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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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WACHABLÖSE AM STUBENRING. Nicht klingendes Spiel, wie einst in den Tagen, da das jetzige Regierungsgebäude noch das Kriegsministerium beherbergte, war freilich ihre Begleitmusik. Dafür war auch der Schauplatz statt der Rampe das Ministerzimmer. DDDr. Iiiig übergab sein Amt an Staatssekretär Dr. Bock. Der Abschied des bisherigen Handelsministers kommt überraschend. Zwar wurde nach den Wahlen vielfach angenommen, DDDr. Iiiig werde dem neuen Kabinett nicht mehr angehören. Die Regierungsliste brachte aber keine Veränderung in diesem Ressort. Nun hat der Minister in der ihm eigenen spontanen und eigenwilligen Art seinen Abschied genommen. Persönliche Empfindlichkeiten, Profest gegen die Verweigerung der von seinem Ressort beantragten Budgetmittel (allein für den Sektor „Bauten“ hafte lllig 4 Milliarden S mehr als 1956 verlangt!) wie auch die im offiziellen Kommunique als alleiniger Grund angegebenen „gesundheitlichen Rücksichten“ mögen zu gleichen Teilen diesen Entschluß gefördert haben. Er ist, was seinen Zeitpunkt betrifft, nicht ohne Stachel für den Regierungschef. Dennoch kann man einem solchen persönlichen Schritt die Anerkennung nicht versagen. Demissionen aus eigenem Antrieb sind selten geworden in Oesterreich ... Der neue Hausherr am Stubenring aber, Minister Dr. Bock, stehf vor der Bewährungsprobe seines Lebens. Die Leitung des Handelsministeriums ist, wie der große „Ministerverschleiß“ beweist, eine schwere Aufgabe.

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WO DEN PARTEIJOURNALISTEN DER SCHUH DRUCKT... Der theoretischen Monatsschrift der Oesterreichischen Volkspartei gebührt das Verdienst, die Beziehungen zwischen Partei und Presse freimütig zur Diskussion gestellt zu haben. In der Augustnummer eröffnete hier der Leiter des Pressedienstes der Volkspartei — „Die Furche“ berichtete an dieser Stelle darüber — die Aussprache. In den soeben erschienenen Heft nimmt der Chefrt takteur des „Kleinen Volksblottes“ den Faden des Gesprächs auf. Mit ihm kommt ein Mann zu Wort, der, wie wohl kein zweiter, mit Erfahrungen aus der Werkstatt des Partei Journalisten aufwarten kann. Und Dr. Gröhl nimmt sich auch kein Blatf vor den Mund. Offen spricht er aus, wo den Parteijournalisten der Schuh drückt. Da ist zunächst der Irrtum mancher Politiker, die glauben, dafj eine Parteizeitung ausschließlich der politischen Meinungsbildung dienen soll und die allgemeine Information ruhig vernachlässigen darf. Eine allmähliche Abwanderung müßte die unausbleibliche Folge sein. Auch Dr. Gröhl kommt wieder auf das journalistische Debakel während der letzten Regierungsbildung zurück, in der die Parleipresse den Kopf in den Sand stecken mußte. „Ich kann bestätigen, daß der Parteipresse: in dieser Zeit zahlreiche Anrufe und Zuschriften aufgebrachter Leser zugingen, die mit Recht erklärten, sie müßten sich um eine andere Zeifung umsehen, wenn die Parteipresse ihnen jede Information über einen so wichtigen Vorgang wie die Regierungsbildung einfach vorenthalte.“ Neben einem Appell an verschiedene Politiker, die empört sind, wenn nicht spaltenlange Auszüge aus ihren Sonnfagsreden gebracht werden — „je länger beispielweise die Reden sind, desto weniger Leufe werden sie lesen“ —, kommt Dr. Größl auf die grundsätzliche Korrektur im Verhältnis Partei und Parteipresse zu sprechen:

„Die Erkenntnis, daß Politiker und Journalist für die Partei gleich wichtig sind, daß daher nicht die Unterordnung des einen unter den anderen, sondern nur wirkliches Miteinander-arbeiten den Erfolg garantieren kann, wird zunächst Allgemeingut aller in der Partei arbeitenden Menschen werden müssen. Das bedeutet, daß der Parteijournalist zunächst einmal alle Informationen bekommen muß, die für seine Arbeit nötig sind, obwohl damit absolut nicht gesagt ist, daß lie auch veröffentlicht werden. Das ist bisher keineswegs der Fall. Das bedeutet ferner, daß man ihn in allen Fragen, welche die Publizistik betreffen, zu Rate zieht, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Es ist unmöglich, daß über die journalistische Behandlung politischer Fragen allein von den Politikern entschieden wird, wie das verschiedentlich noch immer geschieht. Es ist notwendig, dem Par-feijournalisten, der ja nichts anderes erreichen will, als eine möglichst gute Propagierung der Politik der Partei, mehr Freiheit, seinem Verantwortungsbewußtsein und seinem beruflichen Können mehr Spielraum zu lassen als das bisher vielfach der Fall war. Auch der Journalismus will gelernt sein. Die Parfei-iournalisfen haben ihn gelernt. Man bilde sich nichf ein, daß jeder Politiker auch Journalist sein muß . .. Nicht nur in der Politik, auch in der Publizistik ist die Persönlichkeit die Grundlage jeder gedeihlichen Arbeit. Eine Presse, in der die Parteiführung die publizistischen Persönlichkeiten ersetzen will, indem sie aus den Journalisten Hilfsarbeiter macht, wird auf die Dauer ihre Aufgaben für die Partei nichf erfüllen können. Primat der Politik — ja! Aber nicht Primat der Politiker.“

Man darf erwarten, daß diese ernsten Worte eines Parteijournalisten, der doch nichts anderes will, als ganze Arbeit leisten zu können, nicht ungehörf bleiben. Bei denen, die es angeht.

EIN ECHTER LIBERALER. Der Wirtschaftsminister der Deutschen Bundesrepublik ist nicht nur wegen seiner hervorragenden wirtschafts-polifischen Leistungen einer der großen Männer dieser Zeit, sondern hat auch deswegen einen weit über die Grenzen seiner Heimat hinausreffchenden Ruf, weil er als Liberaler gegen alles Herkommen versucht, die Thesen des Liberalismus wörtlich zu nehmen und nicht — wie viele — im Liberalismus eine Chance zu sehen, Cewinnstreben durch schöne Formeln zu verdecken. Daher ist Erhard eindeutig ein Gegner der Kartelle. Bei seiner vor einigen Tagen in Wien gehaltenen Rede ging Erhard ohne Umwege das Karfellproblem an und verstand es —als Professor wie als Staatsmann—, den Kartellfreunden um jeden Preis einige Wahrheiten zu sagen, deren Richtigkeit in der grofjen Versammlung nicht einmal angezweifelt wurden. Wenn die Unternehmer sich ihre Marktbedingungen selbst, etwa durch Absprachen, festsetzen, dann ist dies eben ein Eingriff in den freien Wettbewerb (kaum verschieden von der Staatsintervention). Ist nun Erhard also gegen die Kartelle (und zieht er sich dadurch die Gegnerschaff eines grofjen Teiles jener zu, die sich als „Liberale bezeichnen), dann nicht aus einer vorgefaßten Meinung, sondern weil er die Wirfschaff eben nicht primär als Institution der Gewinnerzielung begreift, sondern in ihrem Ursprung als (wie er sich ausdrückte) „Verbraucherwirtschaff“ sieht. Di Wirfschaft findet ihren Mafjsfäb am Wohl der Verbraucher. Das ist sicherlich keine Erkenntnis von säkularer Bedeutung. Nicht dafj jemand als Unternehmer oder Unternehmerverfreter einen Gewinn erzielen will, ist abzulehnen, sönrfsrn lediglich die Tafsache, daß manche, die Gewinne machen wollen, wenn sie sich zu diesem Zweck irgendwelcher Preisabsprachen und ahn-licher Maßnahmen bedienen, so tun, als ob sie dabei ausschließlich an das Wohl ihrer Mitbürger dächfen und ein Kartell gleichsam als ein Zeichen der Aufopferung für das gemeine Wohl errichfen, beileibe aber nicht, um sich Vorteile zu verschaffen. Es war erfrischend, entflieh einmal einen echfen Liberalen zu hören, der sich selbst beim Wort nimmt und den Liberalismus in einem neuen Verständnis seines Wesens als eine Wirtschaftsgesinnung klassifiziert, die geeignet ist, nicht nur ein höheres Sozialprodukt mitschaffen zu helfen, sondern auch für eine bessere Verfeilungsgerechtigkeit zu sorgen.

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DONAUFESTSPIELE! Fachleute führen gegenwärtig auf Anregung eines ungarischen Publizisten in den Spalten einer Budapester Zeitung Diskussion über die Frage, ob es nicht möglich' und wünschenswert wäre, gerade heute eine neue internationale Plattform für alle Arten der Kunst und der Wissenschaft ins Leben zu rufen. Diese völlig heue, noch niemals erprobte Idee fragt den provisorischen Namen „Donäufesf-spiele“. Als teilnehmende Staaten sind von dem Vater (oder den Vätern) dieses Gedankens acht Donaustaaien vorgesehen, unter ihnen auch Oesterreich. Theaterleute und Musiker, Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Philologen und Historiker aus diesen Ländern sollten sich in jedem Jahr abwechselnd auf einer der repräsentativen Stätten der jeweiligen nationalen Kultur und Geschichte treffen und durch künstlerische Darbietungen, Ausstellungen sowie Diskussionen eine längst oder erst vor kurzem verlorene gemeinsame Sprache suchen. Es sollte etwas anderes sein als bloß ein Betrieb, der dem Fremdenverkehr oder politischen Zielen dient. Die Donaufestspiele sollten zunächst einer Bestandsaufnahme dienen, angesichts der bisher von den kommunistischen Regierungen geübten Politik der gegenseitigen Abkapselung, die, wie dies der Initiator ausdrücklich vermerkt, auch einer besseren Verständigung zwischen den Völkern der Volksdemokratien hinderlich im Weg stand. Ist das Projekt der Donaufestspiele ein neuer politischer Trick, ein neues „Trojanisches Pferd“ der Kommunisten, oder ist es werf, daß man es aufmerksam prüft? Es wäre noch zu früh, darüber zu urteilen. Eines scheint ziemlich klar zu sein: die Idee stammt nicht aus Kreisen, denen eine solche Absicht bestimmt zuzutrauen wäre, sondern von Leuten, die, wie dies ihre fortgesetzte Klage in den Zeitungen beweist, unter den Folgen der bisherigen Politik in ihren Ländern leiden. Es steht freilich außer Frage, daß besagte Kreise, die heute noch keineswegs ausgeschaltet sind, sich auch der Idee der Donaufestspiele bemächtigen können. Das wird man aber auch merken. Es kann ebenso möglich sein, daß die Donaufestspiele von den politischen Instanzen als „gefährlich“ eingestuft und überhaupt nicht bewilligt werden. Dann wird auch die Diskussion darüber bald verstummen. Ob so oder so, die Geschichte hat zumindest eine Lehre: Oesterreich wurde bei diesem Anlaß von einem Kreis argloser Regisseure, Theaterkritiker, Komponisten „von drüben“ ein Platz unter den Völkern des Donauraumes wie selbstverständlich eingeräumt. Diese Tafsache hat mit der auch in zweifacher Hinsicht nicht ungefährlichen Phrase der Koexistenz nichts zu tun. Graz, Salzburg, Alpbach, Wien: Wie wäre es mit einer Fortsetzung der Diskussion auf unsere.

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