Naomi war nicht zickig

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Die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums bekamen durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten ihre Gesprächsthemen in Echtzeit serviert.

Wer das am Sonntag zu Ende gegangene 38. Weltwirtschaftsforum mitverfolgt hat, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Veranstaltung diesmal ganz ohne Mitwirkung des Showbusiness über die Bühne ging. Kein Davos-Adabei wie Bono oder Naomi Campbell lachte von den Titelseiten der Zeitungen, stattdessen blickten einem besorgte Gesichter von Finanzministern und Konzernchefs entgegen, die nur eines im Sinn hatten: Die internationale Finanzkrise und ihre unüberschaubaren Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Vom Zauberberg weit und breit keine Spur.

Wohl zum ersten Mal seit den Ereignissen des 11. September 2001 erlebte Davos dieser Tage einen derart frontalen Zusammenstoß mit der Wirklichkeit. Der Optimismus des vergangenen Jahres, als ein Rekordwachstum der Weltwirtschaft gefeiert wurde, wirkt rückblickend betrachtet als geradezu gefährlich naiv. Das von Apologeten der bisherigen US-Finanzpolitik beschworene Bild von einer "Goldlöckchen-Ökonomie" in den Vereinigten Staaten - Wachstum ohne Inflation, Defizite ohne Folgewirkungen und ein ewiger Steigflug der Grundstückspreise - erwies sich als genauso realistisch wie das Märchen von Goldlöckchen und den drei Bären. Stattdessen gaben die hoch verschuldeten US-Verbraucher w.o., die Immobilienpreise setzten spätestens Mitte des vergangenen Jahres landesweit zum Sinkflug an (eine Situation, die es in den USA seit der Großen Depression der 1930er Jahre nicht mehr gegeben hat) und an den Finanzmärkten liegen seither die Nerven blank.

Für den Gipfel in Davos hatte das eine positive und eine negative Folge. Positiv war die Tatsache, dass die oft mühsame Suche nach passenden Inhalten weitgehend entfiel - die Krise an den Börsen entfaltete sich in Echtzeit vor den Augen der rund 2500 Teilnehmer, während bei den Kamingesprächen über Ursache, Wirkung und Ausweg aus dem Schlamassel diskutiert wurde. Dabei fiel auf, dass die Diagnosen mit zunehmender fachlicher Entfernung optimistischer ausfielen: In den düstersten Farben wurde die Lage von Börsianern ausgemalt, Unternehmer (vor allem jene aus Indien und Russland) waren hingegen relativ zuversichtlich. Die von Klaus Schwab im Jahr 1971 gegründete Veranstaltung erfüllte somit ihren Zweck, die Entscheidungsträger konnten sich heuer so gut inhaltlich befruchten wie schon lange nicht mehr.

Staatliche Hilfe jetzt?

Die Kehrseite der Medaille: In aller Deutlichkeit offenbarte sich, dass die Entscheidungsträger diesmal nicht auf den grünen Zweig kommen. Während sich Politiker wie Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gegen hektischen Aktionismus aussprachen (er schaffte es mit seiner Aussage zum Thema EZB-Zinssenkung auf Platz eins bei den politischen Schlagzeilen der Nachrichtenagentur Bloomberg), forderten Volkswirte ein rasches Eingreifen des Staates. So manch einer warf dabei seine Prinzipien über Bord: IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn schlug als Gegenmittel notfalls auf Pump finanzierte Konjunkturpakete vor. Noch vor wenigen Jahren lehnte der Währungsfonds eine Ausweitung der Budgetdefizite in Krisenzeiten strikt ab. Damals ging es allerdings um Länder wie Argentinien und nicht um die größte Wirtschaftsmacht der Welt, die zugleich Hauptfinancier des IWF ist …

Diese Grundstimmung beeinflusste auch die eingangs erwähnte Prominenz. Naomi Campbell, die auf Einladung von Herbert Burda in dem Ferienort weilte (der deutsche Verleger gab in Davos den Richard Lugner für Fortgeschrittene), ließ sich offenbar vom lokalen Trübsal anstecken und verzichtete auf ihre berüchtigte Zickigkeit. "Naomi ist sehr höflich", vermeldete die Neue Luzerner Zeitung. Den Ernst der Lage erkennt man wohl am Besten daran, dass selbst für den Jet Set jetzt Schluss mit lustig ist.

Der Autor leitet beim "WirtschaftsBlatt" das Ressort International & Osteuropa.

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