Wie halten Sie es mit Jesus? Diese Frage könnte nun wieder öfter kommen. Denn Benedikt XVI. selbst hat zu seinem Geburtstag ein zentrales Projekt christlicher Sinnstiftung begonnen, das momentan die Kassen der Buchhandlungen klingeln lässt. Kardinal Schönborn verriet bei der Buchpräsentation in Rom: Rabbiner Jacob Neusner habe ihn dazu angeregt, durch sein Buch Ein Rabbi spricht mit Jesus.
Joseph Ratzinger ist der historische Jesus zu mager geworden, den die Wissenschaft übriggelassen hat. Alles begann mit Julius Wellhausens Feststellung: "Jesus war nicht Christ, sondern Jude." Die theologische Forschung in der Folge dieser Erkenntnis hat den Christus hinter der Gestalt Jesu immer fadenscheiniger werden lassen. Auch Juden waren dem Juden Jesus auf der Spur: Abraham Geiger, Joseph Klausner, Leo Baeck, David Flusser, Pinchas Lapide, Schalom Ben-Chorin. Diese seit dem 19. Jahrhundert zu beobachtende "Heimholung Jesu" ins Judentum ist aber nicht grundsätzlicher Natur, sondern lebt aus einem apologetischen Impuls. Juden wollten Juden bleiben und trotzdem Teil der christlichen Gesellschaft sein. Wie gut also, dass selbst Jesus Jude war.
Tatsächlich hat die Frage, wer Jesus war oder gewesen sein mag, für die meisten Juden so gut wie keine Bedeutung. Auf dem "Weltkongreß für freies Christentum und religiösen Fortschritt" 1910 sprach sich der jü-dische Philosoph Hermann Co-hen gegenüber Adolf von Harnack gegen jegliche religiöse Stiftergestalt aus: "Alle Anknüpfung der Religion aber an eine Person setzt sie der Gefahr des Mythos aus. Denn der Grundsinn des Mythos ist die Personifikation alles Unpersönlichen".
Benedikt XVI. hat dem Mythos von Jesus als dem Christus gerade wieder neuen Glanz verliehen. Das ist sein Job. Rabbi Neusner allerdings wird er nicht überzeugen.
Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.
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