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Politiker als Mechaniker

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FURCHE: Sie standen unmittelbar nach dem Krieg im Zentrum der Wirtschaftsplanung. In dieser Zeit wurde auch das 1. Verstaatlichungsgesetz beschlossen.

MARGARETHE OTTILLINGER: Ich habe damals die Planungssektion im Wirtschaftsplanungsministerium geleitet und wurde wegen meiner früheren beruflichen Erfahrungen auch mit der Eisenindustrie befaßt.

Ich habe die besten Fachleute, die es auf diesem Sektor gab, in einem Arbeitskreis versammelt. Dieser erstellte Strukturplan für die Eisen- und Stahlerzeugung, auf 50 Jahre hinaus und abgestimmt auf die Eisenproduktion in den anderen europäischen Staaten.

Laut diesem Entwicklungsplan sollte sich Österreich, weil wir einen besonders hochwertigen Stahl produziert haben und die heimischen Stahlkocher auf eine über hundertjährige Erfahrung verweisen konnten, in erster Linie auf Edelstahl konzentrieren. Für Österreich hatten wir eine Rohstahlproduktion im Ausmaß von rund 1,5 Millionen Tonnen jährlich geplant.

Was aber hat man dann getan? Durch den plötzlichen Eisenboom verleitet wurden über vier Millionen Tonnen produziert. Daß das auf die Dauer schiefgehen hat müssen, war von Anfang an klar.

FURCHE: Ist Planung tatsächlich ein wirksames Instrument, wirtschaftliche Entwicklungen zu steuern?

OTTILLINGER: Auch die Gelder des Marshall-Plans haben wir nicht bekommen, weil wir so fesch und gescheit sind, sondern weil unsere Pläne überzeugend waren.

Aber man hat ziemlich bald alle Pläne für die strukturelle Entwicklung der österreichischen Wirtschaft auslaufen lassen und nicht den veränderten Gegebenheiten angepaßt. Die Folge war eine Wirtschaftsstruktur, die nicht auf das kleine Land und seine Nachbarn abgestimmt ist.

FURCHE: Woran die Politiker und die Interessenvertreter zumindest mitschuld sind.

OTTILLINGER: Ich habe den Politikern immer wieder gesagt: Wenn ihr ein Auto habt, das nicht funktioniert, dann könnt ihr zwar einen ÖVPler und einen SPÖler hinstellen und jeden einen Vortrag halten lassen. Das Auto wird nicht funktionieren. Viel besser ist's, wenn ihr einen Mechaniker holt, der das Auto repariert und in Gang setzt. Dann könnt ihr darüber streiten, wohin das Auto fahren soll.

Die Politiker haben immer das Gegenteil gemacht. Sie wollten das Auto reparieren.

Die Verstaatlichte braucht heute wie damals eine genaue Analyse des Marktes und einen Strukturplan, in welcher Form und in welchen Produktionsbereichen sie in Zukunft tätig sein will.

Margarethe Ottiiiinger war Leiterin der Planungssektion im Ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung und 25 Jahre lang Vorstandsmitglied der österreichischen Mineralölverwaltung (ÖMV). Mit ihr sprach Tino Teller.

Der Autor ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Verlagsgesellschaft des Osterreichischen GewerKschaftsbundes (OGB) und Steilvertretender Generalsekretär a. D. der Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG).

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