Serbischer Machtkampf

Werbung
Werbung
Werbung

Serbien wählt einen neuen Präsidenten. Absurderweise spitzt sich gerade der Wahlkampf um das politische Amt mit dem

Wird das Ergebnis der serbischen Präsidentenwahlen vom kommenden Sonntag zur politischen Konsolidierung der größten der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken beitragen? Eher im Gegenteil: Ihr Ausgang wird den Auftakt zum entscheidenden Kampf um die Macht in Serbien bilden.

Den über sechs Millionen Wahlberechtigten präsentieren sich elf Bewerber. Aber die Entscheidung wird zwischen zwei von ihnen fallen: Dem derzeitigen Präsidenten, der nur noch auf dem Papier existierenden "Bundesrepublik Jugoslawien" Vojislav KosÇtunica und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Jugoslawiens Miroljub Labus. Die anderen haben keine Erfolgsaussichten, auch wenn sie im politischen Leben Serbiens des letzten Jahrzehnts nicht unbekannt sind: Wie der Führer der konservativen "Serbischen Erneuerungspartei" Vuk DrasÇkovic´ oder der Chef der extrem nationalistischen "Radikalen Partei" Vojislav Seselj, der übrigens auch auf der Kriegsverbrecherliste des Haager Tribunals zu finden ist. Oder auch der Exgeneralstabschef der Jugoslawischen Armee Nebojsa Pavkovic´, der in diesem Frühjahr von KosÇtunica seines Postens enthoben wurde.

MilosÇevic´ hat Hand im Spiel

Schließlich hatte bei der Ernennung der Kandidaten auch noch der in Den Haag einsitzende jugoslawische Expräsident Slobodan MilosÇevic´ seine Hand im Spiel. Er betrachtet sich noch immer als Vorsitzender der "Serbischen sozialistischen Partei" und in dieser Eigenschaft ernannte er Branislav Ivkovic´ zum Präsidentschaftskandidaten der Partei. Dieser ist allerdings nicht der einzige Bewerber der serbischen Linken. Wie ja überhaupt diese Präsidentschaftswahlen dadurch gekennzeichnet sind, dass die zwei großen politischen Blöcke, die die serbische Politik im letzten Dezennium geprägt haben - zunächst der linke sozialistische von MilosÇevic´ geführte, ab Herbst 2000 dann das demokratische Parteienbündnis DOS - sich im Zerfall befinden.

Keine Macht für Präsidenten

So kommen die beiden aussichtsreichsten Kandidaten, Labus und KosÇtunica, aus dem gleichen nicht-sozialistischen politischen Umfeld. Der Hintergrund von Labus ist die Gruppe "G17 plus", eine Vereinigung parteiloser Wirtschaftler, der unter anderem auch der derzeitige Präsident der jugoslawischen Nationalbank Dingic´ angehört und die sich für Wirtschaftsreformen einsetzt. Labus gilt daher auch als der Repräsentant der Reformkräfte in Serbien und als Vertreter eines klaren Pro-Europa Kurses. Formell wurde er zwar von einer Art Bürgerinitiative aufgestellt, entscheidend unterstützt wird er aber vom serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic´ und dessen "Demokratischer Partei" (DS).

Das macht ihn zum Hauptangriffsziel von KosÇtunica. Immer mehr wird nämlich die serbische Innenpolitik zu einer Auseinandersetzung zwischen KosÇtunica und Djindjic´. Der endgültige Bruch zwischen den beiden Politikern, die an der Spitze jener Kräfte standen, die MilosÇevic´ stürzten, trat ein als Djindjic´ die Abgeordneten von KosÇtunicas "Serbische demokratische Partei" mit der Begründung aus dem serbischen Parlament ausschloss, sie sabotierten die Regierungsarbeit. KosÇtunica kann sich auch ausrechnen, dass, sollte Labus und damit im Hintergrund auch Djindjic´ bei den Präsidentenwahlen siegen, seine persönliche politische Zukunft in Frage steht. Denn selbst wenn Serbien und Montenegro in einem gemeinsamen Staat bleiben sollten - was übrigens noch gar nicht sicher ist, da beide Seiten sich noch immer nicht auf ein gemeinsames Grundgesetz geeinigt haben - wird es für ihn keinen einflussreichen "jugoslawischen" Präsidentenposten mehr geben. Da heute schon fest steht, dass ein solcher ohne Machtbefugnisse sein wird. Deswegen hat KosÇtunica bereits angekündigt, dass er, sollte er siegen, gleich eine neue Verfassung Serbiens ausarbeiten lassen und Neuwahlen ausschreiben würde.

Er hofft dabei, dass bei den Wahlen am 29. September vor allem die Stimmen des nationalkonservativen Teils der Wählerschaft auf ihn fallen werden und entsprechend schlägt er auch bei seinen Auftritten in der Provinz nationalistische Töne an. So erklärte er zum Beispiel in Mali Zvornik an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina, dass die gegenüberliegende Republika Srpska nur vorübergehend von Serbien getrennt sei und "immer unser war". Das erregte nicht nur im Bereich des ehemaligen Jugoslawiens, sondern auch außerhalb größtes Aufsehen, sodass sich KosÇtunica bei der UNO in New York gezwungen sah, seine Äußerung insofern zurück zu nehmen, als er betonte, er habe keineswegs die derzeitigen Grenzen der jugoslawischen Nachfolgestaaten in Frage stellen wollen.

Eine zweite Runde möglich

Für die Zukunft Serbiens und seine Beziehungen zu den Nachbarn und zu Europa werden diese Präsidentenwahlen somit von großer Bedeutung sein. Ob sie allerdings schon am Sonntag eine Entscheidung zwischen Labus und KosÇtunica bringen, ist offen. Einer von beiden müsste die absolute Mehrheit der Stimmen erringen und das dürfte - nach derzeitigem Wissensstand - wohl keinem gelingen. Ein zweiter Wahlgang im November ist deshalb nicht auszuschließen, und der Machtkampf um Serbien ginge in die nächste Runde weiter.

Der Autor war langjähriger Südost-Europa-Korrespondent und ist ein ausgewiesener Balkan-Experte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung