Kehrseite der Ökumene

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Die Freude über das gemeinsame Sozialwort der vierzehn christlichen Kirchen in Österreich ist angebracht. Ebenso der Respekt für die Leistung der Katholischen Sozialakademie und die Vertreter der Kirchen im Erarbeitungskomitee. Adressaten des Sozialwortes, so heißt es, sind nicht nur Gesellschaft und Politik, sondern auch die Kirchen selbst, deren eigene "Sozialpraxis" und deren "Basis", die Kirchengemeinden und -mitglieder. Insofern es sich um ein ökumenisches Sozialwort handelt, sind aber auch Rückfragen an die Ökumene angebracht.

Die Freude über das gemeinsame Sozialwort hat nämlich auch eine nüchterne Kehrseite: dass es gleichzeitig und nach wie vor so viel Nicht-Gemeinsames gibt, das die Existenz von 14 verschiedenen Kirchen rechtfertigt. Dass man vor dem Verfassungskonvent zwar mit gemeinsamen Erwartungen an eine neue Verfassung auftritt, aber eben zu vierzehnt, während beispielsweise im Parlament vier Parteien vertreten sind. Der gemeinsame Blick auf den Menschen, auf die Würde des Menschen und die Bedrohungen der gesellschaftlichen Achtung dieser Würde hat das gemeinsame Sozialwort möglich gemacht. Ist es vielleicht der Blick der Kirchen auf sich selbst statt auf den Menschen, auf die eigenen Traditionen und Strukturen, die eigenen Einflusssphären, der Blick auf einander und auf das von einander Unterscheidende, der die wesentlichen Schritte zur Einheit noch immer unmöglich macht?

Der gemeinsame Blick auf Jesus Christus wird die Kirchen von selbst zusammenführen, heißt es immer wieder. Auf den Christus der eigenen Tradition oder auf Christus und dessen Weg zum Menschen, dessen Beginn wir im Advent und zu Weihnachten feiern? Und aus dem heraus wohl auch das Sozialwort geschrieben ist.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger.

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