"Wachstum schlägt Ethik"

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Zahlreiche - vor allem große - Unternehmen werben mit ihrem sozialen oder ökologischen Engagement. Managementberater Peter W. Eblinger sieht dabei allerdings die "Gefahr einer gewissen Doppelzüngigkeit".

Die Furche: Derzeit ist in zahlreichen Diskussionen, teils unter reger Beteiligung hochkarätiger Manager, von der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung - Corporate Social Responsibility (CSR) genannt - die Rede: Immer mehr Firmen heften sich ihr soziales oder ökologisches Engagement auf die Fahnen. Sehen Sie auch in der Managementberatung einen Trend zu diesem Thema?

Peter W. Eblinger: Nein, ich merke nichts davon. Zwar wird die Chancengleichheit für Frauen verstärkt thematisiert, auch sind viele Unternehmen dazu übergegangen, statt Weihnachtsgeschenke zu verteilen, den dafür vorgesehenen Betrag gemeinnützigen Organisationen zu spenden. Aber dass die gesellschaftliche Verantwortung allgemein in der Beratung thematisiert wird, indem sie etwa ins Leitbild integriert wird, davon merke ich nichts. Das ist kein Thema in der Strategieberatung.

Die Furche: Worauf führen Sie es zurück, dass das Thema nach außen als sehr wichtig kommuniziert wird, in der Beratung aber keine Rolle spielt?

Eblinger: Ich glaube, dass CSR im Prinzip ein Trend ist, der wahrscheinlich damit zu tun hat, dass die Grünbewegung in ganz Europa und auch in Österreich sehr stark im Zunehmen ist. Und daher kommen ja auch die Impulse. Im Moment merkt man vermutlich deshalb weniger davon, weil wir in einer wirtschaftlich schwierigen Phase sind, und da wird überall eingespart. Wahrscheinlich auch in diesem Bereich. Es ist eben einfacher, in so einer Zeit beim Engagement für die Umwelt Geld zu sparen. Das wird dann schlichtweg unter den Teppich gekehrt, denn ich denke, dass Ethik teuer ist. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sie in dem Moment, in dem es wieder besser geht, auch wieder wichtiger wird.

Die Furche: Die Industriellenvereinigung bietet ein CSR-Leitbild, das sehr allgemein formuliert ist und nur eine Richtung vorgibt, die die einzelnen Unternehmen selbst konkretisieren sollen. Wie müssen sie dabei vorgehen?

Eblinger: Das müsste in sehr vielen Sitzungen, gemeinsam mit den Führungskräften, erarbeitet werden. Managementberater begleiten diesen Prozess nur und moderieren ihn und führen die Entscheidungsträger im Brainstorming dahin, wo sie selber hin wollen. Es macht keinen Sinn, selber etwas vorzuschlagen oder zu sagen, was der Kunde machen muss.

Die Furche: Wie sehr müssen die Mitarbeiter in diesen Prozess eingebunden werden?

Eblinger: Visionen und Leitbilder müssen von oben kommen. Dann müssen sie nach unten gut kommuniziert und verkauft werden. Die Mitarbeiter müssen dafür gewonnen werden, dass sie danach leben und handeln.

Die Furche: Welchen Anforderungen muss ein solches Leitbild gerecht werden?

Eblinger: Denselben, denen jede Unternehmensstrategie gerecht werden muss. Es muss so ausgerichtet sein, dass es nicht zu kompliziert ist, die Mitarbeiter müssen es verstehen und danach handeln können. Es muss aber auch noch ein Spielraum für Entscheidungen bleiben. Vor allem muss es auch tatsächlich lebbar sein. Es hat keinen Sinn, wenn man sich in moralische Höhen begibt, um möglichst toll dazustehen, aber übersieht, dass die Mitarbeiter hinter dem Rücken des Chefs sagen: "Das hat er sich ja nett ausgedacht, aber wie sollen wir das machen?" Andererseits ist es schon oft so, dass man nur 70 Prozent bekommt, wenn man 100 Prozent als Ziel vorgibt. So gesehen darf man schon ein bisschen übertreiben, aber es muss erkennbar sein, dass es im Großen und Ganzen machbar ist.

Die Furche: Halten Sie es für möglich, dass Wirtschaftsethik nur ein PR-Gag ist, oder sind die Kontrollmöglichkeiten von außen, durch Kunden und Investoren, gut genug, das zu verhindern?

Eblinger: Die Gefahr einer gewissen Doppelzüngigkeit besteht auf jeden Fall. Speziell bei den ganz großen Unternehmen, die das Thema im Marketing ausschlachten, und dann merkt man, dass dahinter doch einiges schief läuft. Ich denke, das liegt auch in der Natur von cleveren - also guten - Managern, dass sie in dem Thema eine Möglichkeit wittern, ihr Unternehmen besser darzustellen. In ihren eigenen Moralbegriffen sind sie dann leider oft großzügiger.

Die Furche: Wird sich das rächen? Oder kommen die Unternehmen, die das so machen, ungestraft davon?

Eblinger: Es wird sich nur dann rächen, wenn der Druck von der Gesellschaft kommt. Sonst sicher nicht. Und da ist meine große Hoffnung, dass die junge Generation mehr Druck macht und auf diese Dinge wert legt. Und die Grünbewegung besteht ja überwiegend aus jungen Leuten, für die CSR ein wirkliches Anliegen ist und nicht nur ein Lippenbekenntnis. Sie müssen immer mehr und mehr Druck machen, auch intern in den Betrieben. Wenn nämlich ein Geschäftsführer merkt, dass sehr viele seiner jüngeren Mitarbeiter solche Forderungen an das Unternehmen haben, dann muss er handeln. Wenn es diesen Druck nicht gibt, werden die ökonomischen Zwänge immer vorherrschen. Wir leben eben nach wie vor in einer Welt, die von Geld regiert wird. Im Moment ist der Druck jedenfalls noch bei weitem nicht groß genug.

Die Furche: Lässt sich irgendwie messen, wie weit ein Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt?

Eblinger: Nein. Aber es lässt sich feststellen, ob die Verantwortung thematisiert wird und wie der Geist ist, der in einem Unternehmen vorherrscht. Man kann Tendenzen spüren.

Die Furche: Es ist also von außen, für Kunden und Investoren, nicht einsehbar, ob eine Firma sich ethisches Handeln nur auf die Fahnen heftet oder auch tatsächlich danach handelt?

Eblinger: Nicht wirklich. Es ist ja sehr einfach, eine Liste zu veröffentlichen, auf der steht, worauf man achtet und was man alles macht, gleichzeitig in anderen Bereichen aber jegliche Moral über Bord zu werfen.

Die Furche: Wäre es sinnvoll, eine Zertifizierung einzuführen, die dem Kunden oder Investor garantiert, dass das jeweilige Unternehmen auf sein soziales und ökologisches Verhalten hin überprüft wurde?

Eblinger: Ich halte von Zertifizierungen gar nichts. Es geht hier um Dinge, die im Kopf passieren müssen, um Dinge, bei denen es um Verhalten geht. So etwas kann man nicht zertifizieren. Am Beispiel der Unternehmensberatungen sieht man das gut: Als hier die Möglichkeit der ISO-Zertifizierungen eingeführt wurde, waren genau die Berater sofort zertifiziert, von denen die ganze Branche weiß, dass sie die unsolidesten und unkorrektesten sind.

Die Furche: Sie sagen, Sie hoffen auf den Druck der Jungen, um CSR in den Firmen zu etablieren. Glauben Sie, dass dieser Druck kommen wird, dass die gesellschaftliche Verantwortung also Thema bleibt? Oder ist es eine vorübergehende Modeerscheinung?

Eblinger: Es wird Thema bleiben müssen. Denn es hängt sehr stark damit zusammen, wie es mit unserer Gesellschaft und unseren Umweltbedingungen weitergeht und ob wir in ein Chaos marschieren oder nicht. Wenn es nicht ein Umdenken gibt, dann lässt sich extrapolieren, wo es hingeht. Daher denke ich, dass die nächsten Generationen dieses Thema intensiver aufgreifen werden als etwa die Nachkriegsgeneration, deren Thema es war, alles wieder aufzubauen. Bei uns ging es nur um reines Wachstum. Jetzt haben wir die Generation, die hinein geboren wurde ins Alles-Haben. Die wird draufkommen, dass es jetzt eben auch darum geht, dass wir uns nicht selber die Nabelschnur abschneiden.

Die Furche: Muss sich ein Unternehmen entscheiden zwischen Wachstum und Ethik?

Eblinger: Momentan leben wir in einer Wirtschaft, in der es ohne Wachstum nicht geht. Ein Null-Wachstum wird schon als negativ gesehen. Es muss uns immer noch besser und noch besser gehen, was zu hinterfragen wäre. Es ist eine Frage des Wettbewerbs. Wenn immer die Angst besteht, dass derjenige, der es sich leistet, ethische Grundregeln einzuhalten, der Verlierer ist gegenüber jenen, die das nicht machen, ist es schwierig. Da wäre auch der Staat gefragt, Anreize zu biete, etwa Steuererleichterungen. Wobei ja auch in vielen Fällen diese Anreize nichts nützen, was man bei den Steuererleichterungen für die Einstellung Älterer oder Behinderter sieht, Gerade das würde ja auch zur gesellschaftlichen Verantwortung gehören. Aber viele Firmen nehmen sogar lieber eine Strafe hin, als dass sie dieser Verantwortung nachkommen. Im Moment spielt also fast nur das Wachstum eine Rolle, die Ethik dagegen noch kaum, wenn auch die Hoffnung besteht, dass sich in den vergangenen zehn Jahren doch schon ein bisschen etwas getan hat.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag.

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