erziehungsnotstandes" in Deutschland ist Umdenken angesagt.Am Anfang war ein neuzeitlicher Mythos, der sich in die Aufklärung eingeschlichen und die Natürlichkeit, Ursprünglichkeit, Unverdorbenheit und das Gutsein der Kinder angenommen hatte. Für die Psychotherapeutin Alice Miller ("Am Anfang war Erziehung", 1980) war Pädagogik immer "schwarz" und Erziehung eine "Bekämpfung und Verfolgung des Lebendigen im Kind". Miller wandte sich deswegen gegen jede Art von Erziehung überhaupt, auch gegen die antiautoritäre.Nun schlägt das Pendel in die
Kant als Erneuerer des Völkerrechts und "Ahnherr der UNO".Kants kleine Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) wurde noch zu seinen Lebzeiten ein Bestseller. Unmittelbarer Anlass der Schrift war der Friedensvertrag zwischen Preussen und dem revolutionären Frankreich, das damit zumindest vom Vertragspartner völkerrechtlich anerkannt wurde. Kant, ein Anhänger der Revolution, begrüßte diesen Schritt.Französische RevolutionKant war aber vor allem ein systematischer Denker. Die Schrift bietet deshalb keine polemische Propaganda für Frankreich; Kant geht es um etwas Prinzipielles, um die
Als der neunzehnjährige Landes-fürst Johann Heinrich von Luxemburg am Abend des zweiten November 1341 von der Jagd zurückkam und nichtsahnend Einlaß in die Burg zu Tirol (bei Meran) begehrte, erhielt er nur die höhnische Antwort, er möge sich ein anderes Quartier suchen. Johanns eigene Gemahlin, die vierundzwanzigjährige Margarete von Görz-Tirol, hatte in seiner Abwesenheit einen Putsch durchgeführt, der die luxemburgische Herrschaft in Tirol abrupt beendete.Wilhelm Baum, ein gebürtiger Düsseldorfer, der heute in Klagenfurt lebt, hat die bewegte Lebensgeschichte der Margarete zum
Unter Zuhilfenahme von Literatur bietet der bekannte Historiker Jacques Le Rider einen historischen Abriß der Mitteleuropakonzeptionen der letzten 200 Jahre.
Mit ihren unzeitgemäßen Betrachtungen über die Frauen in der römischen Antike hält uns die Autorin einen bekannten Spiegel vor, diesmal „feministisch angereichert“.
Alles beginnt (höchstwahrscheinlich) am 11. Juni 172, als ein unvorhergesehenes Gewitter dazu beiträgt, daß Marc Aurel im Raum nördlich von Carnuntum eine Schlacht gegen Markomannen, Quaden und andere gentes gewinnt. Die römische XII. Legion „fulminatrix" ist maßgeblich an diesem Sieg beteiligt, viele ihrer Soldaten sind offenbar Christen (aus dem Gebiet des Nordeuphrats) und haben vor dem Treffen gebetet.Mit diesem „großen Regen-wunder" beginnt die dokumentierbare, durch Legenden oft entstellte Geschichte des Christentums in Südmitteleuropa. Der erste Band umfaßt den
„Die zürnende Adlerin aus Bayern" naimte Gabriele d'Annunzio Marie Sophie von Bourbon (1841-1925). Die Schwester der Kaiserin Elisabeth wurde als Achtzehnjährige mit Franz IL, dem König von Neapel-Sizilien, vermählt. Ihr politisch offenbar unfähiger Mann verliert sein Königreich bald an Sardinien, das offen die „Rothemden" Giuseppe Garibaldis unterstützt und schließhch selbst 1860 militärisch entscheidend in die Auseinandersetzung eingreift. Mit ihrer tapferen Haltung während der Verteidigung von Gaeta, das 1861 kapitulieren muß und den Sturz der Rour-bonen besiegelt, wird Marie
Bereits im prägnanten Buchtitel ist die Kemthese enthalten: der Herausgeber Jo-ichim Heinzle und die Autoren ier Beiträge arbeiten an einer Jnterminierung der Antithese Vlittelalter - Modeme. Sie stellen he Positionen in Frage, derzufol-re die ältere Epoche essentiell an-lersartig gewesen sein soll, für len klassisch promodemistischen Aufklärer eben „finster" und „schreckhch", für den Antimo-demismus hingegen strahlendes Paradies, von dem die Neuzeit abgefallen sei.Diesen beiden konträren Auffassungen wird die These der Kontinuität gegenübergestellt, untermauert durch „neue
Bücher sind kostbar: das ist die Kemaussage der von Rudolf Hiestand herausgegebenen Aufsatzsammlung über Inkunabeln, Handschriften und frühen Drucken des 16. Jahrhunderts. Hintergrund dieser Publikation von Beiträgen namhafter Mediävisten ist der allmähliche Verfall unersetzbarer Bände, unter anderem in der Universitätsbibliothek Düsseldorf, und die Suche nach Mäzenen und Patronen, die bereit sind, die kostspieligen „Buchrettungen" zu finanzieren. Dieses Aiüiegen betrifft aber auch andere Bibliotheken.Die einzelnen Beiträge sind sehr inhomogen, sie nehmen meist einen Band aus der
Die Frage, wie es weitergeht, beschäftigt seit Francis Fukuyama immer wieder Historiker, die mutig genug sind, einen Ausflug in Nachbardisziplinen zu wagen.
Das Buch ist kein Beitrag zur wissenschaftlichen Historie, hoffentlich aber auch nicht repräsentativ für die herrschende Denkart im heutigen Deutschland.
„Dabei will ich noch gar nichts darüber sagen, wie unmenschlich man mit den Mädchen selbst verfährt, die manchmal in weit entfernte Länder wie in die Verbannung zu Menschen geschickt werden, die an Sprache, Aussehen, Charakter und Anlagen gänzlich verschieden sind", meditiert Erasmus von Rotterdam in seinem Fürstenspiegel für die Habsburger über die Fürstentöchter, die der Staatsräson geopfert werden. Diese habsburgi-sche Heiratspolitik führt Spanien und Österreich für fast 200 Jahre zu einer gemeinsamen Geschichte zusammen.Vorliegender Band beleuchtet die kulturellen und
„You can fool some people some of the time, but you can't fool all the people all of the time”: diese Einsicht Abraham Lincolns bestätigt die aktuelle und faszinierende Arbeit von Gerhard und Nadja Simon über den raschen und unerwarteten Verfall undUntergang der kommunistischen Sowjetunion. Die Kapitel über Gorbatschow, Glasnost, Ideologie, das politische System, die Wirtschaft, die Nationalbewegungen und die Außenpolitik machen deutlich, daß die Kommunisten vor allem an der mangelnden Legitimation ihrer Herrschaft scheiterten. Gorbatschow stand vor dem Dilemma, daß Reformen die
„Wir habe in den Griechen eine Nation vor uns, unter deren glücklichen Händen alles, was ... das höchste und reichste Menschendasein bewahrt, schon zu letzter Vollendung gereift war ... so schöpfen wir aus der Betrachtung der Griechen etwas mehr als Irdisches, ja beinahe Göttliches”, schreibt Wilhelm von Humboldt zu Beginn des 19. Jahrhunderts.Die von Wilfried Nippel herausgegebene Textsammlung aus zwei Jahrhunderten schildert die Entwicklung der Disziplin Alte Geschichte vom Enthusiasmus Humboldts über die verklärten Griechen bis zur nüchternen Frage des zeitgenössischen
„Bella gerunt alii - tu, felix Austria, nube!” ist der Ausspruch, der immer dann strapaziert wird, wenn es um das Thema habsburgische Heiratspolitik geht. Daß auch die Habsburger in zahllose Kriege verwickelt waren, um ihr fast 650 Jahre bestehendes Weltreich entweder zu erobern oder zu verteidigen, zeigt Hellmut Andics mit seiner Arbeit.Der Autor bemüht sich nachzuweisen, welchen oft weitreichenden Einfluß die Frauen der Habsburger am Hof hatten, auch wenn er nicht aus Staatspapieren abzulesen sei. Dieser Einfluß ist meist das Wirken außergewöhnlicher Persönlichkeiten. „Im Hause
„Der Nationalsozialismus ist eine Pest”, er bedeutet „Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg, Lüge, Haß, Brudermord und grenzenlose Not”, schreibt der konservative (und wohl deshalb heute vergessene) Journalist Fritz Gerlich bereits im Juli 1932 prophetisch in der von ihm herausgegebenen Wochenzeitung „Der gerade Weg”. In seinem kompromißlosen und konsequenten Ringen mit Hitler und den Nationalsozialisten wandelt er das unbedeutende Sonntagsblatt in kurzer Zeit zu einem auch im Ausland vielbeachteten Kampfblatt
Ist der Übergang vom Tardoantico, der Spätantike, zum Frühmittelalter durch Kontinuität oder durch einen Bruch gekennzeichnet? Beschreiben Begriffe wie Niedergang, Dekadenz, „finstere Zeit", Anarchie und Barbarei zutreffend die Periode vom 5. bis 8. Jahrhundert, oder handelt es sich um ein Vorurteil der Wissenschaft?Michel B anniard neigt in seiner Kulturgeschichte Europas von 476 bis 774 zu letzterer Auffassung. Er plädiert dafür, von einer „Übergangsund Regenerationszeit", vom „Prolog zur Geburt des Mittelalters" zu sprechen. Die These entfaltet der französische
Er sei „zu grob" und konzentriere, seit er Generalsekretär geworden sei, eine „unermeßliche Macht in seinen Händen". Dabei müsse bezweifelt werden, ob er es verstehen werde, „von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen", schreibt Lenin in seinem Testament (1922) über den Nachfolger und Massenmörder Stalin. Er schlage deshalb „den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könne". Stalin bot auf dem Parteitag formell seinen Rücktritt an, der jedoch abgelehnt wurde.Interessante Informationen dieser Art bietet das „Lexikon der
„Keines der Übel, die der Totalitaris-mus... zu heilen behauptet, ist schlimmer als der Totalitarismus selbst", schrieb Albert Camus, und die Studie über Stalins „Säuberungen" von 1934 bis 1938 bestätigen diese These. Der Autor, Professor an der Stanford Uni-versity, arbeitet in diesem „Reassess-ment" (so derOriginal-Untertitel) neueste Ergebnisse der Forschung ein, die durch die Öffnung russischer Archive möglich wurden.Im Mittelpunkt stehen die „Säuberungen" Stalins innerhalb der Partei. Der Mord an Kirow, dem Vorsitzenden der Leningrader Parteiorganisation
„Fangts kan Krieg an, wenn ihr keinen führen könnts!" brüllt Oberst Windisch, Theresienritter der Isonzo-front, über das Feldtelefon einen Vorgesetzen während des deutschen Angriffs auf Murmansk an. Wie in vielen anderen Schlachten, die das Buch schildert, scheitern die Achsenmächte an ihrer materiellen Unterlegenheit. Es fehlt an Truppen, schweren Waffen, an Luftunterstützung und ausreichender Munition. Stattdessen werden die für das Deutsche Reich kämpfenden Österreicher mit Sprüchen wie „Wer hungert und friert, ist selber schuld" (General Schörner an der
Ihre Position haben die meisten europäischen Herrscherfamilieh eingebüßt, aber die Phantasie beflügeln sie noch immer. So wurden kürzlich die Weltnachrichten mit einem Skandal um die sterblichen Überreste der Mary Vetsera bereichert. Tod, Untergang, (vorgebliche) Morbidität und Dekadenz faszinieren die Gemüter.Der russische Dramatiker Edward Radsinski schwimmt mit seiner Biographie über Nikolaus II. auf dieser Welle mit. Er bietet „Geschichte von unten”: der Zar als liebevoller Familienvater mit einem bluterkranken Sohn als Thronfolger, der Regent, der penibel ein recht banales
„Die Ganzheit des Staates erhalten, der tausend Jahre alt ist und geschaffen wurde durch die Arbeit, die Vernunft und die unzählbaren Opfer vieler Generationen”, appellierte Gorbatschow im März 1991 vergebens an die Völker der UdSSR. Nach dem abrupten Ende des tausendjährigen Reiches bietet der Politologe und Ex-politiker Lothar Rühl in einem fesselnd geschriebenen Buch eine Art Bilanzbericht dieser Herrschaft.Kompetent mit Zahlen und Fakten sowie der Sekundärliteratur umgehend, schildert der Autor den allmählichen, durch viele Rückschläge gekennzeichneten Aufstieg des Reiches vom
Die Ereignisse der böhmischen Geschichte sind in den beiden letzten Jahrhunderten unterschiedlichsten Bewertungen und zahllosen Mythen, Idealisierungen und Verdammungen ausgesetzt gewesen. Tschechische Nationalisten etwa sprachen von der „do-ba temna”, der nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg (1620) einsetzenden „Zeit der Finsternis” unter den Habsburgern. Marxisten sahen im Hussitismus Ansätze des Klassenkampfes und der eigenen Ideologie.Hoensch legt unter Schichten von Verzerrungen und Vorurteilen dieser Art - dazu gehört auch die Überbewertung und Glorifizierung der
Die Londoner Times sprach von einem „unverzichtbaren Werk”, die New York Times pries es als „glanzvolle Leistung” an: Albert Houranis Geschichte der Araber liegt nun in einer guten deutschen Übersetzung vor. Aufgrund des Golfkrieges war das Buch in den USA sogar ein Bestseller.Der Autor, als Sohn einer libanesischen Familie 1915 geboren, studierte in England, war an verschiedenen Universitäten als Professor für Arabi-stik tätig und gilt als führender Experte der Geschichte des Nahen Ostens.Fünf Teile schildern die Entstehung des Islam und die arabische Expansion (7. bis 10.
„Die höchst erhabene Stadt der Vene-ter ist das eine Haus der Freiheit, des Friedens und der Gerechtigkeit, ein Hort des Guten, ein Hafen, dem alle zustreben, die gut leben wollen". Mit diesen überschwenglichen Worten lobt Francesco Petrarca im 14. Jahrhundert die Lagunenstadt. Die Kunstdenkmäler Venedigs, seine Mosai-, ken, Gemälde, Skulpturen und Bauwerke sollten genau dieses idealisierte Bild der Stadt und ihre Mythen verbreiten.Venedigs Aufstieg zur Seemacht im Spätmittelalter wird tatsächlich durch eine „Heldentat" begründet, die die von Petrarca gepriesenen Tugenden
„Das Schickal Italiens hängt nicht von den Italienern ab", schrieb ein zynischer Napoleon 1813 an Eugene de Beauhernais, der geklagt hatte, daß im Laufe der Kampfhandlung ganze italienische Bataillone zu den Österreichern übergelaufen seien. Der große Vorschuß an Vertrauen, den viele Lombarden und Veneter den Habs-burgern damals gaben, ging seit Beginn der 1840er mmer schneller verloren. Um 1860 hielt nur noch eine kleine Anzahl von „Austriacanti" an der Idee eines gemeinsamen Vielvölkerstaates fest.Warum scheiterte das „Zusammengehen Oberitaliens mit Mitteleuropa"?
Was gibt es anläßlich der Fünfhun-dert-Jahr-Feier der Entdeckung für die Lateinamerikaner zu feiern? Diese Frage ist dem Schriftsteller und Diplomaten Carlos Fuentes Grund für eine „Geschichte der hispanischen Welt“ oder, viel treffender, der Untertitel der Originalausgabe „Reflexionen über Spanien und die Neue Welt“.Fuentes sieht die Geschichte Spaniens und Lateinamerikas als Einheit; er spricht von den „spanischen Amerikanern“ und weist darauf hin, daß diese Spanien als „La Madre Patria“ bezeichnen. Das Buch ist der Suche nach der kulturellen Kontinuität und
Zwar gibt es die „Arbeiterzeitung“ nicht mehr, die auf dem Einbandrücken der achten Auflage der „Geschichte der Staatsideen“ diese wegen ihrer „leicht faßlichen Sprache“ und der „knappen, einprägsamen Darstellung“ lobt. Das Urteil ist aber immer noch zutreffend: Zippelius’ ideengeschichtlicher Abriß des abendländischen Staats- und Rechtsdenkens von den Sophisten bis zu Popper ist weiterhin als ausgezeichnete Einführung in den Themenkreis anzusehen.Auf die knappe Darstellung des jeweiligen Denkers folgt eine kurze, sachliche Kritik. Auch weitgehend vergessene Autoren wie
Die Idee, ein Buch über die Geschichte der Beziehungen zwischen Bayern und den Magyaren zu schreiben, mag auf den ersten Blick überspannt erscheinen. Was haben denn diese beiden Völker schon an gemeinsamer Geschichte gehabt?Die Lektüre jedoch ergibfeinen verblüffenden Befund: die ungarischbayerischen Beziehungen sind seit 892 nicht abgerissen, als sich der Karolinger Arnulf von Kärnten mit den heidnischen Magyaren verbündete. Höhepunkte der oft kriegerischen Kontakte sind die Raubzüge der Ungarn bis zur Schlacht auf dem Lechfeld 955, die Christianisierung des Reitervolkes durch
„Die Kunst ist nur die Schöpfung unserer Sehnsucht nach der Existenz, wie sie uns sein sollte; sie entsteht aus unserem Heimweh nach dem einzigen Vaterland und ahnt dessen Formen", vertraut Kaiserin Elisabeth ihrem griechischen Vorleser an, Con-stantin Christomanos. Dieser gibt nach der Ermordung Elisabeths am Genfer See 1898 die „Tagebuchblätter" heraus: unter der Hand eines Schopen-hauerianers wird die Gemahlin Kaiser Franz Josephs zum Sprachrohr einer pessimistischen Decadence stilisiert. Spätestens mit dieser Veröffentlichungen war der Grundstein zur Mythenbildung um
Wie kam die neue Welt in die alte? Wie hat Europa die neue Welt aufgenommen? Inwieweit war es überhaupt in der Lage, das Neue zu sehen, zu verstehen, zu schätzen? Mit diesen Fragen ist die an der Universität Heidelberg lehrende Fauke Gewecke an die literarischen Zeugnisse der Entdecker, Reisenden, Missionare und Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts 'herangetreten.Die neue Welt kam meist nur bis zur Unkenntlichkeit entstellt in die alte. Denn bei dem Amerikabild dieser Europäer handelte es sich „weniger um das Abbild der amerikanischen Wirklichkeit, als vielmehr um die Wiedergabe von in
Allmählich beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, daß nicht das Mittelalter selbst, sondern unser von jahrhundertealten Vorurteilen geprägtes Bild von diesem mit dem Adjektiv „finster" zu bezeichnen ist. Heinrich Fichtenau, bis 1983 Professdr für mittelalterliche Geschichte an der Wiener Universität, leistet mit seiner ausgewogenen und informativen Studie über das zehnte und frühe elfte Jahrhundert einen wertvollen Beitrag in der Revision dieses Zerrbildes.Untersucht werden die Versuche jener Zeit, das Leben der Menschen „und vor allem die Beziehungen zur Umwelt einer
Zwar gibt es die Wiener Arbeiterzeitung nicht mehr, die auf dem Einbandrücken der mittlerweile achten Auflage der „Geschichte der Staatsideen" diese wegen ihrer „leicht faßlichen Sprache" und der „knappen, einprägsamen Darstellung" lobt. Das Urteil ist aber noch immer zutreffend: Zippelius' ideengeschichtlicher Abriß des abendländischen Staats- und Rechtsdenkens von den Sophisten bis zu Popper ist weiterhin als ausgezeichnete Einführung in den Themenkreis anzusehen.Auf die knappe Darstellung des jeweiligen Denkers folgt eine kurze, sachliche Kritik. Auch weitgehend
Man sagt, Geschichte werde immer von den Siegern geschrieben. 500 Jahre nachjenem denkwürdigen 12. Oktober 1492 trifft das auf die Ureinwohner Amerikas nicht mehr zu. Der Herausgeber hat namhafte Historiker und Anthropologen aus den USA gefunden, die mit ihm die Geschichte Amerikas neu schreiben - eben aus der Perspektive der betroffenen „Indios", wie sie Kolumbus genannt hatte. Unter den Autoren finden sich auch Mitglieder indianischer Stämme.Im ersten Teil der Aufsatzsammlung werden das Leben und die Kultur der Menschen des Doppelkontinents geschildert, von den Eskimos bis zu den
„Bisher lehrte und behielt ich unbewußt den ganzen Jan Hus. ... Kurz, wir sind alle, ohne es zu wissen, Hussiten", schrieb Luther 1520 an Georg Spalatin. Diesem Bekenntnis zufolge ist nicht der Wittenberger, sondern der Prager Reformator der eigentliche Wegbereiter einer neuen Zeit, die den mittelalterlichen Universalismus beendete.Ernst Werner, emeritierter Professor für mittelalterliche Geschichte, schildert das Leben, das Umfeld und die Wirkung des Jan Hus (um 1370 bis 1415), der als Prediger der Bethlehemskapelle von Prag berühmt wurde, Wyclif ins Tschechische übersetzte, in
Warin und wo entstand die Moderne? Was war für ihren Durchbruch entscheidend: wirtschaftliche, soziale, in-tellektuelleoderdemographische Faktoren? Diese Fragen versucht der Wirtschaftshistoriker Hermann Kellenbenz in seiner umfassenden Studie, die 1986 als Einleitung des „Handbuchs der europäischen Wirtschaftsund Sozialgeschichte" erschienen war, zu beantworten.Zeitlich gliedert sich die Arbeit von den Krisen des Spätmittelalters bis zu jenendes frühen 17. Jahrhunderts mit dem Dreißigjährigen Krieg als große Zäsur. Sowohl die säkularen Trends als auch die zyklischen
„Debunking" nennen die Amerikaner das, was Karl-Wilhelm Weeber mit den Olympischen Spielen der Antike macht: er will ihnen den Nimbus nehmen, sie „entmythologisieren" und uns aufklären, daß unser Olympiabild zu idealistisch, beschönigend und eine Rückprojektion eigener Ideale sei.Weebers eigenes Olympiabild ist wenig schmeichelnd: die Olympioniken seien Profis, nicht Amateure gewesen, die Spiele durch Geld- und Ruhmsucht, durch Konkurrenzdenken, Egoismus, Skandale, unsauberes Wettkampfverhalten, Brutalität und eine skrupellose Erfolgsethik gekennzeichnet gewesen. Sie hätten
„Sandro, Sandro, ich bin unfähig, Zar zu sein!", klagte Nikolaus Alexan-drowitsch 1894 seinem Cousin und Spielgefährten, als er erfuhr, daß er die Thronfolge antreten mußte. Der Durchschnittsmensch Nikolaus war tatsächlich seiner Position nicht gewachsen und bezahlte diese politische Unfähigkeit schließlich mit dem Leben. Er initiierte nie die Ereignisse, sondern ließ sie auf sich zukommen, bis er von ihnen überrannt wurde.Das Bild dieser tragischen Herrscherfigur und seiner Zeit zeichnet der Franzose Marc Ferro in einer lesbaren und ausgewogenen Biografie. Er schildert vor
Wie sind Frauen, die in Herrschaftspositionen vorgerückt sind, mit Macht umgegangen? Machten sie wirklich Geschichte, oder wurden sie von Beratern, Umständen und Ereignissen getrieben? Diese Fragen stellt die Schriftstellerin und gelernte Historikerin an das Leben von neun Herrscherinnen. Die Liste reicht von Elizabeth I. of England über Christine von Schweden, Maria Theresia, den Zarinnen Katharina I., Anna, Elisabeth und Katharina II., Queen Victoria bis zu Indira Gandhi.Fussenegger sieht sie primär nicht als strahlend gekrönte Häupter, son dem als stille, manchmal verbitterte
Ein verwirrter amerikanischer Rezensent bezeichnete die Arbeit Bitteriis, Professor für Neuere Geschichte in Zürich, als "curiously outdated". Das ist zutreffend, jedoch nicht unbedingt als Negativum zu werten. Bitterli führt souverän und erfrischend unideologisch die Tradition der "erzählenden Geschichtsschreibung" weiter.Rechtzeitig vor dem Amerikajahr 1992 bietet der Autor eine solide, fundierte und informative Darstellung der Entdeckung, Eroberung und Erkundung des amerikanischen Kontinents vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Das Buch gliedert sich in die Reisen zu
Jahrhunderte haben die Reichskleinodien, nämlich die Reichsinsignien, der Reichsornat und die Reichsreliquien, das römisch-deutsche Kaisertum repräsentiert. Vor allem die Wiener Krone und die heilige Lanze als Teil der Insignien hatten einen beträchtlichen Symbolwert, der auch nach dem Untergang des Reiches 1806 nicht verloren geht. Das zeigt Kubin in den beiden ersten Kapiteln, die -als Vorspann - die Überstellung der Reichskleinodien 1938 nach Nürnberg und die Legendenbildüngen um Hitler und die heilige Lanze schildern.Die Geschichte der Reichskleinodien ist die Mitteleuropas der
„Wer die Sowjetmacht von heute verstehen will, muß auch die Geschichte Rußlands von gestern kennen", verspricht der Umschlagtext des neuen „Rußland-Ploetz". Er wird vom Verlag besonders jenen ans Herz gelegt, die wenig Zeit haben, sich umfassend zu informieren. Dementsprechend kommt aber auch das „Verstehen" zu kurz.Die Geschichte Rußlands und der Sowjetunion von 860 (erster Angriff auf Byzanz) bis zum 25. April 1991 (Gorbatschow bietet seinen Rücktritt vom Amt des Generalsekretärs der KPdSU an) ist zwar übersichtlich und handlich zusammengestellt. Allgemeine
Ein Emirsmantel aus der Palast- werkstatt Rogers II., dessen Saum eine Inschrift in Kufi - einem früh- islamischen Schriftstil, der die Horizontale betont - trägt: Dieses um 1133 entstandene Prachtstück macht den Besucher der Wiener Schatzkammer auf die kulturellen Hochleistungen der Mauren auf- merksam. Das Krönungsornat des normannischen Königs mit arabi- schen Inschriften fiel auf dem Erb- weg an das römisch-deutsche Kai- serhaus.Burchard Brentjes, Professor für Orientarchäologie an der Universi- tät Halle-Wittenberg, bietet einen Überblick über die kulturelle Ent- wicklung des
Auch ein Jahr nach dem 50. Jah- restag des Beginns des Zweiten Weltkriegs ist die „Ploetz Weltge- schichte" lesenswert. Jedes Kriegs- jahr wird in Form einer ausführli- chen Synchronopse dargestellt und mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse des Jahres eingeleitet. Einen guten Überblick bietet die von Hans Dol- linger gewählte Darstellungswei- se: In der ersten Spalte findet manDaten aus der Politik, in der zwei- ten das europäische, in der dritten das außereuropäische Kriegsge- schehen. Die vierte Spalte beleuch- tet die kulturellen Aktivitäten aus den Bereichen
„Die schlimmste Aufkündigung der Aufklärung war der National- sozialismus. Längst ehe er gegen Recht und Sitte verstieß, hatte er gegen die Vernunft verstoßen." Auf- klärung, Hitlerzeit und Vernunft: Um diese Begriffe kreisen die Auf- sätze aus 30 Jahren des sechzigjäh- rigen Eberhard Jäckel.Die Aufklärung als Mut zum Sel- berdenken, als moralische Aufgabe beschwört der Jubilar als Heil- und Hilfsmittel gegen „Betriebsunfäl- le" wie den Nationalsozialismus, der im Mittelpunkt der meisten Bei- träge steht. Der Bogen spannt sich von der deutschen Kriegserklärung an
Als Ankläger in den Nürnberger Prozessen, als Rechtsanwalt und Publizist hat Robert M. W. Kemp- ner Zeit seines Lebens die Sache der Opfer des Dritten Reiches zu seiner eigenen gemacht. Die Her- ausgeber der Kempner gewidme- ten Festschrift beabsichtigen, die Perversion des Denkens und Han- delns „vom Prä- bis zum Neofa- schismus in Deutschland" zu re- konstruieren und zu dokumentie- ren.Die Essaysammlung richtet sich gegen alte und neue Barbarei, in erster Linie gegen den Nationalso- zialismus, gegen Carl Schmitt. Den eigentlichen Schwerpunkt bilden jene Aufsätze, die den Nachweis
„Theorie der Unmöglichkeit ei- ner Theorie des literarischen Werk- es“: diesen Titel hätte die Arbeit eigentlich verdient, bemerkt Sta-nislaw Lern im Vorwort. Angesichts der gegenwärtigen fachwissen- schaftlichen Spezialisierung be- kennt sich der polnische Literat mutig zur Idee der Ganzheit, ein Unternehmen, das er selbstironisch „unvernünftig“ nennt.Der Versuch einer „allgemeinen Theorie von allem“ gerät zu einem fächerübergreifenden Streifzug in die Gebiete Linguistik, Logik, Se- mantik, Literatursoziologie, Infor- mations- und Sprachtheorie, Ky- bernetik und
„Der russische Mensch liebt das Vielleicht, das Ungefähr und das Irgendwie", lautet eine Selbstcha- rakterisierung des Landes in einem Sprichwort. Über diesen Menschen sucht der Herausgeber Godehard Schramm den Zugang zur „russi- schen Seele" und damit zum immer noch geheimnisumwitterten und fremdartig wirkenden Land selbst.Tagebuchnotizen, Erzählungen, Romanauszüge, Gedichte und theo- retische Schriften sowjetischer und russischer Autoren hat Schramm so zusammengestellt, daß die Ge- gensätzlichkeiten und Widersprü- che der russischen Mentalität „er- lesbar" werden. Neben den
„Am Anfang war nicht das Wort. Am Anfang waren die Zahlen". Mit diesen programmatischen Sätzen beginnt Mitterauer seinen aus 93 Paragraphen bestehenden Tracta-tus numerico-neuro-theologicus. Die Reflexionen über technisches Handeln gehen im Anschluß an Py-thagoras davon aus, daß es die Zahlen sind, die im Universum das Handeln bestimmen. Nur auf der Basis der ewigen Gesetze der Zahlen seien Gott und die Lebewesen in der Lage, „technisch zu handeln".Der Autor, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, dessen Forschungsschwerpunkte u. a. auf dem Gebiet der Forensischen
Er habe genügend Chemikalien in seiner Dunkelkammer, um alle St. Jakober zu vergiften, meinte der Defregger Fotograf Josef Ladstät-ter (1845 - 192 5) oft im Scherz. Tatsächlich hat er sie, statt sie in die Ewigkeit zu befördern, auf seinen Platten verewigt.Der Tischler, Bauer und Familienvater Ladstätter widmete sich seit 1879 der Kunst, „mit Licht zu zeichnen" und lieferte die ersten Aufnahmen aus dem Tal, das im heutigen Osttirol liegt. Während die städtischen Fotografen durch Landschaftskulissen im Atelier die freie Natur vortäuschten, machte der Autodidakt aus St. Jakob fast
„Alle meine Zufriedenl«eit und meine Ruhe sterben mit dieser unvergleichlichen Tochter", klagt Maria Theresia kurz vor dem Tod Isabellas, die fünf Wochen vor ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag den Blattern zum Opfer fällt.Nach Kinder- und Mädchenjahren an den Höfen von Madrid, Versailles und Parma wird Prinzessin Isabella von Parma (1741 - 1763) mit Kronprinz Joseph verheiratet und eröffnet damit den Reigen der bourbonisch-habsburgischen Familienverbindungen nach der „Umkehr der Bündnisse" von 1756. Im Mittelpunkt der Arbeit der Autorin ist die Persönlichkeit
„Roth ist einer der stärksten Menschen, dieheute schreiben. Und dies Buch ist eines der stärksten Bücher, die er geschrieben hat." Der Rezensent, der sich bereits 1930 für Joseph Roths „Hiob" einsetzte, war Ludwig Marcuse(1894bisl971),den man heute bestenfalls mit seinem Namensvettern, dem allmählich in Vergessenheit geratenen Philosophen Herbert M., verwechselt. Daß er über einen Zeitraum von fünfzig Jahren zu den bedeutendsten Literaturkritikern deutscher Sprache gehörte, weiß man nicht mehr.Marcuses Kritiken und Essays besitzen selbst literarische Qualitäten. Im Urteil
„ Ich hatte im Grunde keine Angst, weil ich gläubig bin", berichtet He- lene Golnipa von den Verhören in Stalins Gulag-Hölle, wo nachts Rat- ten über die Gefangenen herfallen, die „wie die Fliegen" sterben.Helene Golnipa steht als Pseudo- nym für die in Znaim geborene Ärztin Angelina Rohr (1890 bis 1985), die 1925 mit ihrem Mann, auch Arzt, in die Sowjetunion aus- wandert, „aus Protest gegen mein konservativ-monarchistisches El- ternhaus" und mit dem Lebensziel, der an der sibirischen Beulenpest leidenden Bevölkerung zu helfen.Nach dem Überfall der Deutschen auf die UdSSR im Juni
Die einen sehen in ihm einen „Austrofaschisten", der Österreich mit seiner Politik ins Verderben stürzte, die anderen einen aufrechten Patrioten, der Hitler immerhin Jahre hindurch Widerstand leistete. Kurt Schuschnigg (1897 bis 1977) gehört bis heute zu den umstrittensten Personen der Ersten Republik.Schwerpunkt dieser ersten Biographie Schuschniggs ist die Innen- und Außenpolitik des Bundeskanzlers in den entscheidenden Jahren von 1934 bis 1938. Darüber hinaus versucht der Autor auch die vernachlässigten Lebensabschnitte vor und nach diesem Zeitraum gebührend zu würdigen: seine
„Mein Gesichtspunkt ist der eines hispanoamerikanischen Dichters“. Aus diesem Blickwinkel versucht Octavio Paz, die moderne Bewegung der Dichtung und ihre Beziehung zur „Modernität“ zu beschreiben. „Parteiische Kritik“ nennt der Autor in Anlehnung an Baudelaire seine Reflexionen, die einen indirekten Versuch der Selbstbestimmung darstellen. Die Arbeit, eine Mischung aus litera-tur- und geistesgeschichtlicher Abhandlung und philosophischem Essay, vertritt die These, die moderne Dichtung gründe sich auf das Prinzip der Negation der Moderne.Ausführlich setzt sich Paz mit der
„Herr Lehrer, wo kommen die Ziffern eigentlich her? Wann hat man das Zählen gelernt? Was ist der Ursprung der Zahlen?“ Auf diese ihn damals einigermaßen verwirrenden Fragen seiner Schüler hat der aus Marokko gebürtige Autor, Mathematikprofessor von Beruf, mit seinem Standardwerk umfassend geantwortet.In der konzentrierten Darstellung der Geschichte des Zahlenbewußtseins, der Rechen verfahren, der Ziffern, Zahlen, Zeichen, der Ziffernsysteme und der Zahlschrift wirkt scheinbar Selbstverständliches plötzlich faszinierend, etwa das Dezimalsystem, das sich jenem auf der Zahl Zwölf
Ein blutrünstiger Tyrann und Bösewicht - so beschrieb der Dichter der Steirischen Reimchronik Premysl Otakar von Böhmen (um 1230 bis 1278), und dieses abwertende Urteil wurde lange Zeit für gültig erachtet. Jörg K. Hoensch versucht nun in einer umfassenden und wissenschaftlichen Biographie, das von literarischen Fehldeutungen entstellte Bild des Herrschers zu revidieren. Das Ergebnis ist lesenswert.Der zu Lebzeiten von Chronikschreibern und Annalisten als „rex magnificus“, „potentissi-mus“ und „aureus“ bewunderte Monarch habe eindrucksvolle Führungsqualitäten besessen, sei
Geschieht Geschichte oder wird sie (von großen Persönlichkeiten) „gemacht“? Die bisherigen Antworten der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft der DDR fielen meist sehr einseitig aus.Günter Vogler bekundet nun in der Einleitung der von ihm herausgegebenen Aufsatzsammlung eine gestiegene Bereitschaft zur Berücksichtigung subjektiver, individueller Faktoren in der Historie. Das Grundthema der Beiträge stellt die Beziehung zwischen Herrscher, Politik und Gesellschaft dar. Neben vorwiegend marxistischen Historikern sind vereinzelt auch nicht-marxistische vertreten, so etwa
„Manchen Schriftstellern genügt die Wirklichkeit noch nicht, sie erfinden sich eine neue, wobei sie mir vorkommen wie Leute, die sich neben dem Ozean noch einen Schwimmingpool (sie) bauen!“ Joachim Seyppel jedenfalls findet mit der faszinierenden, vielfältigen Wirklichkeit des Balkan sein Auslangen, eine Wirklichkeit, die keine Grenzen kennt: Balkan ist überall. Die Geschichte des Hofrats Konstantin Hämus, der sich in dem Provinznest Xanthi niederläßt, um antike Mythen zu suchen und an einem Beitrag zur „Theorie des Romans“ zu arbeiten, wird allerdings mit vielen
Mit einem Feuerwerk von dem, worüber nicht nur Philosophen im deutschen Sprachraum meist sei' ten verfügen, nämlich „esprit“, unterhielt Peter Sloterdijk die Zuhörer seines Vortrages „Zur Zukunft städtischer Kulturen“ bestens. Sloterdijk, prominentester Referent des Kulturprogrammes „Kaos Stadt?“, wußte blendend zu formulieren, streute witzige Bon~ mots ein, provozierte Lachstürme mit verbalen Ausritten auf Wien und den Autofetischismus des modernen Städters.Mit Gedanken an Voltaire und dem Gefühl, keine feste Nahrung bekommen zu haben, verließ der Rezensent das Rathaws:
„Aus dem Kopf schlagen muß man sich alle Vergnügungen, verzichten auf Liebhabereien; Spiel und Scherz, festliche Tafeln und beinahe auch der Umgang mit Freunden müssen zurücktreten“, formuliert der junge Anwalt Cicero seine Maxime, gewillt, in der römischen Republik Karriere zu machen.Eine neue Biographie über den antiken Staatsmann hält der Altphilologe Manfred Fuhrmann aus zwei Gründen für notwendig: Einmal möchte er den Aufstieg und den Niedergang des begabten „Homo novus“ auch jenen nahebringen, denen Sprache, Geschichte und Kultur der Antike fremd sind -und tatsächlich
Wer sich die Mühe macht zu suchen, kann nicht nur neue Bücher über alte, sondern auch neue Bücher über neue Themen schreiben. Nitschke, Direktor der Abteilung für Historische Verhaltensforschung in Stuttgart, untersuchte, welche Aspekte der Wirklichkeit die Menschen einer bestimmten Epoche wahrgenommen haben.Die Art des Wirkens, die Menschen erfahren, wenn sie handelnd in Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt und Umgebung treten, sei von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden. Die Griechen der klassischen Zeit etwa hätten eine tragende oder verbindende Kraft gespürt, die Menschen der
Ein Buch über das, was hochnäsige Europäer Amerikanern gerne absprechen, scheint gewagt zu sein. Raeithel nimmt die Klippe, indem er Kultur als all das definiert, „was der menschliche Geist im Laufe seiner Entwicklung erdacht und erschaffen hat“. Die nordamerikanische Kulturgeschichte seit 1930 umfaßt deshalb ein sehr weites Spektrum, behandelt Literatur, Malerei, Fotographie, Film, Fernsehen, Architektur, Ballett.Rock- und Popmusik, die Bürgerrechtsbewegung, Women's Liberation, den Kennedy-Mythos und den Vietnamkrieg.In der informationsreichen, genau recherchierten Monographie, die
Die spanische Trilogie im „Siglo d' Oro“, dem Goldenen Jahrhundert, bilden Isabella von Kastilien (1451 bis 1504), ihre Tochter Johanna (1479 bis 1555) und Teresa von Avila (1515 bis 1582). Nicht zuletzt Isabellas überragender Persönlichkeit ist die politische Einigung und der Aufstieg Spaniens zur katholischen Weltmacht zu verdanken, ein Ereignis, dessen einzelne Stationen mit dem „ Annus mirabilis“ 1492 als Höhepunkt der Autor lebendig werden läßt.Im zweiten Buch versucht Eberhard Horst eine Ehrenrettung jener Juana, die unter dem Beinamen „die Wahnsinnige“ in die
Schon im 15. Jahrhundert hatte man mit Bischofsernennungen seine liebe Not. Ein Kanoniker in Braunschweig verspricht, man werde einen Dekan wählen, der es der Stadt „schon ordentlich besorgen werde“.Diese und andere Details fördert der Autor in der breit angelegten Untersuchung zutage, die aus den verschiedenen größeren Auseinandersetzungen den „BrajAfc-schweiger Papenkrich“ (1413 bis 1424), den „Lüneburger Prälatenkrieg“ (1446 bis 1471), den „Osnabrücker Wahltumult“ (1424 bis 1425) und die „Rostocker Domfehde“ (1483 bis 1491) herausgreift. Der erste Teil der Arbeit
Der Verlag hat die bereits 1957 verfaßten „Essays über christliche und buddhistische Mystik“ desZen-Forschers in der Reihe „Weltperspektiven“ herausgegeben. Gesprächspartner auf christlicher Seite ist für Suzuki fast ausschließlich Meister Eckhart, dessen Predigten mit den Aussagen östlicher Mystiker verglichen werden Eine Auswahl aus Briefen und Sprüchen zweier Lehrer des Shin-Buddhis-mus vermitteln dem deutschsprachigen Leser erstmals einen Zugang zur Shin-Schule.Als Ergebnis der Teiluntersuchungen hält Suzuki fest, daß sich die christlichen religiösen Erfahrungen im Grunde
„Es ist eine neue Zeit, die hier spricht“, gerät ein Kunsthistoriker bei der Beschreibung einer Miniatur des Evangelistars aus der Kölner Kirche Groß Sankt Martin ins Schwärmen. Erstmals werden alle Miniaturen dieser Handschrift aus der ehemaligen Benediktinerabtei vergrößert und in brillanten Farbdrucken veröffentlicht.Vermutlich zwischen 1227 und 1235 entstanden, wurde der Codex noch im 18. Jahrhundert für die Liturgie benutzt, ehe er über Paris nach Brüssel in die Bibliotheque Royale gelangte. Im ersten Teil der Monographie behandelt der Autor das historische Umfeld, würdigt
„Der verdammte Feind des Menschengeschlechts betört die Menschen und richtet sie durch unzählige Mittel zugrunde“, weiß Jurij Krizanic in seiner „Politica“ (1666) über die Deutschen zu berichten, die mit den protestantischen „Ketzern“ identifiziert wurden.Das Urteil des katholischen Sla-wophilen stellt ein Extrembeispiel dafür dar, welche Vorstellungen, Voreingenommenheiten und Vorurteile Russen in bezug auf die Deutschen gehegt haben. Die Tatsache, daß man mit dem Begriff „Nemci“ nicht nur die „Germani“, sondern Ausländer aus Westeuropa schlechthin bezeichnete,
Bis heute sind gute Sachbücher eine Seltenheit gebheben, und auch der Mathematiker und Physiker Herbert Meschkowski weiß, daß es vielen Wissenschaftlern leichter fällt, „in ihrem Spezialgebiet einen Beitrag zur Forschung zu leisten, als übergreifende Zusammenhänge verständlich und ohne Definitionslücken darzustellen“.Der übergreifende Zusammenhang, um den es dem Autor geht, betrifft die Frage, warum Berlin -trotz verlorenem Weltkrieg - auch noch in den zwanziger Jahren ein Zentrum der internationalen Forschung auf den Gebieten der Physik, Chemie, Astronomie und Mathematik gewesen
„Für uns ist der mittelalterliche Mensch ein Exot“: Mit diesem Satz bringt Le Goff in seiner Einführung die Schwierigkeiten zum Ausdruck, mit denen die rekonstruierende Historie bei ihrem Versuchkonfrontiert ist, zum Menschen des Mittelalters vorzustoßen.Die Sammlung bietet zehn Profile von zeitgenössischen Mediävisten, vorwiegend aus Frankreich und Italien. Dem Schema der drei Ordnungen, demzufolge die Gesellschaft aus „oratores“, „bellatores“ und „laborators“ besteht, folgen die ersten drei Profile über die Mönche, die Krieger und Ritter und die Bauern. Die neuen,
Handelt es sich bei dem Begriff einer „katholischen Aufklärung“ um eine Contradictio in adj ecto? Der Herausgeber Zdzislaw Libera wählte Texte aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und dem Beginn dei 19. aus, die die Vielfalt imd Vielschichtigkeit der Themen, Uterarischen Formen und Motive dokumentieren.Beispiele aus der Dichtung, der Prosa, dem Theater, der Literaturkritik und der poUtischen Publizistik sowie der MemoirenUteratur bringen festgefahrene Klischees über „die Aufklärung“ zum Wanken. Denn sie ist in Polen nicht kosmopoUtisch, sondem national, wie etwa die
JEine Heirat hat selten auf einen Mann günstigenEinfluß. Mich aber hat die meiiüge gerettet“, urteilt der Sprachforscher imd Staatsmaim Wilhelm von Humboldt nach achtzehn Ehejahren mit Caroline (1766 bis 1829). Der Autor stützt die Biographie hauptsächlich auf den etwa dreitausend Seiten umfassenden Briefwechsel zwischen den Ehepartnern, der zwar keine Sezisationen bietet, aber doch EinbUcke in die Blütezeit der Klassik und Romantik.Caroline von Humboldt pflegte während ihrer ausgedehnten Reisen in ganz Europa intensive Kontakte mit den kulturellen und pohtischen Größen der Zeit,
War Thomas Müntzer (um 1490- 1525) ein Sozialrevolutionär, der für den „gemeinen Mann“ um eine bessere gesellschaftliche Zukunft mit dem Schwert kämpfte, oder war er der mystische Theologe und Apoka- lyptiker, der sich berufen fühlte, das Reich Gottes auf Erden zu errichten? DiemeistenBiographenbe- antworteten diese Kernfrage entweder so, daß sie - wie die Marxisten - nur den Sozialrevolutionär sehen wollten, oder so, daß sie unter Vernachlässigung der gesellschaftlichen Spannungen, sozialen Auseinandersetzungen und Krisenerscheinungen allein die theologischen Gedanken des