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Ohne Fleiß kein Preuß

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Einmal ganz abgesehen davon, zu welch gewagten Wortkonstruktionen die vereinigte österreichische Sportjournalistik greifen mußte, um die spielerischen Qualitäten unserer Fußball-Nationalmannschaft zu beschreiben („Flachniveau”, „prähistorischer Kick”, „kampfähnliches Getue” u.a.m.):

Ich verstehe die allgemeine Empörung über das etwas müde Spiel der elf Österreicher unter der heißen Sonne Spaniens nicht ganz.

Verstehen kann ich auch nicht, daß die mangelhafte Leistungsbereitschaft der rotweißroten Kicker gar als „nationale Schande” qualifiziert wird.

Und zu guter Letzt rät man den heimischen Fußballfunktionären auch noch, als eine Art Erziehungsmittel den faulen Balltre-tern die vor der Weltmeisterschaft ausgehandelten Gagen und Aufstiegsprämien erst gar nicht auszuzahlen.

Denn: Wo kein Fleiß, da kein Preis. Leistungsbereitschaft verspricht Erfolg, Faulheit nicht. Ehrgeiz gilt als rühmlich, Müßiggang als niedrig — im Fußball wie im Alltag.

Nur: Der Volksaufstand ob der matten Vorstellung „hochbezahlter Spitzenfußballer” geht schon deshalb in die Leere, als da keine Steuergelder im Spiel sind. Das Geld an den Stadionkassen abzuliefern, dazu wird ja nun auch niemand gezwungen.

Die Fußballer kassieren die Gagen, die ihnen von den Vereinen oder vom ÖFB angetragen werden. Stehlen tut keiner.

Andererseits: Warum gönnen wir den heimischen Ballesterern nicht auch das, was in der österreichischen Gesellschaft sonst als wenig anstößig gilt, nämlich mit geringstmöglichem Einsatz ein Maximum an Erfolg zu erzielen?

Das ist schließlich und endlich die Maxime einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Sollen Profi-Sportler, deren Betriebskapital ihr Körper und ihr Talent ist, nicht dürfen, was jedem Unternehmer zugestanden wird?

Wenn unsere Balltreter in langen Gesprächen am Swimmingpool und an der Hotelbar also stillschweigend übereingekommen sind, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben und nicht nach den Sternen greifen zu wollen — es ist ganz allein ihre Angelegenheit.

Von wegen „nationaler Ehre” und „Kampf bis zum Umfallen”: Wenn wir der Welt erst auf dem Fußballrasen unsere nationalen Tugenden vorführen müssen, dann steht es um dieses Land ohnehin nicht zum besten.

Apropos Tugenden. Blicken wir Österreicher nicht stets mit einem mitleidvollen, selten aber bewundernden Lächeln auf die Bundesdeutschen, die mit preußischer Akribie und tierischem Ernst ihre Ziele nicht nur im Sport verfolgen?

Bei uns geht es da viel gemütlicher zu, improvisierter, weniger ernst. Auf das „Durchwursteln” selbst in noch so mißlichen Lebenslagen sind wir doch alle stolz.

Wenn nun die österreichischen Fußballer ihre österreichische Seele, ihr Gemüt beim Fußballspiel zeigen, dann gefällt mir diese Art von „Charakterstärke”.

Obwohl ichjnich mit der Nationalmannschaft über den Weltmeistertitel gefreut hätte. Aber die Fußballer zu Botschaftern hochzustilisieren und im Falle ihres sportlichen Versagens zu Deserteuren zu degradieren, dagegen hab* ich was.

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