6852551-1977_01_06.jpg
Digital In Arbeit

Zweisprachige Ortstafeln und neuer Geist - in Görz

Werbung
Werbung
Werbung

Der Triester Provinzrat beschloß vor kurzem, wie im neuen italienischen Schulgesetz vorgesehen, die Gründung neuer Schulbezirke in der Provinz, um auf diese Weise eine größere didaktische und kuturelle Autonomie als bisher zu garantieren.

Die Resolution ist an die Landesregierung gerichtet, die für die Gründung der Schulbezirke in Friaul- Küstenlapd zuständig ist, und schlägt drei Schulbezirke auf territorialer Basis, sowie einen slowenischen Schulbezirk auf funktionaler Basis vor, der alle slowenischen Schulen in der Provinz Triest und, falls kein besonderer slowenischer Schulbezirk in Görz geschaffen wird, auch die slowenischen Schulen in dieser Provinz umfassen soll.

Um die Autonomie der slowenischen Schulen im Lande zu sichern, wird in der Resolution überdies die Gründung eines slowenischen Schulrates empfohlen, der auf demokratischem Wege alle Schulprobleme der Provinzen, in denen die slowenische Volksgruppe wohnt, behandeln soll.

Damit fanden die monatelangen Aktionen der slowenischen Volksgruppenvertretungen in Italien zur Einrichtung eines eigenen Schulbezirkes ihr Ende. Die italienischen Mehrheitsparteien hatten sich vor den Juniwahlen einer solchen Lösung der Schulfrage durchaus nicht geneigt gezeigt. Sie spekulierten damit auf die Stimmen der nationalistischen bürgerlichen Kreise und sogar die Kommunistische Partei, die den Löwenanteil der „fortschrittlichen“ , slowenischen Stimmen einzustecken pflegt, verschanzte sich hinter dem Vorschlag einer nebulösen sozialistischen Schulkommission auf Landesebene. Der sozialistische Schulreferent bei der Landesregierung in Triest wiederum trat mit einem Plan hervor, demzufolge die slowenischen Schulen in die italienischen Schulbezirke einzugliedern und deren Gremien zu unterstellen gewesen wären, was in den slowenischen Organisationen und Gemeinden einen Entrüstungssturm hervorrief.

Nach den Juniwahlen, als man nicht mehr um die slowenenfeindlichen nationalistischen Stimmen zu buhlen brauchte, willigten auch die Mehrheitsparteien in die Schaffung eines slowenischen Schulbezirks ein.

Die slowenischen Schulen in Italien haben sich in den letzten Jahren erfreulich gut entwickelt, vergleicht man ihren heutigen Status mit der Lage in den ersten Nachkriegsjahren. Slowenische Schulen und Kindergärten werden in diesem Schuljahr von nicht weniger als 5084 Zöglingen, davon 3705 in der Provinz Triest (132 mehr als im Vorjahr) und 1379 in der Provinz Görz (68 mehr) besucht. Die Provinz Udine kann in diesen Ziffern nicht berücksichtigt werden, denn für die dort lebenden venetischen Slowenen gibt es, wie für die Kärntner Slowenen im Kanaltal, keine slowenischen Schulen und auch keine Stunde slowenischen Sprachunterrichts. Vor dem Erdbeben unterrichteten einige Lehrer die slowenischen Kinder außerhalb der Schule in slowenischer Schriftsprache und stießen dabei nicht selten auf Hindernisse seitens der Verwaltungsbehörden. So verbot die Schulleiterin in Ugoviz- za/Ukve/Uggovitz im Kanaltal dem slowenischen Pfarrer, 30 Kindern während der Nachmittagsstunden in den Schulräumen Slowenischunterricht zu erteilen, bis sie dem Druck der öffentlichen Meinung schließlich weichen mußte.

Gegenwärtig verfügt die slowenische Volksgruppe im Küstenland über Gymnasien und (klassische) Lyzeen, Lehrerbildungsanstalten, fünfjährige Handelsakademien - alle in Triest und Görz-, daneben auch über Kindergärten, Grund- und Hauptschulen, über zweijährige Seminare für Kindergärtnerinnen und über eine Industriefachschule in Triest, die einer italienischen Fachschule angeschlossen ist. In Aussicht gestellt wurde die Gründung einer slowenischen industrietechnischen Mittelschule in Triest.

In Görz begann unterdessen die Stadtgemeinde mit dem Bau einer slowenischen Grundschule und eines Kindergartens im nördlichen Stadtteil, da das Erdbeben die bestehenden slowenischen Schulgebäude unbrauchbar gemacht hat. Der Bau eines slowenischen Schulzentrums in Görz befindet sich weiterhin in Planung.

Durch die offene Grenze und den entsprechend regen Grenzverkehr sind Slowenischkenntnisse für die Handeltreibenden der Provinz bereits unentbehrlich geworden, was wieder zur Folge hat, daß nun auch Italiener Interesse für die slowenischen Sprachkurse zeigen. Solche gibt es in Triest und in Görz mit seiner Dolmetscherschule, aber auch außerhalb der Städte für Italiener, die in überwiegend slowenischen Gemeinden, wie Devin-Nabrežina (Duino-Aurisian), Dolina (San Dorligo) und im friauli- schen Cormöns, wohnen. An der Fakultät für moderne Sprachen in Udine besteht eine Lehrkanzel für slowenische Sprache und Literatur mit rund 80 Horęm.

Allmählich verschwindet im Küstenland die Sprachdiskriminie- rung. Jüngst wurden zweisprachige Ortstafeln in den slowenischen Vorstädten der Stadt Görz angebracht, ebenso in St. Andrež/Sant’Andrea, Piedimonte/Podgora, Pevma/Piuma, Oslavia/Oslavje und St Maver/San Mauro, um nur ein Beispiel unter den vielen zu nennen, die im Lande eine neue Geisteshaltung ankündigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung