In den letzten Wochen hat der Moral-Rigorismus mancher Demokratiehüter aus den Freiheitlichen eine Lepra-Partei gemacht, denen niemand im Parlament auch nur nahe kommen durfte, während eine rot-gelb-grüne Ampelkoalition schon fast als Inbegriff vollendeter Demokratie gefeiert wurde. Von Schüssel wurden (selbst aus der eigenen Partei heraus) pausenlos Schwüre gegen ein Bündnis mit der FPÖ gefordert. Der Demokratie wurde damit nicht unbedingt der beabsichtigte Dienst erwiesen. [...]
In der Fernsehdebatte mit Haider hat Schüssel eine genügend klare Abgrenzung zum FPÖ-Führer persönlich getroffen: Ein blauer Vizekanzler Haider ist unter Schüssel nicht denkbar -eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, falls die SPÖ für eine Erneuerung der jetzigen Koalition aus welchen Gründen immer nicht zu haben ist, aber schon. Fanatiker politischer Reinheit schreckt dieser Gedanke, aber es können ja schließlich nicht alle Parteien in Opposition gehen. Eine ganze Partei von der Stärke der Freiheitlichen auf Dauer mit einem Bannfluch zu belegen und damit auch gleich deren Wähler, schafft ein Ausmaß von Verbitterung und Frust, das der Demokratie gefährlicher werden könnte als eine behutsame Einbeziehung der FPÖ in das normale Kräftespiel des Parlaments. Daß daraus nicht gleich eine feste Koalition wird, ist jetzt in die Hände der SPÖ ebenso wie in jene der ÖVP gelegt. Nr. 47 /23. November 1995
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