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Wahlen, Freier und Gespenster

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Mit der FPÖ schon, aber nicht mit oder unter Jörg Haider: Die Bemühungen von SPÖ und ÖVP, sich den Türspalt einer Koaliti- onsalternative offenzuhalten, sind krampfhaft. Nein, kein Franz Vra- nitzky und kein Josef Cap, kein Josef Riegler und kein Helmut Kukacka hat der FPÖ da Bedin- gungen zu stellen Denn durch Jörg Haider hat die FPÖ jenes politische Gewicht bekommen, das mit dem Wahltag auch vom Stimmenkonto abzulesen sein wird.

Haider hat recht, wenn er diese schrägen Anbiederungsversuche mit Spott bedenkt. Oder können sich SPÖ und ÖVP gar umgekehrt vorstellen, daß über ihren Partei- chef die FPÖ befindet?

Haider ist ein Vorwand. Es fehlt den Herren auf Freiersfüßen der Mut, sachlich begründet darzule- gen, was für oder gegen ein Regie- rungsbündnis mit der Freiheitlichen Partei spricht. Und wenn ihnen zur Weiterführung der großen Koali- tion nicht mehr als der Name Hai- der einfällt, ist das bescheiden.

Vor dem Hintergrund der ohnehin wahrscheinlichen Fortsetzung des Regierungsbündnisses von SPO und ÖVP (siehe Seite 2) hat man Jörg Haider sogar noch zum Schatten- spiel auf die politische Bühne gebe- ten: Mit einem Korb für die SPÖ, während er in Richtung ÖVP schein- bar Blumen gestreut hat.

Womit der nächste Akt in diesem Theater weitab politischer Substanz begonnen hat: Die SPÖ wird das Gespenst einer schwarz-blauen Koalition in grellen Farben an die Wand malen, froh, damit Skandale und Affären notdürftig zu überpin- seln, wird in der Parole „Vranitzky oder das Chaos" zu retten versu- chen, was noch zu retten ist. Und der Auftritt Vranitzkys, in dem er, einem hierzulande bekannten Su- jet folgend, erklärt, nur als Kanz- ler, keinesfalls aber als Juniorpart- ner zur Verfügung zu stehen, wird kaum auf sich warten lassen.

Der politische Kopf Haider hat diese „Wahlhilfe" für die SPÖ ge- nau kalkuliert, hat gleichzeitig auch manchen Teilen der ÖVP-Wähler- schaf t, die sich ganz gut eine Regie- rung ohne Sozialisten vorstellen können, den Mund wässrig ge- macht: Falls die FPÖ einen Stim- menanteil von 20 Prozent erreiche, werde er um die Führungsrolle mitpokern. Die höchst unchiffrier- te Einladung, überzulaufen.

Darauf muß Josef Riegler, muß die ÖVP, wenn es ihr mit ihrem Führungsanspruch ernst ist, rea- gieren. Es geht um die relativen Kräfteverhältnisse nach dem 7. Oktober. Darum, ob man mit der Regierungsbildung als mandats- stärkste Partei beauftragt wird - oder ob man auf eine Einladung zur Regierungsbildung hoffen muß.

Und auf das Wörtchen, das Bun- despräsident Kurt Waldheim da noch mitzureden hat, sollte bei al- ler Gespensterbeschwörung nicht vergessen werden. Daß er Öster- reich in diesen Umbruchszeiten eine grippeanfällige Regierungsmehr- heit zumutet, darf in Zweifel gezo- gen werden.

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