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Je mehr neue Minister, desto besser

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Raiffeisen-Generalsekretär Ferdinand Maier, Ex-Generalsekretär der ÖVP, über die mißliche Lage der Volkspartei.

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Raiffeisen-Generalsekretär Ferdinand Maier, Ex-Generalsekretär der ÖVP, über die mißliche Lage der Volkspartei.

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DIEFÜRCHE: Wen oder was machen Sie für die Wahlniederlage verantwortlich? Ist es die strategische Position als Juniorpartner in der Koalition oder sind es hausgemachte Fehler?

FERDINAND MAIER: Einerseits gibt es einen internationalen Trend hin zu mehr Parteien. Andererseits ist es natürlich die strategische Ausgangsposition: wenn es der größere Partner in der Regierung nicht zuläßt, ist es äußerst schwierig, daß der Juniorpartner Profil zeigt. Es ist sicher nicht gelungen, darzustellen, was die ÖVP alles erreicht hat und in welchem Spannungsverhältnis innerhalb der Koalition Sachprobleme gelöst werden. Und wenn dieses Spannungsverhältnis dargestellt wurde, dann hat es immer geheißen, da wird nur gestritten. Es hat offensichtlich noch niemand ein Patentrezept für den Zweiten in einer Koalition gefunden - weder in Österreich noch im Ausland.

DIEFüRCHE: Bei einer Neuauflage der Großen Koalition ist also die nächste Wzhlniederla- ge vorprogrammiert...

MAIER: Ich habe gesagt, wenn der größere Regierungspartner nicht will, daß der Junior partner Profil gewinnt. Deswegen muß geklärt werden, ob es mehr Freiraum für beide Partner geben wird - in der Verhandlungsführung, im Umgang miteinander, in der Präsentation. Das heißt auch andere Kompetenzen: es ist nicht mehr zeitgemäß, daß ein Ressort ein oder zwei andere Ressorts dazu braucht, um irgendetwas umzusetzen. Davon wird man sich verabschieden müssen.

DIEFÜRCHE: Aber das Grundproblem bleibt: demonstrieren SPÖ und ÖFP Einigkeit, heißt es, es gibt eine Einheitspartei Zeigen beide hingegen mehr eigenständiges Profil, so heißt es, die Koalition streitet...

MAIER: Wichtig wird sein, welche große Brocken nimmt sich die Koalition vor, welche Sachprobleme will sie lösen. Die EU-Volksabstimmung hat ja gezeigt, daß gute Arbeit honoriert wird. Und das muß sich in den anderen Sachfragen fortsetzen, nur so können sich beide Regierungsparteien profilieren.

DIEFURCHE: Welche Sachthemen sollten das sein?

MAIER: Das ist natürlich die große Frage Budgetkonsolidierung versus Wirtschaftsklima. Also ob es zu einer Steuerreform kommt und wie schaut sie aus? Notwendig wäre eine deutliche Tarifentlastung wie 1988, um Kauf- kraftimpulse zu geben. Das gehört dargestellt und rasch und termingerecht verwirklicht und nicht auf die lange Bank geschoben. Der nächste Bereich ist natürlich’ das Ge sundheitssystem mit der Spitalsfinanzierung. Der dritte Bereich ist das Sozialsystem - wobei keine Verunsicherung entstehen darf. Diejenigen, die etwas brauchen, sollen das auch bekommen, diejenigen, die es nicht brauchen, sollen aber keine Schlupflöcher finden. Auch da ist bisher viel diskutiert worden, ohne daß sich jemand getraut hätte, dieses heiße Eisen auch tatsächlich anzufassen. Letztlich ist das alles aber eine Frage eines neuen politischen Managements.

DIEFURCHE: Ist es überhaupt vorstellbar, daß dieselben Minister auf einmal ganz anders agieren als bisher?

MAIER: ES wäre zum Beispiel ein Zeichen der Erneuerung, wenn man sich ^uf einen parteiunabhängigen Finanzminister einigt.

DIEFURCHE: Sie meinen also eine inhaltliche Erneuerung der Koalition ohne eine personelle Erneuerung ist zuwenig? MAIER: Je neuer das Erscheinungsbild der Regierung durch neue Minister ist, desto besser ist es. Das ist gar keine Frage.

DIEFURCHE: Sollte dieser neue Stil der Koalition nicht möglich sein, was dann?

MAIER: Wenn einer der Verhandlungspartner sich nicht bewegen will, disqualifiziert er sich selbst. Dann ist er eigentlich nicht zur Koalition bereit. Daher rechne ich doch mit konkreten Ergebnissen.

Mit Ferdinand Maier sprach Norbert Stanzel

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