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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DES PUDELS KERN. Von Linz noch Wien kann man mit der Eisenbahn fahren. Das ist gut, billig — und bekömmlich, sofern keine Verwerfungen einfreten. So sorgt der Sfaaf für seine Bürger. Man kann aber auch, ganz privat, mif dem Aufo fahren, wie ein Fürst oder Facharbeiter. Das ist noch besser und bekömmlicher und noch gepolsterter. Aber es ist eben teurer. Es ist eine Art freiwillig gewählter Doppelbesteuerung des Fahrers: einmal für den Betrieb des Autos und zum anderen fürs Defizit der Bahn. Aber nicht der Sfaaf besteuert, sondern der Fahrer, der Luxusfahrer besteuert sich sozusagen aus freien Stücken doppelt, Ganz genau so ist es (so argumentiert ein „Diskussionsbeitrag' zur Schulfrage von Franz Fruhsforfer in der sozialistischen Monatsschrift „Die Zukunft', Heft 8—9 1957) mit der katholischen Privatschule. „Norm ist die Staafsschule, Ausnahme ist die Privafschule.” Der Staat zahlt nur die Bahnfahrt auf der Erde. Himmelfahrten mit dem Auto sind Luxus: wer ihn sich leistet, kann und soll brandeln. Uebri- gens, fährt der Debatteur fort, wir sind letzten Endes gar nicht so „Lieber die Größe der Subventionierung von Privafschulen würde sich wohl auch ein Modus finden lassen, der beiden Teilen gerecht wird." Das überrascht fürs erste, denn schließlich zahlt ja auch — um im Bilde zu bleiben — die Bahn dem Autofahrer keinen Zuschuß. Aber, so erfährt man ganz am Schlüsse, darum geht es ja gar nicht. Es geht nicht um Geschenke oder Entgegenkommen, sondern: „Es müßte auch aufhören, daß die Schule ein OeVP- Monopol bleibt. Privafschulen dürfen keine OeVP-Schulungsburgen sein. Die loyale Durchführung könnte dadurch gesichert werden, daß ein sozialistischer S f a a f s s e k r e t ä r dem Unterrichtsminisfer beigegeben wird. Nach einer solchen prinzipiellen Einigung könnte man an die Regelung der rein pädagogischen Probleme herangehen.' Das also ist des Pudels Kern. Wie weif können wir Sozialisten in der Schulfrage, enfgegenkommen? Weit. Sehr weif. Bis zum Benzinzuschuß für die Fahrt ins Paradies. Gerade nur: eine winzige Gegengabe, Ein bißchen Kontrolle am Minoritenplafz, ein harmloses Inspektorat, ein kleines, ganz kleines Sfaatssekretärchen. Klar? Klar! Ein glattes

Geschäft. Ein Angebot. Die Nachfrage dürfte gering sein.

DER „DEMOKROT . Mit der perfekten Diskretion, die dem derzeit größten deutschen Nachrichtenmagazin eigen ist, macht sich in einer der letzten Nummern das Blatt über den erkrankten österreichischen Bundeskanzler her. Nach dem Motto „recht geschieht ihm", werden dem Kanzler ob der Ursachen seiner Erkrankung so recht nach Philister-Lesers Herzenslust die Leviten gelesen, wenn freilich gewürzt mif trauten Anekdoten, die zeigen, daß es so gut wie keinen toten Winkel in der Politik gibt, der nicht vom besagten Nachrichfenblaft angespiegelt werden kann. Weil man selbst so demokratisch ist, nimmt man es dem Kanzler übel, weil er einmal gesagt haben soll: „Aus mir werd' ihr nie einen Demokraten mochen.” Ein solcher Ausspruch ist freilich einem Mann zuzutrauen, der, wie der österreichische Kanzler, seine Partei mit „Brummlauten und kurzen Befehlen regiert . Man muß sich nur wundern, daß man österreichische Brummlaute überhaupt übersetzen und für den deutschen Leser deuten kann. Und nun wurde, wie dem bundesdeutschen Leser moralisierend berichef wird, der Un-Demokrat (recte Demokrat) vom Schicksal getroffen. Nicht „unverdient". War doch der Kanzler am 30. August beim „trink- und speisefreudigen PropstT eines Stiftes, dessen Namen man mif einer sudetendeutschen Stadt verwechselt, obwohl es ganz anderswo gelegen ist, zu Gasf. Das nicht genug. Am 31. August nahm der Kanzler bei der Messe in Ried bei einem Milchstand, wie das schon so in Oesterreich üblich und auch im Rahmen der Schulmilchakfion praktiziert wird, ein Glas Milch mit einem „Sfanderl" Kognak zu sich. Und dies, obwohl im nächsten Absatz versichert wird, daß der Kanzler nicht alkoholfreudig isf. Und dann verharrte in der Moritat der Kanzler eine halbe Stunde „in sich zusammengesunken" am Milchstand. Wenn auch das Nachrichtenmagazin Oesterreich im allgemeinen und seinen Regierungschef im besonderen aus Beruf angeschossen hat: Angelegenheiten wie die Erkrankung eines politischen Gegners dürften doch nicht zum Gegenstand einer in diesem Falle perfiden Verhöhnung gemacht werden. Jedenfalls sollten sich die Herren vor Augen halten, daß der von ihnen mit so liebevoller Pietät weitergepflegfe Stil des „Stürmers" keineswegs auf eine „demokratische" Gesinnung schließen läßt.

DAS BEKENNTNIS DES ROTTMEISTERS CERNY.

Im Organ des gleichgeschaltefen tschechoslowakischen Jugendverbandes „M ladä frontą" („Junge Front") hat sich etwas Ungewohntes ereignet: eine religiöse Diskussion. Vor einiger Zeit schrieb ein gewisser Peter Lippert aus Sokolov (dem deufschböhmischen Falkenau) einen Brief an die Redaktion, in dem er prinzipiell die Religion verteidigte. Es war das seif Bestehen der Tschechoslowakei die erste Aeuße- rung dieser Art in einem ex officio religionsfeindlichen Blaffe. Nach der Veröffentlichung

dieses Briefes entwickelte sicn in der „Mladä frontą" eine interessante, sehr offene und auch aufgeregte Diskussion. Die Zahl der Zuschriften wurde so groß, daß die Redaktion erklärte, die Zeitung müßte, wenn sie alles veröffentlichen wollte, mif zwanzig sfaft mif achf Seiten erscheinen. Anonymen Schreibern von religionsfreundlichen Zuschriften wurde in der Zeitung versichert, sie würden bei Namensgebung weder den Löwen vorgev orfen werden wie die Christen zur Römerzeif noch anderweitigen Schikanen unterworfen. In der Aufmachung, die den Veröffentlichungen gegeben wurde, verriet sich die offizielle Sympathie oder Antipathie eindeutig: alle Antworten, die die Religion wissenschaftlich oder gefühlsmäßig angriffen, wurden an hervorragender Stelle gebracht. Dennoch wurden auch die anderen Stimmen nicht unterdrückt. So las man aus der Feder eines Soldaten, des Rottmeisfers Cerny, das Bekenntnis: „Der Weifenraum und alles, was wir uns unter dem Worte ,Welf' vorstellen, muß von einem Wesen erdacht und gemacht worden sein, das größer ist als der Mensch, ein Wesen, das wir uns unter dem Worte Gott verstellen." Frau Svejdovä schrieb: „Die Menschheit muß ihren Stolz unter der mächtigen Hand

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WESTDEUTSCHLAND NEUTRAL — ABER NUR

IM SPORT. Die Haltung der deutschen Bundesregierung, die in jüngster Zeit sowjetischen Sportsleufen die Einreise zu Wettkämpfen im Bundesgebiet verweigert hatte, ist im Lager der westdeutschen Sportsleute entschiedenem Widerspruch begegnet. Es sei nicht die Sache der Regierung, so argumentierte Willi Daume, der Präsident des Deutschen Sportbundes, in einem Schreiben an den Bundesminister des Innern, Dr. Schröder, dem deutschen Sport Richtlinien für seinen Sportverkehr zu erteilen. Bundesaußenminister von Brentano hatte vorher die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu den geplanten Sporfweftkämpfen mit sowjetischen Mannschaften damit begründet, daß man nicht einer sowjetischen Sporfverfrefung Visa zur Einreise erteilen könne, während es zu derselben Zeit die Sowjets in Moskau ablehnten, über die Rückführung von Deutschen aus der Sowjetunion zu sprechen. Inzwischen haben sich die Wogen wieder geglättet, namentlich seitdem Minister Brentano eine Aussprache mit dem Präsidenten des Sportbundes hafte. Der Außenminister versprach, den sowjetischen Sportlern die gewünschten Visa zu erteilen, so daß die geplanten Wettkämpfe (wenn auch etwas später) stattfinden können. Es ist sicher wahr, daß die Sowjetunion — wo sie nur kann — den Sport zur politischen Propaganda mißbraucht. In der Bundesrepublik hatte sie hierzu bei Sporfwetf- kämpfen bisher keine Gelegenheit, und deshalb mögen die Bedenken, die man noch vor einigen Tagen in Bonn gegen die geplanten deutsch- sowjetischen Sportveranstaltungen gehegt hatte, nicht begründet gewesen sein. Im übrigen hat es der deutsche Sport, wie Daume nach der Aussprache mit Brentano am Dienstag mit Recht sagte, bisher nie an politischem Takt fehlen lassen. Dies hat offenbar der Minister auch anerkannt, und so war er bereit, dem Vertreter des Sports in der umstrittenen Frage künftig „volles Vertrauen' enfgegenzubringen. Gerade weil der Sport im Westen — im Gegensatz zum Sport in der Sowjetunion und in den Staaten des Ostblocks — politisch neutral und ungebunden isf und nicht (wie dort) von politischen Funktionären „geführt" wird, sollte man den Sportsleuten der Bundesrepublik die Möglichkeit geben, in dieser streng sportlichen Haltung bei der Begegnung mit Mannschaften von „drüben" ein Vorbild zu geben.

des Herrn demütigen." .Vom Kollektiv eines Mädchenheimes in Zlin kam die Zuschrift: „Würden die Menschen einander lieben, wie Christus es uns gezeigt hat, dann hätten wir das Paradies auf Erden." Herr Coufal aus Prag bemerkte: „Die Gewißheit, daß mein Leben in der festen Hand Gottes ruht, isf stärker als die Furcht vor der Weltlage, vor Naturkatastrophen oder vor allem Mißgeschick." Herr Mikulecky aus Kutfenberg (Böhmen) schrieb: „Viel spricht und schreibt man heute über Hus, Žižka, Comenius und die Böhmischen Brüder — aber man sagt nicht, daß das Menschen waren, die sich für Christus nicht geschämt haben. Auch ihr Sozialgefühl kam aus dem Glauben an Gott. Die „Mladä frontą" berichtet, 300 Briefe erhalten Zu haben. Von 218 'ÖridfBH mif einem 3',',klären Standpunkt1"''Heien 11S antireligiös und

103 für die Religion gewesen.

der die Frage des Sozialrichters und der sozialen Gerichtsbarkeit als eigener Disziplin des formalen Rechtes im Rahmen der gesamten Gerichtsorganisation auf. Alle diese Fragen müßte die Wissenschaft eingehend prüfen und erforschen und mit ihren Erkenntnissen die Praxis befruchten.

Der erwähnte Kongreß hat aber noch eine andere Erkenntnis gebracht. Das Arbeitsrecht wird heute in Oesterreich hauptsächlich von Kammern, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden getragen. Um Anschluß an die inter

nationale Entwicklung zu finden, wird es notwendig sein, auch in Oesterreich eine eigene Vereinigung für die arbeitsrechtliche Forschung zu errichten, in der sich alle interessierten Organisationen und Persönlichkeiten, die sich dem Arbeitsrecht verschrieben haben, zusammenfinden: also nicht nur Vertreter der Gewerkschaften, der Arbeiterkammern und der Arbeitgeberorganisationen, sondern auch die Richter der Arbeitsgerichte, die Fachleute der Verwaltung, Rechtsanwälte und vor allem die Vertreter der Wissenschaft.

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