Huub Oosterhuis - © Foto: © Julia Rathcke / KNA

Zum Tod von Huub Oosterhuis: „Bis wohin gehst du mit mir?“

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Er war ein Erneuerer religiöser Sprache und der Liturgie im Gefolge des II. Vatikanums. Obwohl Niederländer, blieb er auch im deutschen Sprachraum wirkmächtig. Am Ostersonntag ist er 89-jährig verstorben.

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Er war ein Erneuerer religiöser Sprache und der Liturgie im Gefolge des II. Vatikanums. Obwohl Niederländer, blieb er auch im deutschen Sprachraum wirkmächtig. Am Ostersonntag ist er 89-jährig verstorben.

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Einer der aus dem Licht
mir entgegenkam
küsste seinen Namen auf meine Lippen.

Diese Zeilen aus dem Gedicht „Ankunft“, im bislang letzten, 2021 auf Deutsch erschienenen Gedichtband von Huub Oosterhuis, könnten als Ostergedicht verstanden werden. Doch in diesen Tagen liest man sie als die unnachahmlich persönlichen Zukunftsworte eines eben Gegangenen: Denn am 9. April, dem Abend des Ostersonntags 2023, ist Oosterhuis in Amsterdam verstorben, wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag.

Hör mich, sei nicht Totenstille.
Gib mir Antwort, wenn ich rufe.
Aus dem Abgrund hör mich rufen
Gib mir Raum weit, wie den Himmel.

So lautet eine andere Oosterhuis-Gedichtzeile, die freie Übertragung des biblischen Psalm 4 und zu einer Melodie von An­toine Oomen zu singen, einem der drei niederländischen Komponisten – neben dem 2003 verstorbenen Bernard Hujibers und Tom Löwenthal –, die Oosterhuis’ Sprache mit Melodien versehen haben.

In obigem Beispiel kulminiert auch das Sprach-, Glaubens- und Gebetsverständnis des Neuerers religiöser Sprache – ein Niederländer, der aber auch im deutschen und im englischen Sprachraum wirkmächtig war: Es gehe darum, bei den biblischen Dichtern „in die Lehre zu gehen“, solches hat Oosterhuis auch in seinen Interviews mit der FURCHE betont. Und er wolle dies in einer Sprache tun, die es auch heute möglich macht, von Gott zu sprechen – wobei im Lauf der Jahre das Wort „Gott“ in der Sprache von Oosterhuis immer mehr zurücktritt, obwohl er weiter ständig von einem, von einer wie Gott redet: Dennoch, dennoch klamm’re ich mich fest an dir, ob du willst oder nicht – so spricht er mit und über Gott in einer Paraphrase zu Psalm 13.


Biblische Sprachschule

Die biblische Sprachschule führte bei Oosterhuis zum Ceterum censeo, dass religiöse Rede ein dichterisches Sprechen ist: „Die Bibel spricht in der Sprache der Poesie und nicht in der Sprache der Zeitung“, so Oosterhuis 2008 im FURCHE-Gespräch. Und zuvorderst ging es ihm um das gemeinsame Sprechen, welches für ihn das Singen ist: „Singen ist die Weise, gemeinsam zu sprechen, wenn viele Menschen zusammen sind. Die Sprache der Schrift muss gesungen werden, um die größte Aussagekraft zu erhalten“, meinte Oosterhuis 1989 in einem Interview mit dem Verfasser.

Es war die Zeit kurz vor dem II. Vatikanum, als der damalige Jesuit und Studentenseelsorger Huub Oosterhuis sozusagen mit der Nase darauf gestoßen wurde, Texte mit einem biblischen Hintergrund und für Menschen von heute zu entwickeln. Im katholischen Milieu der Niederlande gab es viel weniger landessprachliche religiöse Ausdrucksformen als im deutschsprachigen Raum. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass hier die Not nach religiöser Sprache so groß war, dass sich im Verein mit einem Genius wie Oosterhuis ein schier unerschöpfliches Œuvre religiöser Sprachkunst entwickelte. Das erste Lied – „Zolang er mensen zijn op aarde“ – ist heute noch auch im deutschsprachigen Kirchengesangsbuch „Gotteslob“ als „Solang es Menschen gibt auf Erden“ zu finden. Es entstand 1959, weil es für die jungen Leute nichts ­Adä­quates zu singen gab. Oosterhuis hat das auch der FURCHE wiederholt erzählt.

Die Initialzündung folgte eben im Verein mit dem Konzil, aber auch im gesellschaftlichen Aufbruch der 1960er, als Ooster­huis Seelsorger in der Amsterdamer „Studentenekklesia“ war. Er und die Mitarbeitenden der Gemeinde entwickelten einen freien liturgischen Stil und eine Sprache, die aus katholischer Binnen- und auch Herrschaftssprache heraustrat.

Wiewohl Oosterhuis also von seinen Wurzeln her durch und durch katholisch war, wurde das Verhältnis zu seiner Kirche eine Konflikt- und Leidensgeschichte, die – wie so oft – auch mit der Zölibatsfrage einherging. 1969 trat Oosterhuis aus dem Jesuiten­orden aus, er heiratete, die „Studentenekklesia“ (heute: „Ekklesia Amsterdam“) entwickelte sich zu einer freien christlichen Gemeinde, die in Verbindung mit der reformierten Kirche steht.

Dennoch wurden Oosterhuis-­Texte ab den 1960er Jahren auch im deutschen Sprachraum katholischerseits rezipiert; ein junger Wiener Mitarbeiter des Herder-Verlags, Peter Pawlowsky, der später prominenter Religionsjournalist werden sollte, gehörte zu den Oosterhuis-Übersetzern der ersten Stunde.

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