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Schach dem Trommler!

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Nicht minder bedeutsam als der Ausgang der österreichischen Nationalratswahlen ist das Ergebnis der Saarwahlen vom 13. Mai. Was hier für Europa auf dem Spiele stand, erhellt aus der Gegenprobe eines glücklicherweise verhinderten. Wahlsieges des Saartrommlers Dr. Heinrich Schneider. Wäre er, wie von ihm erhofft, mit der These vom „Erbfeind Frankreich“ bei den, saarländischen Kreistags- und Gemeindewahlen den anderen Parteien davqn-marschiert, so hätte er nach „Alter-Kämpfer-Manier“ sofort „den Helm fester gebunden“ und sich für den Bundestagswahlkampf 1957 als „Befreier“ der „unerlösten“ Bundesrepublik präsentiert, die für ihn solange der „westdeutsche Separatstaat“ bleibt, als sie sich nicht seinen Methoden zu unterwerfen gewillt ist Das aber hätte den endgültigen Bruch im deutsch-französischen Verhältnis mit allen traurigen Folgen für ganz Europa bedeutet und hätte auch in der Bundesrepublik alle jene Kräfte der Vergangenheit entbunden, die sich mit Schneider verbinden wollen, . um der Herrschaft der Christlichen Union ein Ende zu bereiten und Deutschland ins Ghetto des Nationalismus zurückzuwerfen. Insoweit waren die Saarwahlen auch Testwahlen für die Bundesrepublik, und dies um so mehr, als wirklich zu befürchten stand, daß die nationalistischen Kampf- und Krampftöne Dr. Schneiders wenigstens an der Saar selbst die Dämme der Vernunft einreißen würden. Aber trotz seinem „Großeinsatz“ im NS-Stil, wobei er Abend für Abend ein halbes Dutzend Dörfer „durchkämmte“, ist Dr. Schneider in seinem eigenen Kampflärm steckengeblieben. Es gelang ihm nicht einmal, alle Dezemberwähler seiner „Demokratischen Partei Saar“ an die Urne zu trommeln. Sechstausend dieser ehemaligen Wähler versagten sich ihm, und er verdankt es nur der geringeren Wahlbeteiligung, daß er optisch seinen Wähleranteil auf 24,4 (vorher 24,2) Prozent halten konnte. Der erwartete „Durchmarsch“ aber blieb nicht nur aus, sondern der prophezeite „Weltuntergang des Separatismus“ verwandelte sich sogar in ein nicht unerhebliches Anwachsen der von Schneider mit Schmähungen und Drohungen überschütteten Christlichen Volkspartei Johannes Hoffmanns. Sie stieg von 21,8 Prozent auf 23,3 Prozent, was um so erstaunlicher ist. als sie sich im Wahlkampf auf interne Mitgliederversammlungen beschränken mußte und dank dem Terror Dr. Schneiders in den kleinen Gemeinden keine Kandidaten mehr fand, die den Drohungen mit Existenzvernichtung offenen Widerstand zu. leisten wagten. Offensichtlich haben sich dabei Wähler der früheren Saarsozialisten, die mit der Zwangsfusion unzufrieden sind, der CVP angeschlossen.

Schneider steht jetzt vor der ihm höchst peinlichen Tatsache, daß die von ihm als „Separatisten“ beschimpften standhaften Europäer um Hoffmann in vier der acht Kreistage an der Saar ihn auf den dritten Platz verwiesen haben. Lediglich in Saarbrücken-Stadt und Saarbrücken-Land gelang es ihm, sich vor die CDU-Saar zu setzen, die insgesamt von 25,4 auf 27,1 Prozent anwuchs

Das Erstarken der CVP wird bei Dr. Schneider den Entschluß wecken, jetzt noch mehr als vorher die „Heimatbundkoalition“ gegen die „Separatisten“ zu aktivieren. Er steht vor der ihm leidigen Tatsache, daß Saar-CDU und CVP zusammen 50,4 Prozent der Wähler hinter sich haben, im Fall ihrer Fusion also mit absoluter Mehrheit ohne ihn regieren könnten. Dieser Brückenschlag aber, den er mit allen Mitteln zu verhindern trachtet, ist die Voraussetzung zur Beendigung des sinnlos verhärteten stillen Bürgerkrieges an der Saar. Die Bonner CDU wollte diese bitter nötige Fusion schon vor der Wahl erreichen, indem sie gleichlautende Aufforderungen an die Spitzen beider Parteien richtete. Indessen verstanden es die von Doktor Schneider in die Führung der Saar-CDU einge-schleußten Vertrauensleute, die Fusion zu verhindern, zumal sie darauf spekulierten, die Partei Hoffmanns werde in den Gemeindewahlen „am Boden zerstört“ werden.

Da nun aber das Gegenteil eintrat, ist die Niederlage Dr. Schneiders und der in seinem Schlepptau hängenden Saar-CDU-Funktionäre offenkundig. Es sollte nun nicht mehr schwerfallen, die Einigung zwischen Saär-CDU und CVP von unten her, aus den Gemeinden und Kreistagen heraus, so vorzubereiten, daß die CVP ohne Diffamierung in der Saar-CDU aufgehen kann, sobald diese sich aus den Fängen Dr. Schneiders gelöst hat. Dies sollte um so leichter fallen, als Hoffmann längst erklärt hat, er werde sich zurückziehen, sobald die Fusion auf gleichberechtigter Basis ausgehandelt ist. Ueberdies steht seit der Erklärung der CVP, sie wünsche den möglichst schnellen Eintritt des Saarlandes in die Bundesrepublik, um in eine freie Demokratie zu kommen, ihrer Aufnahme in die CDU der Bundesrepublik nichts mehr im Wege. Die Fusion zwischen CVP und Saar-CDU, die ohnehin eines schiedsrichterlichen Ausgleichs bedarf, wird dann im selben Augenblick möglich sein, in dem die Saar-CDU von den Statthaltern Dr. Schneiders gereinigt ist. Ihnen steht es frei, sich zu ihrem Chef zu begeben, der sie in die Saar-CDU delegiert hat, um diese zum Trabanten seiner nationalistischen Politik zu degradieren.

Man kann vor allem im Interesse der Saarbevölkerung nur hoffen, daß die i n n e r e Befriedung an der Saar möglichst schnell erfolgt. Das Stopzeichen, das Dreiviertel der Saarländer dem Saartrommler Heinrich Schneider am 13. Mai gesetzt haben, hat nicht nur die deutschfranzösische Verständigung über die Saar erleichtert, sondern ist auch ein Beweis dafür, daß die.Mehrheit der Saarländer die Lösung der Saarfrage nicht um den Preis einer deutsch-französischen Entzweiung erkaufen will, zumal sich auch die wirtschaftlichen Probleme der Saar nur dann lösen lassen, wenn die Saar Brücke nicht Sprengkammer zwischen Deutschland und Frankreich wird. Um so dringender ist jetzt die Aufgabe der inneren Befriedung an der Saar. Diese aber ist nur möglich, wenn die Schneider-sche Hetzkoalition gegen Frankreich und die. „Separatisten“ ein für allemal beendet wird durch die Zusammenfassung der christlichen Kräfte des Landes.

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