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Gleiches Rentenunredit für alle?

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Durch die Pensionsversicherung soll dem privaten Dienstnehmer in An-gleichung an die Pension der öffentlich Angestellten eine möglichst an das Arbeitseinkommen heranreichende Altersrente gesichert werden. Rein äußerlich wurde diese Angleichung mit dem Ersatz des Wortes Altersrente durch das Wort Pension vollzogen. Hierbei wurde allerdings nicht berücksichtigt, daß eine Pension in der Regel vom Dienstgeber für geleistete treue Dienste als Belohnung und Fürsorgemaßnahme gezahlt und als Betriebsausgabe verrechnet wird, während man unter einer Rente als res redita die ratenweise Rückzahlung eines Kapitals versteht. Wird die Dauer der Rückzahlung an das Leben einer Person geknüpft, so entsteht eine Leibrente, ein vom Zufall abhängiges, ein Versicherungsverhältnis.

Der Versicherungsmathematiker errechnet eine eindeutige Beziehung zwischen der Höhe des Kapitals und der Höhe der Leibrente; diese Beziehung wird Anwartschaft genannt.

Um das eingangs erwähnte Ziel zu erreichen, vermischt das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz — ASVG, BGBl. Nr. 189 vom 30. September 1955, einschließlich seiner bisher erschienenen neun Novellen — Versicherungsmaßnahmen und Fürsorgemaßnahmen. Die im Gesetz angeführten Personen werden zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefaßt, die während der Dienstzeit die Mittel aufbringen sollen, die zur Zahlung der Pensionen benötigt werden. Da dies in der Pensionsversicherung der Arbeiter nieht erreicht wird, spricht man von einem mehr oder weniger unerträglichen Defizit in der Sozialversicherung.

Auch die öffentlich Bediensteten müssen während ihrer aktiven Dienstzeit einen Pensionsbeitrag bezahlen; aber ein Blick in das jährlich erscheinende Bundesfinanzgesetz zeigt, daß dieser Pensionsbeitrag bei weitem nicht heranreicht, um die Pensionen zu decken; aber niemand spricht von einem Defizit; man findet es als selbstverständlich, daß die Pensionen der öffentlich Bediensteten aus den allgemeinen Betriebseinnahmen des Staates, nämlich aus den Steuergeldern, und nicht aus den Pensionsbeiträgen gedeckt werden.

Um das bei der Pensionsversicherung der Arbeiter tatsächlich vorhandene, bei der Pensionsversicherung der Angestellten bloß angedrohte, aber nicht bewiesene Defizit zu decken oder zu vermindern, wurden die bekannten Ruhensbestimmungen eingeführt, wodurch die Altersrente, jetzt Pension genannt, gekürzt wird, wenn neben einem Rentenanspruch aus der Pensionsversicherung noch Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt wird und die Summe aus beiden einen gewissen Betrag überschreitet.

Diese Ruhensbestimmungen haben sehr viel Unbehagen ausgelöst, besonders, seitdem durch die 9. Novelle auch das selbständige Erwerbseinkommen erfaßt wurde. Diese Ausdehnung wurde von den maßgebenden Stellen damit begründet, daß infolge der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz die Unselbständigen nicht schlechter behandelt werden dürften als die Selbständigen, die ihre Beiträge zur Pensionsversicherung freiwillig weiterbezahlt haben, und schließlich damit, daß es keinen Schutz wohlerworbener Rechte gäbe.

Die erste Begründung bedeutet gleiches Unrecht für alle; dies will weder Art. 2 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 noch Art. 7 der geltenden Bundesverfassung sagen: wenn aber gleiches Unrecht für alle, dann müßten die Ruhensbestimmungen auch auf die Pensionen der Bundes-angestellten angewendet werden!

Nun ist es zwar richtig, daß die österreichische Verfassung keinen Schutz wohlerworbener Rechte kennt; aber das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet zwischen entgeltlich und unentgeltlich erworbenen Rechten, obwohl es beide Erwerbsarten schützt. Jeder Beschenkte kann,so wie jeder Käufer einer Ware, seinen gültig erworbenen Anspruch gerichtlich durchsetzen. Aber das ABGB berücksichtigt den in einer freien Wirtschaft geltenden und im Naturrecht verankerten Grundsatz der Äquivalenz, der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.

Hat bei einem entgeltlichen Erwerb ein Teil nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, yon dem gemeinen Wert erhalten, so kann er die Aufhebung dieses Geschäftes verlangen. Auch der Geschenkgeber kann, wenn sich der Beschenkte gegen ihn eines groben Undankes schuldig macht oder wenn er selbst in Dürftigkeit gerät, die Schenkung ganz oder teilweise widerrufen. Die Möglichkeit des Widerrufes gilt auch für alle aus der Fürsorge entspringenden Leistungen. Dem Bedürftigen soll aus den Mitteln des Reichen nur so weit und so lange geholfen werden, als er es unbedingt nötig hat.

Eine Möglichkeit zur Sanierung des Systems ergibt sich aus der Trennung der im ASVG für die Pension enthaltenen, aus der Fürsorge entsprungenen Bedingungen von den tatsächlichen Versicherungsleistungen:

Bei der Pensionsberechnung werden die Beitragsmonate und die Ersatzmonate addiert; die Beitragsmonate sollten, das verlangt die Vernunft', als entgeltliche Erwerbsarten aber einen höheren Schutz als die Ersatzmonate, die lediglich Fürsorgemaßnahme sind, genießen. Als eine allseits befriedigende Sofortmaßnahme könnten die Ruhensbestimmungen so gefaßt werden: „Wird neben einem Rentenanspruch aus der Pensionsversicherung noch Erwerbseinkommen erzielt, so ruht die Rente mit dem Betrag dieses Erwerbseinkommens, höchstens jedoch mit dem auf Anrechnung von Ersatzzeiten beruhenden Rententeil.“ Das heißt mit anderen Worten, daß die während der lebenslangen Berufstätigkeit einbezahlten Summen gerechterweise unangreifbar gemacht werden!

Der durch Entgelt erworbene Anspruch der Pension darf nicht mehr von der Bedingung abhängig sein, daß „der Versicherte am Stichtag in der Pensionsversicherung nicht pflichtversichert ist“. Die im 253 ASVG enthaltene Bestimmung kann, juristisch gesehen, sofort aufgehoben werden.

Der Vergleich mit anderen Pensionsversicherungen ist nur unter Berücksichtigung der Aufspaltung in Fürsorge 1 e i stung und echte Ve^sicherungslei-s t u n g zulässig. Auch bei einem selbständig Erwerbstätigen der gewerblichen Wirtschaft oder bei einem landwirtschaftlichen Zuschußrentner wird man nur dann die Zuerkennung der Rente von der Übergabe des Betriebes abhängig machen können, wenn die Rente nicht durch Anwartschaften, sondern nur durch Fürsorgemaßnahmen gedeckt ist.

Neben diesen Sofortmaßnahmen ist noch eine Reihe anderer Maßnahmen notwendig, um das Pensionsproblem auf lange Zeit zu ordnen. Diese Maßnahmen lassen sich allein aus dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit ableiten, der in all jenen Ländern nicht beliebt ist, in denen man die Taktik der Verschleierung liebt.

So ist zum Beispiel die bisherige Methode der Berechnung der Rente, jetzt Pension genannt, eine Fürsorgemaßnahme, da schon durch 180 Versicherungsmonate, die auch zum Teil Ersatzzeiten sein können, 50 Prozent der höchst möglichen Rente erworben werden, während für die Erwerbung der restlichen 50 Prozent der Rente eine doppelt so große Anzahl von Versicherungsmonaten erforderlich ist, wobei noch als Kuriosum der Umstand zu vermerken ist, daß den einzelnen Versicherungsmpnaten bei „der Steigerung der Rente verschiedene Gewichte zukommen.

Aber auch die Länge der Beitragsmonate ist nach der bisherigen Methode verschieden. So können bereits 15 Tage, für welche als versicherungs-

Pflichtige Beschäftigung ein Beitrag entrichtet wurde, als ein ganzer Monat gerechnet werden, während Beitragsmonate einer freiwilligen Versicherung nur zur Hälfte angerechnet werden.

Die endgültige Sanierung könnte leicht auf den Grundlagen der deutschen Pensionsversicherung durchgeführt werden, auf welchen auch die in der österreichischen Monarchie mit Wirkung vom 1. Jänner 1907 eingeführte Pensionsversicherung der Angestellten beruhte.

So könnte für die Berechnung der Rente folgender Schlüssel gewählt werden: „Der monatliche Grundbetrag beträgt 12,5 Prozent der Bemessungsgrundlage; als monatlicher Steigerungsbetrag gebühren für je zwölf anrechenbare Beitragsmonate 15 Prozent der Bemessungsgrundlage ..Als Fürsorgemaßnahme kann bestimmt werden, daß die Pension aber mindestens, j„x . Prozent der Bemessungs.-grundlage betragen muß. Diese Differenz auf x Prozent müßte als Fürsorgemaßnahme, und nicht als Defizit der Sozialversicherung aus Steuergeldern gedeckt werden.

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