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Das Ärgernis des Fußballsports

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Den sehr geehrten Lesern der „Furche“ bin ich zuerst eine Erklärung schuldig. Das Folgende wurde nicht geschrieben, weil eine Zeitung in der Sauregurkenzeit manchmal auf abseitige Themen ausweichen muß oder weil unsereinem bei dieser Hitze nichts Gescheiteres einfällt. Die Konzession an das in mehrfacher Hinsicht nicht eben wohltemperierte Klima dieser Tage besteht darin, daß das Thema, um das es letzten Endes geht, nicht mit einer hochgestochenen Theoretik angegangen werden soll; oder in Form einer dürren Konstruktion, die sich auf umfangreiches Zahlenmaterial stützt.

Vergessen Sie, bitte, daß der Verfasser einmal österreichischer Sportminister gewesen ist, Präsident des österreichischen Olympischen Comitės und des Organisationskomitees für die Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck. Der Verfasser stellt sich dort hin, woher er kommt: Zu den Fußballtigern!

Es ist dies eine im Aussterben begriffene Spezies. Frühere Bräute und nunmehrige Ehefrauen, denen es einmal zustieß, mit einem FußbalU- tiiger gehen zu müssen, werden ihr keine Träne nachweinen; auch nicht Schiedsrichter, die bei Schlechtwetter an kleine Verletzungen und an legendäre Großschlachten dieses Sports erinnert werden; und schon gar nicht Fachleute für eine moderne Leibeserziehung oder Sportsmen. Sportsmen sind lauti dem Wörterbuch englischer und amerikanischer Ausdrücke in der deutschen Sprache Menschen, die eine Gesinnung und Haltung haben, die für den fairen sportlichen Wettkampf typisch ist: ein den Regeln gerechtes Verhalten, Anerkennung der Leistung des Gegners und — beherrschtes Verhalten nach Sieg oder Niederlage.

Die Kenntnis der Regeln und die Anerkennung der Leistung will der Fußballtiger nicht abstreiten. Der schwache Punkt ist: das beherrschte Verhalten. Daß Fußballtiger Fanatiker sein müssen: das bestreite ich. Aber sie haben eben die Schwächen des Lokalpatrioten. Es wäre undenkbar gewesen, daß ein Favoritner von Anno dazumal nicht den blauweißen Farben der Hertha zugeschworen hätte oder nicht mit Entrüstung jenem niederträchtigen Gerücht entgegengetreten wäre, wonach der Niveauunterschied im Gefälle des alten Rudolfshügel-Platzes von Tor zu Tor einen Meter und dreiundsechzig Zentimeter ausgemacht haben soll. Wer in Jedlesee zu Hause war, für den gab ea nur einen Verein: die Admira, wenn er nicht in noch weiter zurückliegenden Tagen Anhänger jenes Floridsdorfer Athletic Clubs geworden war, der durchaus imstande war, dem SC Rapid Meisterehren streitig zu machen. FußbaM- tiiger sind trauernde Hinterbliebene jener heute verschollenen Vereine, die einmal zur Elite des europäischen Fußballsports gehörten: Des WAC, von dem das, was blieb, fast noch mehr Trauer erweckt als der Untergang dieses großartigen Allround- klubs, ohne den die Geschichte der Leichtathletik nicht denkbar ist; des WAF, dessen Erfolge dafür zeugten, daß Hütteldorf nicht nur Domäne einer einzigen Großmacht im Fußballsport war, Meister und Oupsie- ger, Stamm der Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1912; von den Cricketern, vom BAC in der Brigittenau und der Hakoah des Bėla Gutmann gar nicht zu reden.

Jetzt ist der Verfasser nicht daran, ein tränenfeuchtes Taschentuch auszuwinden. Er vergleicht sehr nüchtern diese Verlustliste mit der Tabelle der berühmten Ersten Division der englischen Fußballmeisterschaft. Und er stellt fest, daß dort, im Gegensatz zu Österreich, noch immer die Namen jener Kluibs vorherrschen, die schon vor 40 und 80 Jahren um Meisterschaft und Cup kämpften. Der diesbezügliche Vergleich mit österreichischen Verhältnissen ist schmerzhaft, weil hierzulande Substanz- und Qualitätsverlust ersatzlos eingetreten ist. Nichts gegen die Tasache, daß in den letzten Jahrzehnten die in den Bundesländern aufgekommenen Spitzenvereine der Nationalliga eine ausgezeichnete Entwicklung genommen haben und da und dort Verluste, die in der höchsten Breitenentwicklung eintraten, mehr als wettmachen. Nur so konnte ein durchschnittlich gutes Niveau einigermaßen stabilisiert werden. Das aber ersetzt nicht die Tatsache, daß die Weltklasse der Wiener Schule nicht mehr existiert. Und aus einer Handvoll Könner aus zuwenig Spitzenvereinen könnte auch ein Hugo Meisü nur ein 1 b-Wunderteam rekrutieren.

Ja, der Nachwuchs bleibt halt aus, seufzen die Fußballtiger. Zugegeben, der Nachwuchs hat es nicht nur leichter in unserem Zeitalter, in dem angeblich „die soziale Bedeutung des Sports voll erkannt wird“, er hat es auch zuweilen schwerer. Das Exerzierfeld der Wiener Schmelz, auf dem sich die Leiter der Jugendsektionen von einem Dutzend Vereinen mühelos ihre talentierten Rürscherin auf- gafoelten, ist verbaut; längst gibt es nicht mehr in Favoriten jene riesigen Baulücken, auf denen jährlich gleich einige Schüler- und Jung- mannschaften nachwuchsen; von den transdanubischen Gefilden, über denen sich zum Beispiel heute der FAC-Hof erhebt, von denen oben auf der Hohen Warte und unten im Prater, von dem betonharten, gras losen alten Wacker-Platz in Meidling und von Gründen in Hemais und Simmering zu schweigen. Und: Es ist auch jener harte Vollgu’mmiball mit etwa acht Zentimeter im Durchmesser aus dem Handel verschwunden. Der Ball, mit dem zwei Buben, Mann gegen Mann, auf kurze Distanz ihre Köpfelmatches austrugen; mit dem sie, am besten bloßfüßig, jene Ballbehandlung erlernten, die dann die Großen in höchster Vollendung vorführten; mit dem man. ein heute längst vergessenes Spiel auf der Gassn spielte, unter Buben „Kö- schern“ genannt, was so viel heißt wie: hohe Schule des Dribblings. Das Ganze ist verschollen und das Wort „Köschern“ findet man nicht einmal im Duden, Wörterbuch der österreichischen Besonderheiten.

Sportlehrer und Leibeserzieher werden mit Recht einwenden: Das brauchen wir heute nicht mehr. Der Ertrag solcher Anfängerversuche ist problematisch. Gewiß: Die Gassn war kein idealer Spielplatz und kein Sportplatz. Aber auf der Gassn und in der Gassn wuchs das, was zum

Mamnschaftssport, zum Kampfsport gehört: Spielfreude, ein herzhafter Kampfstil und — die Solidarität, das Fundament des Mannschaftsgeistes. Letzterer ist aber heute, da die Spieler am Schluß einer Meisterschaftssaison zuweilen zuamimenge- schmissen und nachher neu auf die Klubs ausgegeben werden, so wie man ein Tarockspiel gibt, ein wenig Mangelware. Die Fußballtiger, jetzt muß ich besonders um Entschuldigung bitten, haben jeder „ihre Mannschaft“, so wie — Achtung jetzt kommt es: jeder Burgtheaterliebhaber „sein“ Burgtheater hat. Nicht das Burgtheater, sondern jenes, das sich mit der Erinnerung unvergessener Namen verbindet. Hier ist von der Anhänglichkeit die Rede, ohne die nichts gedeihen kann, was Dauer haben soll; was Höhepunkte und Zeiten des Verfalls überlebt; was „unter die Haut“ geht.

Aber das leidige Geld

In einer Zeit, im der überall der Rechenstift der Weisheit letzter Schluß ist, genießt der Sport und also der Fußballsport keine Ausnahmevergünstigung. Sinkende Qualität = sinkende Nachfrage; sinkende Nachfrage = Produktionsschwierigkeiten; Pruduktionsschwierigkeiten = sinkende Qualität usw. usw. Schon dreht sich dieses fatale Perpetuum mobile auch im österreichischen Fußballsport. Nur mit Neid können die Manager österreichischer Vereine den Fernsehübertnagungen großer Spiele aus gewissen Auslandstaaten beiwohnen: aus Holland (= „Jausengegner“ österreichischer Mannschaften der zwanziger Jahre), aus England, aus Deutschland; von Lateinamerika nicht zu reden. Dort füllen Massen die Stadien, für die zum Beispiel das Wiener Stadion zuwenig Plätze bieten würde. So aber ist das Wiener Stadion die in der großen Zeit des österreichischen Fußballsports zuweilen fehlende Großanlage geworden, deren Ränge man längst nicht mehr zur Gänze braucht; weil fast in jedem Fall einer der wenigen und veralteten Spielplätze, die den Vereinen blieben, ausreicht.

Die Frage ist gestellt: Warum bleiben die Ränge des Wiener Stadions mehr und mehr leer, während Fußballer aus Österreich und Fußbail- brainer aus Österreich diurchaus imstande sind, in anderen Ländern mit dazu beizutragen, daß dort die Stadien zuweilen überfüllt sind? Unsereins kann nicht widerstehen, vom Fleck weg eine Antwort zu riskieren- Die Krise des österreichischen Fußballsports kam nicht daher, weil etwa der qualitativ gute und entwicklungsfähige Nachwuchs im Land ausbleibt; oder etwa österreichische Trainer fehlen, die Manns genug sind, eine Mannschaft auf das Niveau der Weltklasse zu führen; oder etwa die Tschechen und Jugoslawen, die sich um unsere Mannschaften bemühen, nicht Klasse wären. Denn: Es ist’ nicht einzusehen, warum Fußballspieler und — Trainer aus Österreich, die oft ein herzliches Heimweh nach Österreich haben, im Ausland Weltklasse erreichen, hierzulande nichit in der Lage sein sollten, über der verbrannten Erde unserer Fußballplätze wieder einen hochstehenden Leistungssport zu produzieren.

Unsereinem liegt es fern, Pauschalurteile, vor allem Pauschalverurteilungen auszusprechen. Aber lüften wir einmal das offene Geheimnis vieler Mißerfolge. Der Fußballtiger ist, wie gesagt, noch nicht ganz aus- gestorben; so sehr sich unsereins freut, ein Original dieser Type bei einem Spiel im Zuschauerraum zu Gesicht zu bekommen, so wenig erfreulich ist zuweilen die Existenz solcher Typen im Vorstand oder im Management eines Vereins. Es gilbt nämlich Fußballtiger, die auch egoistische Vereinsmaier sind, Ursache jener nicht abreißenden Auseinandersetzungen in den Vereinen, jenes ständigen Wechsels in den verantwortlichem Positionen. Einige von ihnen haben viel beigetragen zu jener Desorientierung, die mit Ursache der mangelnden Effizienz ist. Kein Verein, vor allem auch nicht der alte und traditionsreiche Verein, ist vor solchen Erscheinungen ganz gefeit.

Management und keine Manager

Es gehört zu der in Österreich allgemein verbreiteten Malaise, dann, wenn vom Management die Rede ist, von üblen Managertypen zu reden und die weniger herzerfreuenden Seiten des modernen Managements mit Zeiten zu vergleichen, in denen zum Beispiel der SC Rapid von Dionys Schönecker geleitet wurde. Wenn einer unserer großen Internationalen die Fähigkeit zum Management eines modernem Großklubs jenen Vereinsfunktionären abspricht, die nie im Leben ein Paar Fußball- ächuhe äft’dehBeinen hätten, um damit einen Schuß aufs Tor abzugeben, dann ist dieses Argument auf Grumd von Erfahrungen auch im umgekehrter Richtung wirksam: Nur zu sehr ist bekannt, daß sich Stars des grünen Rasens in vielen Fällen nicht zu gleich großartigen Trainerpersönlichkeiten entwickeln; daß mancher die ser Stars, der auf dem grünen Rasen fast nie umfiel, als Trainer umgefallen ist. Ein Trainer muß etwas von der Persönlichkeit eines Lehrers und Erziehers an sich haben; und Lehrerpersönlichkeiten kann man nicht aus der flachen Hand wachsen lassen; nicht einmal in Lehrerakademien. Um so wertvoller müßten uns Trainerpersönlichkeiten aus Österreich sein; wert-voll, das heißt: real bewertbar in ihrer Leistung und Entlohnung. Der öffentlichen Hand ist zu danken, wenn sie Sport- und Spielplätze schafft oder erhält; es ist ihr zuzumiuten, daß sie mit ihrem Mitteln und Möglichkeiten das Problem der Sportlehrer und Trainer löst; das kann sie ohne Verletzung des Amiateurprinäzips tum.

Aber hier ist vor allem vom Menschen die Rede, nicht von Formen der Organisation und des Managements. Es gibt da einen wunden Punkt: Denkbar ist, daß ein tüchtiger und erfolgreicher Manager aus der Wirtschaftsbranche X ausstėigt und in die Wirtschaftsbranche Y um- fteigt, um dort sein» Erfolgsserie fortzusetzen. Das aber heißt nicht, daß ein im Wirtschaftsleben erfolgreicher Manager oder was immer er war, wegen der dort gewonnenen Erfahrungen und Erfolge im Sport ein Segen wird. So wenig ein im allgemeinen bewährter Direktor und Manager ohne weiteres an der Spitze eines Zirkus oder eines Showgeschäftes Erfolg in jedem Fall bekommt; so wenig ist Gewähr gegeben, daß ein qualifizierter Geschäftsmann die in seinem Betrieb erzielten Erfolge im Büro eines modernen Profifußballers fortsetzen muß.

So wenig Profisport, von dem hier und konkret die Rede ist, etwas für die Freizeit ist; so wenig die Tätigkeit eines Profitrainers die Fortsetzung einer Sportlaufbahn in der Freizeit ist; so wenig ist das Management eines Profifußballvereins von heute eine interessante Freizeitbeschäftigung für einen noch nicht von der Managerkrankheit befallenen Wirtschaftsmanager. Wer letzteres Amt dennoch übernimmt, muß sich nicht darüber im klaren sein, daß er vielleicht eigene Ehre und Reputation verliert; wahrscheinlich aber dem Sport Abbruch tut, wenn er hierin seine Fähigkeiten überschätzt.

Um nach dem Vergleich mit dem Zirkus nicht verkehrten Folgerungen zum Opfer zu fallen: Nur ein guter Sportsmann wird auf die Dauer ein guter Professional im Sport sein. Nicht Zuckerbrot und Peitsche, sondern gute Sportsmanship machen auf die Dauer einen guten Berufstrainer aus; gute körperliche Voraussetzungen und zeitweilige gute Kondition ohne die Qualität eines Sportsman bedeuten auf die Dauer: unverläßlicher und daher schlechter Professional. Unsereins sitzt in Österreich im Glashaus des Sports, und es schickt sich nicht, faustgroße Steine auf die Akteure des jetzigen sogenannten Fußballskandals in der Bundesrepublik Deutschland zu schmeißen. Unsere Sportfreunde jenseits des Inn werden uns aber nicht böse sein, wenn unsereins meint: Dem dortigen Fußballsport mußte die fällige Selbstreinigung vorläufig mißlingen, weil einige Beteiligte, also: Funktionäre, Trainer und Spieler, zuweilen einen unausstehlichen Geruch ausstrahlten. Das heißt: in diesem Fall stank das Geld.

Ohne Moral geht es nicht

Hier soll nicht zum Schluß Moralin verspritzt werden. Nach Anamnese und versuchsweiser Teil-Diagnose der Krankheit (in diesem Fall des Fußballsports) sei eine Therapie in

Umrissen zur Diskussion gestellt: Wahrscheinlich ist die Behauptung zulässig, daß die Situation des Athletiksports in Österreich die Erwartung zuläßt, wonach auch auf dem Gebiet des Fußballsports der Zustand und die Kapazität des Breitensports auf intakte Einzugsgebiete für einen hochqualifizierten Spitzensport schließen läßt, trotz erhöhter anziehender Wirkungen anderer Sportarten, wie zum Beispiel des Motorsports. Zweitens: Daß der Typ und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Sportlehrers in vielen Teilen der Welt gefragt ist und es daher kein Fehler ist, ein gewisses Vertrauen auf Fußballtrainer aus Österreich zu setzen (was kein Ausschließungsgrund für Trainer aus anderen Ländern sein darf).

In neuerer Zeit scheitern unverhältnismäßig viele qualifizierte und leistungsfähige Trainer leider nicht nur angesichts der ihnen gestellten sportlichen Aufgaben oder der Verfassung der Aktiven, die „nicht mehr das sind, was wir einmal waren“;

sondern an gewissen Zuständen in den Kabinen, vor allem: an Zuständen in den Vorständen der Vereine. Es gibt da eine lange Story. Ohne zu pauschalieren seien aber ernstlich angeklagt: Großfunktionäre, gleichgültig welcher Herkunft, die ihrer Prestigesucht zum Opfer fallen; andere Typen, denen es an Zivilcourage fehlt und die dann, wenn eine Erfolgsserie abläuft, nach dem Sündenbock suchen, den sie nach Alarm in den public relations in die Wüste schicken; und Typen, die eben von Praktiken, die um 1930 und 1950 erfolgreich waren, nicht loskommen können, weil sie es nicht zuwegebringen, umzudenken.

Mag man jetzt neben Sporttrainern und -ärzten auch Psychologen, ja Psychiater in die Trainingszentren, Kabinen und an die Startlinien schicken. Wer im Umgang mit der Wissenschaft alt geworden ist, kennt auch die Chancen und Risken, vor allem die Grenzen dieser „Verwissenschaftlichung“ des Sports. Auch im Sport machen es Verstand und Wissen, ohne die es nicht geht, allein nicht; es kommt auf die Gefühlsstärke ebenso an und auf echte Empflndungskraft; auf das Ursprüngliche, ja auf das Instinktive. Unsereins erinnert sich an ein Gespräch mit einem der ganz Großen der Springturniere; nach Ursachen seiner Erfolge gefragt, sagte er: „Man muß zuerst das Herz über die Hürde werfen, dann kommt das Pferd mitsamt dem Reiter schon nach.“ Natürlich: Das Pferd muß gut sein und auch der Reiter. Aber das ganze ist eine herzhafte Angelegenheit. Das war es, was unsereinein, man verzeihe es dem Alter, einmal für den Fußballsport begeisterte.

Ein Modell zur Diskussion .

Im Anschluß daran gleich eine nüchterne Feststellung. Es ist o. k., wenn ein gutes Wirtschaftsunternehmen seinen wertvolle“. Good Will mit dem Good Will eines Profifußballvereines verbindet. Dieser Vorgang, wirtschaftlich einwandfrei ge-

plant, ausgeführt und transparent gemacht, ist nach gewissen Erfahrungen weitaus sympathischer als Geschäfte mit dem Sport, die man, wie man in Wien sagt, unter der Bu-del, geheim, unterm Ladentisch, abmacht. Ein solches Experiment würde in vieler Hinsicht wertvoller, wenn die Vereine des Profifußbalis nicht starr bei der Organisationsform nach dem Vereinsgesetz blieben, sondern auf die im Wirtschaftsrecht entwik-kelten Formen übergingen. Hier wird nicht eine ungebührliche Vermischung von Sport mit Erwerbs- und Wirtschaftsunternehmungen vorgeschlagen, sondern: ordentliche Wirtschaftsgebarung, wo es sich um die materiellen Vorausestzungen des Spitzen-, hier des Profl-Sports, handelt; ordentlicher Sport, wo es um die sportliche Leistung geht, als Maßstab.

Vereine, mit zahlenmäßig starken Anhängerorganisationen hätten vielleicht eine Chance, eine beträchtliche Zahl von Kleinaktionären zu gewinnen. Das Wirtschaftsunternehmen, Mäzen oder Sponsor, könnte seine Kontrollfunktion, ohne unbedingt Teilhaber zu sein, in angemessener Form und im Interesse seiner ursprünglichen Aufgabe ausüben; Vorstand, Vollversammlung und Direktor oder Generaldirektor der neuen Organisationsform würden von den Putschversuchen der ewig Unruhigen und Unzufriedenen unabhängig, ohne der strengen Verantwortlichkeit entzogen zu sein. Dazu werden Fachleute zu hören sein, jene, die in der Entwicklung solcher moderner Organisationsformen Kenntnis und Erfahrung besitzen.

Mit weiten Sprüngen wurde hier der Weg von den Ursprüngen des Fußballsports in den „enteren Grund“ bis auf den Boden der jetzigen Verhältnisse zurückgelegt. Wer meint, hier sei auch von Demoralisierung im Sport die Rede gewesen, der vergesse nicht, daß hier nichts gegen das Geld gesagt wurde, das auch im Fußballkrieg dreimal notwendig ist; sondern von Geld, das im Sport so oft verfehlt ausgegeben wird, das nicht immer gut verwaltet wird und dessen „Behandlung“ ebensoviel Qualität und Moral voraussetzt, wie

die Ballbehandlung und die Behandlung des „Spielermaterials“. Der Sport, Phänomen ersten Ranges in der Massen- und Konsumgesellschaft, ist, wie auch die Geschichte der Olympischen Bewegung es sichtbar macht, an einem kritischen Wendepunkt angelangt. Die Krise macht ein vielschichtiges Problem sichtbar, für dessen Lösung es in keinem Fall ein Allheilmittel geben kann. Eines darf bei dem Prozeß zur Uberwindung der Krise nicht vergessen werden: nicht der Sport steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch. Im Falle des Sports muß er immer das sein, was die Engländer, Sportsmen der ernsten Stunde, verlangten: To be a good sportsman.

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