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Realer Sozialismus

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„ Ich hatte im Grunde keine Angst, weil ich gläubig bin", berichtet He- lene Golnipa von den Verhören in Stalins Gulag-Hölle, wo nachts Rat- ten über die Gefangenen herfallen, die „wie die Fliegen" sterben.

Helene Golnipa steht als Pseudo- nym für die in Znaim geborene Ärztin Angelina Rohr (1890 bis 1985), die 1925 mit ihrem Mann, auch Arzt, in die Sowjetunion aus- wandert, „aus Protest gegen mein konservativ-monarchistisches El- ternhaus" und mit dem Lebensziel, der an der sibirischen Beulenpest leidenden Bevölkerung zu helfen.

Nach dem Überfall der Deutschen auf die UdSSR im Juni 1941 wird Frau Doktor Rohr verhaftet und für sechzehn Jahre interniert, ohne den Grund für ihre Gefangenschaft zu erfahren. Ihr Ehemann kommt im Lager um; sie aber nimmt einen aussichtslos scheinenden Kampf gegen eine unvorstellbare Welt der Unmenschlichkeit, Grausamkeit und Zerstörung des Menschen auf. Als sie gegen Ende ihrer „Anhal- tung" immerhin als Ärztin arbeiten darf, bleibt oft nichts zu tun, als den Mithäftlingen „beim Sterben zuzusehen" - es fehlt an Verpfle- gung und Medikamenten.

Die erschütternde Wirkung der Aufzeichnungen wird durch den sachlichen, eher kühl-distanzierten Stil noch erhöht. In dankbarer Wei- se hat ein Verlag in Mattersburg ermöglicht, daß der letzte Wunsch der Angelina Rohr erfüllt werde: „Viele meiner Landsleute sollen von meinem Leben erfahren, dann hat es einen zusätzlichen Sinn gehabt".

IM ANGESICHT DER TODESENGEL STA- LINS. Von Helene Golnipa. Herausgegeben von Isabella Ackerl. Edition Tau, Mattersburg 1989. 336Seiten, öS 298,-.

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