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Vietnam in Südkärnten?

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Das, was der slowenischen Minderheit in Kärnten im Artikel 7 des Staatsvertrages zugesagt wurde, nämlich die zweisprachige Beschriftung der Ortstafeln in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung, soll nun wenigstens teilweise realisiert werden: Am 12. Jänner dieses Jahres ging der Bundesregierung eine Liste von 205 Kärntner Ortschaften zu, in denen womöglich noch heuer durch ein Bundesgesetz diese Regelung der topographischen Aufschriften getroffen werden soll.

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Das, was der slowenischen Minderheit in Kärnten im Artikel 7 des Staatsvertrages zugesagt wurde, nämlich die zweisprachige Beschriftung der Ortstafeln in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung, soll nun wenigstens teilweise realisiert werden: Am 12. Jänner dieses Jahres ging der Bundesregierung eine Liste von 205 Kärntner Ortschaften zu, in denen womöglich noch heuer durch ein Bundesgesetz diese Regelung der topographischen Aufschriften getroffen werden soll.

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Ortschaftslistenabsender war Landeshauptmann Sima, der in den vergangenen Wochen immer mehr ins Kreuzfeuer von Slowenen und Anti-slowenen gekommen ist. Nun, da der Sima-Plan (den man im Amt der Kärntner Landesregierung nicht Sima-Plan genannt wissen will) in eine konkrete Phase tritt, ist offiziell allerdings nicht mehr der Kärntner Landeshauptmann dafür zuständig, sondern die Bundesregierung — Kreisky hat sich somit von seinem Parteifreund Sima den Schwarzen Peter zuspielen lassen und zieht in Zukunft die Pfeile der Slowenengegner auf sich.

Diesem Uberraschungseffekt war ein — man kann sagen jahrzehntelanges — Geplänkel um den Ortstafelbeschriftungsmodus in Südkärnten vorausgegangen, aus dem sich

SPÖ und ÖVP so gut wie möglich herauszuhalten versuchten, während die in Kärnten noch immer „treudeutsche“ Züge tragende FPÖ-Riege in Permanenz eine Minderheitenfeststellung forderte, die den Aufschriftenentscheidungen zugrundeliegen sollte.

Die Slowenen weigerten und weigern sich noch immer gegen eine solche Minderheitenfeststellung, da im Falle eines solchen Feststellungsverfahrens eine massive Propaganda der Slowenengegner einsetzen und damit ein starker psychologischer Druck auf die Minderheit ausgeübt würde.

Völlig grundlos dürften diese Befürchtungen nicht sein, denn die Kärntner Slowenen ließen es jahrelang an breiter Agitation innerhalb ihrer Volksgruppe mangeln, was anderseits von den Deutschtümlern nicht behauptet werden kann. Eine gewisse slowenische Selbstsicherheit ist erst zu bemerken, seit die ersten Maturajahrgänge des slowenischen Gymnasiums eine volksgruppenbewußte junge Intellektuellenschichte hervorgebracht haben, deren Vertreter freilich auch in einzelnen Fällen so weit gingen, daß sie getreu Guevaras Worten in Südkärnten ihr Vietnam schaffen wollten.

Anderseits mag es in Kärnten aber auch Slowenen geben, die um des sozialen Aufstiegs willen keine Verbindung zu ihrer Volksgruppe mehr unterhalten und sich bei einer Minderheitenfeststellung auch nicht mehr als Slowenen registrieren lassen würden. Dies mag auch ein Grund dafür sein, daß bei der Volkszählung des Jahres 1961 bedeutend weniger Slowenen ermittelt wurden als je zuvor. Gerade diese Volkszählung dient aber als Grundlage jenes Sima-Planes, der die Einführung von slowenischen Aufschriften in 205 Ortschaften (die sich wiederum auf 23 Gemeinden verteilen) vorsieht — jenen Ortschaften, deren Slowenenteil laut Volkszählungsergebnis 1961 20 und mehr Prozent beträgt.

Als dieser Plan bekannt wurde, liefen sowohl Slowenen wie Anti-slowenen Sturm: Man forderte auf der einen Seite eine Minderheitenfeststellung und lehnte auf der anderen Seite sowohl das Volkszählungsergebnis als Grundlage sowie die Ortschaftenlösung (in der man eine bedeutende Beschneidung der Staatsvertragszugeständnisse sieht, die man höchstens auf eine Beschränkung von Bezirks- auf Gemeinderegelung herabhandeln lassen will) ab.

Am Donnerstag der vergangenen Woche trafen sich jedenfalls Bundeskanzler, Außenminister, Landeshauptmann und Slowenenvertreter zur Aussprache über die avisierte Regelung. Der Dialog konnte allerdings nicht ins Detail gehen, da man den Slowenen noch immer keine Liste der betroffenen Ortschaften übergeben hatte. So blieb der ablehnende Standpunkt der Minderheit derselbe, während nun Kreisky für Sima den Sima-Plan gegenüber der Öffentlichkeit vertreten mußte und eine Realisierung desselben ohne Rücksicht auf die von beiden Seiten kommenden Proteste ankündigte.

AUTOREN IN DIESER NUMMER Kurt Riess ist einer der bekanntesten Berliner Journalisten der Zwischenkriegszeit. Nach der Emigration ließ er sich in der Schweiz nieder. Riess ist nicht nur Reporter auf höchster Ebene, sondern auch Autor zahlreicher brillant geschriebener und verbreiteter Monographien und Sachbücher.

Sein Artikel auf Seite 1 kann als Diskussionsbeitrag zu Harald Sterks „Furche“-Artikel „Ist das Wiener Publikum reaktionär?“ (Nr. 15/1972) verstanden werden.

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