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So hinkt der Bund den Ländern nach
In einem Land, in dem sich die politische Berichterstattung beängstigend auf Tratsch und Klatsch reduziert, in dem kein Gerücht albern genug sein kann, um nicht sofort Schlagzeilen zu machen, in einem solchen Land verkümmern bedeutsame politische Nachrichten zu Kurzmeldungen.
Da hat der Salzburger Landtag eine Novelle der Landesverfassung beschlossen, die österreichweit aufhorchen lassen müßte: Nach unzähligen kompetenten und inkompetenten Wortmeldungen zu Fragen der unmittelbaren Demokratie ein ganz konkreter Schritt, damit sich die demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürger nicht nur alle vier Jahre auf eine Wahl beschränken.
Der Salzburger Landtag hat nicht nur die für ein Volksbegehren erforderliche Zahl von Unterschriften auf 10.000 halbiert, vielmehr muß künftig nach jedem erfolgreichen Volksbegehren automatisch eine Volksabstimmung darüber ausgeschrieben werden. Erst deren Ergebnis ist dann vom Landtag zu behandeln.
Das ist ein Novum in Österreich, geht auch über die Vorarlberger Landesverfassung hinaus: Im „Ländle” ist nur dann eine Volksabstimmung vorgesehen, wenn ein Volksbegehren, das von wenigstens 20 Prozent der Wahlberechtigten unterstützt wurde, vom Landtag abgelehnt wird. Und im Bund?
Tatsache ist, daß die Form der derzeitigen Behandlung, treffender wäre es, von Nicht-Behandlung zu sprechen, der Volksbegehren durch den (Bundes-)Ge-setzgeber unbefriedigend ist. Viele Aktivbürger fühlen sich zurecht gefoppt.
Grundsätzlich ist die Verknüpfung eines erfolgreichen Volksbegehrens mit einer Volksabstimmung zu begrüßen, wenngleich die Salzburger Lösung dem Gesetzgeber jede Chance nimmt, von sich aus — ohne Volksabstimmung —einem Volksbegehren Rechnung zu tragen.
Dazu kommt der Nachteil gegenüber der Vorarlberger Regelung, daß die Volksabstimmung den Gesetzgeber zu nichts verpflichtet.
Diesem Nachteil steht der Vorteil gegenüber, daß sich jede Initiative von Aktivbürgern demokratisch dem Urteil aller Wahlberechtigten stellen muß, daß also eine Minderheit, um Erfolg zu haben, von vornherein ihr Anliegen mehrheitsfähig aufbereiten muß.
Neu — und geradezu sensationell — ist aber, daß Bürger selbst eine Volksabstimmung auslösen können, ein Recht, das bisher ausschließlich in Händen des Gesetzgebers lag.
Ungleich mehr Möglichkeiten für die direkte Demokratie als Ergänzung zum unverzichtbaren repräsentativen Prinzip: Nach Vorarlberg hat Salzburg Schrittmacherdienste geleistet.
Ob der Bund da Schritt halten kann? Er hat ihn noch nicht einmal aufgenommen.
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