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Zärtlichkeit wieder gefragt

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Zärtlichkeit gehört zur Sprache der Liebe. Ohne Zärtlichkeit könn­ten die Menschen nicht leben, insbe­sondere nicht in Zeiten wie diesen: In einer Gesellschaft, in der das Ma­terialistische heute scheinbar mehr zählt als alles andere. _

Die Zärtlichkeit steht gegenwär­tig wieder ganz oben auf der Wunschliste der Menschen. Auch

bei den jungen Menschen: Zärtlich­keit ist „in“.

Wer heute mit jungen Menschen Gespräche führt, der wird - viel­leicht ein wenig überrascht - fest­stellen, wie sehr die Sehnsucht nach Zärtlichkeit gerade bei diesen Leu­ten in den letzten Jahren gewachsen ist. Nicht die Abenteuer, nicht die Freiheit oder gar der in den letzten Jahren so hochgelobte Sex sind es, nach denen viele Jugendliche stre­ben, sondern vielmehr der Wunsch nach Liebe und Geborgenheit steht in ihrem Wunschkatalog an der er­sten Stelle.

Bei den meisten von ihnen zählen heute - Untersuchungen sprechen sogar von 98 Prozent - die Gefühle und Empfindungen, sie zu zeigen und wieder zu erhalten, zu den pri­mären Bedürfnissen überhaupt. Sie zu erfüllen gilt ihr ganzes, heutiges Streben. Darüber sollten wir alle nachdenken.

Was aber ist Zärtlichkeit?

Zärtlichkeit ist das, was in der Regel der Mensch als erstes, als Baby also, erlebt. Die Nähe, das Berühren, das Streicheln, die Umarmung, die körperliche Wärme: Liebe also, Geborgenheit.

Zärtlichkeit ist der Trost. Und die Hilfe. Beispielsweise in der Ein­samkeit. Auch in der Einsamkeit des Alters.

Ohne Zärtlichkeit würden die Menschen aneinander vorbeileben. Erst durch die Zärtlichkeit spüren wir, wie wir selbst geliebt werden. Die Zärtlichkeit ist der Gradmesser für die Intensität einer Beziehung.

Das war leider nicht immer so. Gerade in den letzten Jahren hat sich ja unsere Welt, und damit auch die Gesellschaft selbst, stark ver- technisiert. Das Rationale hat dabei

einen weit größeren Stellenwert er­halten. Gefühle waren kaum ge­fragt. Man hatte dafür keine Zeit.

Dazu kamen irrige Ansichten, wie: Ein Zuviel an Liebe, an Ver­ständnis und Empfindungen würden zwangsläufig auch zu weniger Lei­stung und bei jungen Menschen zu Unselbständigkeit fuhren. Das sind Auffassungen, die dem Gefühlsle­ben aller Menschen, gleich ob jung oder alt, sehr geschadet haben und die mit zu der beklagenswerten Ver­einsamung der Menschen beigetra­gen haben.

Oft glauben die Menschen, Zärt­lichkeit hätte einzigden Geschlechts­akt zum Ziel. Solche Vorstellun­gen sind fatal und unsinnig zugleich. Zärtlichkeit ist nämlich weit mehr.

Zärtlichkeit sind Worte. Sind Ge­sten. Ein Lächeln vielleicht. Eine Berührung. Ist die liebevolle Hin­wendung zum Partner ebenso wie das vollkommene Vertrauen der El­tern zu ihren Kindern.

Zärtlichkeit ist aber auch die ge­duldige Pflege der Alten. Sie ist ein elementares Verlangen aller Men­schen. Vielleicht auch ein entschei­dendes Mittel zum besseren Ver­ständnis der Menschen zu- und un­tereinander.

Wir sollten uns freuen, daß Zärt­lichkeit wieder modern ist.

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