Der Künstlerseelsorger, Musiker, Schriftsteller, Kirchenreformer und langjähriger FURCHE-Kolumnist Peter Paul Kaspar ist 81-jährig verstorben. Ein Nachruf.
Es können halt nicht alle so g'scheit sein wie die Bayern, und schon gar nicht so vif wie der Stoiber-Edi. So könnte man sich lustig machen und sich fragen, welcher Teufel den bayrischen Ministerpräsidenten reitet, dass er den Wahlsieg von Angela Merkel mit seinen Beleidigungen der ostdeutschen Wähler vermasseln will. [...]Aber die Pauschalverdächtigungen der ostdeutschen Wähler offenbaren eben nicht nur das mangelnde taktische Geschick Stoibers, sondern den Riss, der noch immer zwischen den Gehirnen, Mentalitäten und Biografien in Deutschland verläuft. [...]Weil man keinerlei eigene
Eine Verlagsleitung, das ist immer ein Prinzip, ein Wappen, eine Kultur." Auf wenige Verlage trifft das so zu wie auf Suhrkamp, von dem sich Martin Walser mit diesen Worten verabschiedet hat. Suhrkamp war der Maßstab, welche Literatur, welche Denker im deutschsprachigen Raum zählten. War, wie es scheint. Denn seit dem Tod des Verlegerpatriarchen Siegfried Unseld im Jahr 2002 ist das Kultur-Flaggschiff Suhrkamp im Trudeln [ ]"Ein Verlag, das sind Menschen." Das ist ein zweiter wichtiger Satz im Abschiedsbrief Martin Walsers an Suhrkamp. Dass es in Verlagen -wie in anderen Betrieben der
Anspielungsreich, rätselhaft, aber auch leichtfüßig sind Edwin Wolfram Dahls Gedichte.Halte die Zweifel / im Anschlag“ – die Aufforderung des in München lebenden Lyrikers Edwin Wolfram Dahl in seinem vor 30 Jahren erschienenen Band „Außerhalb der Sprechzeit“ gilt noch immer: für seine Leser wie als Maxime seiner Dichtung. Sie findet sich daher auch in dem neuen Gedichtband „Wasserzeichen in Augen“, mit dem Dahl, im Juni 80 geworden, seine Leser überrascht. Die ersten 100 Seiten versammeln eine Auslese seiner vier zwischen 1970 und 1984 erschienenen und längst vergriffenen
Das Interessante an der Nach-Wahlzeit ist die Vivisektion des Abschieds. Wenn es um den Abschied von der Macht geht, laufen selbst die bewährtesten Politiker aus der Form. Ihnen gelingt es am seltensten, nach Rilkes Maxime zu leben: „Sei allem Abschied voran.“ Denn das Vorwegnehmen des Abschieds, der zum Leben gehört, verlangt Distanz zu den eigenen Taten und Zielen.Für die Wähler heißt Nach-Wahlzeit auch Abschied von Alpträumen: etwa jenem eines Bundeskanzlers, der sich die Kunst- und Kulturagenden einverleiben will – ein Modell, das unter verschiedenen parteipolitischen
Eine gute Entscheidung: Der gekreuzigte Frosch von Martin Kippenberger im Bozener "Museion" wird nicht abgehängt, sondern bleibt bis zum Ende der Ausstellung am 21. September zu sehen. Das Kunstwerk ist bereits Ende Juli vom Eingangsbereich des Museums in den dritten Stock übersiedelt. Die Abhängung war zu befürchten, nachdem der Papst dem Kunstwerk gefährlich nahe gekommen war: Er urlaubte in Brixen. Und schrieb einen Brief an jenen Politiker der Südtiroler Volkspartei, der in Hungerstreik getreten war, um die religiösen Gefühle vor Kippenbergers Plastik zu schützen. Dass sich auch
Ab 29. August wird in Neuhaus in Südostkärnten die Sammlung Liaunig zu sehen sein.Österreichische Kunst seit 1950 bildet den Schwerpunkt der Kunstsammlung des Kärntner Industriellen Herbert W. Liaunig. Für sie hat er in Neuhaus ein eigenes Museum bauen lassen, das am 29. August eröffnet wird - das größte private Museum Österreichs nach dem Essl Museum. Bis Oktober wird man bei einem "Probebetrieb" erste Erfahrungen sammeln, dann ist Winterpause bis Ende April.Gezeigt wird ein Querschnitt durch die Sammlung, und da findet sich fast alles, was in der österreichischen Malerei, aber auch
Warum man in Österreich so gerne die Kulturkeule gegen andere schwingt, um damit die eigene Identität abzusichern. Von Cornelius HellKultur, wohin man schaut: in Salzburg, wo es noch immer weltweit Einmaliges zu hören und zu sehen gibt, in Bregenz, in Grafenegg, beim Carinthischen Sommer, bei den Innsbrucker Festwochen … Dazu noch Festivals von regionaler Bedeutung wie in Gmunden und Sommerspiele in jedem möglichen Ambiente. Dass das alles sein Publikum findet, zeugt von der Vitalität der Kultur in Österreich.Aber es gibt auch Länder, wo ganz anderes zur Kultur gehört: Ehrenmorde,
Das Jüdische Theater Austria und Warren Rosenzweigs Stück "Der Garten im Schrank".Orte sind wichtig für Warren Rosenzweig. Sitzt man mit ihm im Jüdischen Theater Austria in der Kandlgasse im siebten Wiener Gemeindebezirk, so fühlt man sich dank der Wände, die fast ganz zu Fenstern geworden sind, als Teil eines Dorfplatzes. Theater ist öffentlich präsent und es ist ein gemeinschaftliches Projekt. Dieses Konzept hat Warren Rosenzweig schon in New York gelebt. Aber ein jüdisches Theater hätte er dort nie gegründet. Jude zu sein hat seine Identität erst in Österreich bestimmt.In New
Schön war's wieder in Reichenau an der Rax - die Landschaft, in der sich seit über 100 Jahren das goldene Wienerherz erholt, und dazu noch die vertrauten Festspiele: Hier gibt es keine Experimente, hier hat der Gottseibeiuns der Wiener Hofräte, das "deutsche Regietheater", noch nichts verloren, hier treten einfach berühmte Schauspieler auf und spielen die Stücke, wie sie im Buch stehen - "werktreu" nennt man das. Und das funktioniert auch: 43.000 Karten wurden heuer verkauft. Heuer, wo diese Festspiele 20 Jahre alt geworden sind.Darum gab es auch so viele Medienberichte. Sogar Die Zeit
Rudolf Buchbinder, der internationale Starpianist und Intendant des Musik-Festivals Grafenegg, präsentiert diese Woche sein Buch "Da Capo". Mit der Furche sprach er über seine intensivsten Konzerterfahrungen, über Klassik und Pop - und natürlich über Beethoven.Die Furche: Herr Buchbinder, mit Ihrem Namen assoziiert man fast automatisch das Klavierwerk Beethovens. Was fasziniert Sie an diesem Komponisten so besonders?Rudolf Buchbinder: Der Mensch Beethoven hat mich immer fasziniert. Und wenn man sich mit ihm beschäftigt, kommt man drauf, dass er ein ganz falsches Image hat. Er war sicher
Neues von und über E. M. Cioran, den großen Stilisten und Provokateur.Auch 13 Jahre nach seinem Tod fasziniert und polarisiert der radikale Skeptiker, der das Christentum bis zur Blasphemie attackierte – und in dessen Mystik zu Hause war wie kaum ein anderer. E. M. Cioran, der rumänisch-französische Extrem-Denker, gibt immer noch Rätsel auf: Denkerische, weil sich seine Widersprüche nicht harmonisieren lassen, und biografische, weil sein Verhältnis zur „Eisernen Garde“, der rumänischen Variante des Faschismus, und seine Hitler-Begeisterung in jungen Jahren erst postum klarere
Boris Marte, Direktor von "Kontakt. Die Kunstsammlung der Erste Bank-Gruppe" über eine Region mit 120 Millionen Menschen, deren Kunstgeschichte ignoriert wurde.Die Furche: Herr Marte, Die Erste Bank hat mit dem Slogan geworben: "Im Osten geht die Rechnung auf". Ist für die Bank die Rechnung so gut aufgegangen, dass sie jetzt auch in Kunst investieren kann? In welchem Verhältnis stehen der Erfolg der Bank und die Kunstsammlung?Boris Marte: Die Erste Bank hat eine lange Tradition, wie sie sich gesellschaftlich engagiert. Sie hat schon in ihrer Gründungsurkunde festgehalten, dass sie ein
Urlaube kommen in Mode, aber Kunst und Kultur gilt es noch zu entdecken. Kunst aus Mittelosteuropa - ein weißer Fleck in unserer Wahrnehmung. Das Dossier stellt die Kunstsammlung der Erste Bank-Gruppe vor, die sich dieser Kunst systematisch widmet, und porträtiert den slowakischen Künstler Roman Ondák - als Auftakt zu weiteren Künstlerporträts. Redaktion: Cornelius Hell in Zusammenarbeit mit der Erste BankOsteuropa" war schon immer falsch: dass Prag westlich von Wien liegt, hat sich herumgesprochen. Die Bezeichnung "postkommunistische Länder" bestimmt eine ganze Region von einer
Keine zehn Minuten stand Adolf Hitler in Madam Tussaud's neuem Berliner Wachsfigurenkabinett, da wurde ihm schon der Kopf abgeschlagen. Ein 41-jähriger Altenpfleger aus Kreuzberg hat, "Nie wieder Krieg!" rufend, diese Heldentat vollbracht. "Endlich hat ein Hitler-Attentat geklappt", kommentierte Henryk M. Broder sarkastisch. Hitler hat sich zwölf Jahre an der Macht gehalten, aber heute hat er keine Chance mehr - zumindest nicht als Wachsfigur. In Österreich wissen wir ja schon seit dem Opernball 2000, dass der Führer bei uns nicht mehr reüssieren kann: Hubsi Kramar, als Hitler verkleidet,
Hausinterne Lösung: Sabine Haag, die bisherige Leiterin der Kunstkammer, wird Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums.Versierte Museumsexperten überlegen, ob sie jemand kennen, der sie kennt: Sabine Haag, die designierte Direktorin, ist außerhalb des Kunsthistorischen Museums noch kaum jemandem aufgefallen. Sie hat sich auch nicht um den Posten der Direktorin beworben, sondern ist von Kulturministerin Claudia Schmied - ohne Jury - ausgesucht worden. Eine mutige Entscheidung, von der zur Zeit niemand weiß, ob sie mehr Chance oder Risiko in sich birgt. Gerade ein Jahr hat Sabine
Wenn es irgendwo Probleme gibt, holt man einen neuen Chef. Und der muss vor allem eines können: Chef sein; das heißt, sich als Zampano inszenieren. Früher sind ja Institutionen gelegentlich noch über Ideen "verkauft" worden. Heute geht das nur mehr über den neuen Chef. Die Wiener Museenlandschaft hat das in den letzten Jahren besonders schön vorexerziert: Über Rolle und Funktion dieser Museen ist nie so viel debattiert worden wie über die Homestories ihrer Direktoren.Manchmal ist es gut, wenn der neue Chef der alte ist. Klaus Albrecht Schröders Vertrag als Direktor der Albertina wurde
Der große Roman György Dragománs über eine Kindheit im Siebenbürgen der 1980er Jahre.Ein Junge stiehlt Tulpen, er bringt sie seiner Mutter zum Geburtstag, weil der Vater nicht da ist. Er hatte eine Petition unterschrieben, und das genügte in Rumänien noch 1986, um in ein Arbeitslager zu kommen. Der 1973 in Siebenbürgen geborene ungarische Autor György Dragomán erzählt in seinem bereits in 28 Sprachen übersetzten Roman "Der weiße König" schlaglichtartig verdichtete Szenen aus dem Leben des elfjährigen Dzsátá, zusammengehalten vom dramatischen Warten auf den Vater.Dzsátá wird
Wo die Literatur den verlorenen Weltzusammenhang wahrnimmt, blitzen Abendmahlsreminiszenzen auf.Fronleichnam, der Tag des demonstrativen Katholizismus, ist zum Fest einer Minderheit geworden. Und auch die sonntäglichen Messfeiern sind weiter im Abnehmen. Doch die Symbolkraft von Brot und Wein ist damit noch lange nicht zu Ende. Kein christlicher Ritus, kein Sakrament beschäftigt die Literatur bis heute so intensiv wie das Abendmahl.In der neueren deutschen Literatur hat das mit Hölderlins Hymne "Brot und Wein" begonnen. Nach der traurigen Erinnerung an das "selige Griechenland" und der
Zwei Wochen in Vilnius: Das Österreich-Bild war vom Amstettener Bunker dominiert. Aber dann kam doch eine größere Sensation: Österreichs Rugby-Nationalmannschaft konnte ihre 0:48-Niederlage nicht verwinden und ließ mitten in der künftigen Kulturhauptstadt Europas die Hosen hinunter.Vor dem Abflug noch die Matine in der Staatsoper zur Überreichung der Gustav Mahler-Büste, die seine Tochter Anna geschaffen hat. Eine hochgradig unwürdige Veranstaltung, bei der man die Reden nicht verstehen und die Musik nur schlecht hören konnte, denn draußen fand, mit gellendem Lärm inszeniert, der
Wien ist halt wirklich eine Musikstadt. Hier kommen die Kinder schon so musikalisch zur Welt, dass sie keinen Musikunterricht brauchen. Wie sonst wäre es zu erklären, dass es in Wien nur 30 Musikschulen gibt, während es sogar in Vorarlberg 103 sind - und 420 in Niederösterreich. Kommen in Vorarlberg 95 Musikschulplätze auf 1000 Einwohner unter 30 Jahren, sind es in Wien nur zehn. Daher müssen hier auch jährlich an die 700 Kinder, die die Aufnahmeprüfung an eine Musikschule geschafft haben, abgewiesen werden.Dafür gibt es in Wien so viele Musiklehrerinnen und -lehrer wie sonst
Der Aufreger des Bücherfrühlings: Jonathan Littell hat die fiktive Autobiografie eines SS-Obersturmbannführers geschrieben. Wozu eigentlich?Die Zeitzeugen der "großen Barbarei" (Adorno) werden immer weniger, je weiter die Zeit des Nationalsozialismus zurückliegt. In etlichen Jahren wird man niemanden mehr befragen können, der sie erlebt hat, niemanden mehr in die Schulen oder zu Gedenkfeiern bitten können, und die Diskussionen werden nur noch von Nachgeborenen geführt werden, die ihr Wissen aus Büchern oder vom Hörensagen haben. Irgendwann wird der Nationalsozialismus "kalte"
Zum 50. Todestag ist Theodor Kramer lebendiger als zu seinen Lebzeiten.Der Erste Weltkrieg raubte ihm die Jugend, der Nationalsozialismus Heimat und Existenz, das Klima der Nachkriegszeit den einstigen Erfolg. Dazwischen blieben ganze sieben Jahre, in denen er als freier Schriftsteller leben konnte und Österreichs erfolgreichster Lyriker war: Theodor Kramer. 1897 in Niederhollabrunn geboren, musste er nach der Matura in den Krieg und wurde schwer verwundet. Nach einem abgebrochenen Studium schlug er sich als Buchhändler durch. Seine Gedichte wurden bald in den renommiertesten Zeitungen
In Wien jeden Tag mit den Öffis unterwegs zu sein, ist nicht ohne. Schon die Anfangsschwierigkeiten: bis man das tierische Gebrüll in U-Bahn-Stationen als "Zug fährt ab!" identifiziert. Oder die vielen Straßenbahnfahrer/innen, die schnell wegfahren, wenn sie jemanden laufen sehen. Im letzten Jahr hat mir zweimal jemand die Tür aufgehalten, damit ich noch einsteigen konnte: ein Schwarzer und eine Ungarin. Ein "echter" Wiener schaut gern zu, wenn einem anderen die Bim davonfährt.Doch die wirkliche Herausforderung kommt erst, wenn man drin ist: Irgendwo rotzt einer, irgendwo schmatzt oder
Wo wir hinkommen, wenn sich Musik auf CD und Konzertsäle beschränkt.Die Mitglieder von Singverein und Singakademie - wie ich sie beneide! Meine Stimme reicht nicht einmal für einen viel bescheideneren Chor, und mein Gehör wohl auch nicht. Aber fast bis zu meinem 40. Lebensjahr habe ich regelmäßig Orgel gespielt - in meiner Jugend hat mir das mehr bedeutet als Lesen, als Schreiben, als alles andere, was ich gemacht habe.Dass ich überhaupt so lange durchgehalten habe, liegt einzig und allein daran, dass ich als Organist immer wieder gefragt und gebraucht wurde, dass mir die
Das Essl Museum gilt als eine der ersten Adressen des Landes für zeitgenössische Kunst. Im Furche-Interview spricht Gründer Karlheinz Essl über die gegenwärtige Schau "Baselitz bis Lassnig", den kulturellen Auftrag des Sammlers und die existenzielle Dimension von Kunst sowie ihr gesellschaftskritisches Potenzial.Die Furche: Sie zeigen derzeit unter anderem eine Ausstellung mit sieben Positionen der Malerei. Ist dies eine Art Herzstück der Sammlung?Karlheinz Essl: Die Malerei hat einen bedeutenden Stellenwert in unserer Sammlung, das war von jeher so. Seit das Museum 1999 errichtet wurde,
Über die wechselvolle Geschichte Litauens und die künftige EU-Kulturhauptstadt Vilnius, die "hellste Stadt Europas", berichtet der litauische Übersetzer, Autor und Intellektuelle Antanas Gailius bei einem Furche-Gesprächsabend in Wien.Zweimal konnte Litauen, das im Mittelalter ein mächtiges Staatsgebilde darstellte, im 20. Jahrhundert seine staatliche Selbständigkeit wiederherstellen: Am 16. Februar 1918 wurde der moderne Staat gegründet, und am 11. März 1990 konnte er nach fünf Jahrzehnten sowjetischer Okkupation wieder aufleben.Wie in vielen anderen Länder, nicht zuletzt in
Fahren Sie doch wieder einmal nach Abtenau im Salzburger Lammertal. Wenn Sie den Ort von früher kennen: Der ist richtig geschrumpft. Zumindest bei der Ortseinfahrt sieht es so aus, denn da lässt das neue Einkaufszentrum das gewachsene Ortszentrum ziemlich klein aussehen. Dafür gibt es da endlich genug Parkplätze - für die war der Ort bisher zu eng und verwinkelt. Im alten Zentrum, zwischen Kirche und Altersheim, steht halt jetzt eine Ruine: das ehemalige SPAR-Geschäft. Und die Leute im Altersheim sagen: "Da sind diejenigen von uns, die noch besser beisammen sind, immer hingegangen; jetzt
Ein Blick auf Peter Handkes große neue Erzählung und ihre Resonanz.Den neuen, lang erwarteten und groß angekündigten Handke erst am Verkaufstag des Buches zu rezensieren, war fast schon eine Verspätung; so sind nun einmal die Rituale des Literaturbetriebs - zu denen freilich kaum ein Werk deutlicheren Widerspruch anmeldet wie das von Peter Handke. Gerade bei ihm ist diese "Harry-Potterisierung des Erstverkaufstages" (Evelyne Polt-Heinzl in der Presse) besonders grotesk - und dem genauen Lesen abträglich. Jedenfalls führt "Die morawische Nacht" die Bestenlisten von ORF und Südwestfunk
Zwei Privatsammlungen im Wiener Liechtenstein Museum.Im bisweilen schrillen Konzert der Wiener Museen droht das Liechtenstein Museum unterzugehen. Dabei ist es nicht nur ein Ort, der einen schon durch Atmosphäre und Ambiente hineinkatapultiert in die fremde Welt des Barock, sondern es zeigt in den kommenden Wochen noch zwei interessante Ausstellungen aus privaten Sammlungen: Porzellan aus der Sammlung Cohen sowie Malerei, Skulpturen und Handschriften aus der Sammlung Borromeo.Der amerikanische Sammler Richard Baron Cohen hat in den letzten 14 Jahren die weltweit bedeutendste Sammlung
Will man eine extrem erfolgreiche Ausstellung beschimpfen, nennt man sie Blockbuster. Der martialische Begriff ("Wohnblock-Knacker") war die englische Bezeichnung für die Luftminen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Als Filme wie "Der weiße Hai" oder "Star Wars" einschlugen wie eine Bombe und ganze Wohnblocks leerfegten wie seinerzeit die Luftminen, nannte man sie Blockbuster. Hätten sich die Strategen der Massenunterhaltung besser entlarven können?Worauf sie stolz waren, ist mittlerweile ein gängiges Schimpfwort, wenn ein Wiener Museum mit einer Ausstellung (die mit den eigenen
In Drago Jancars historischem Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" wird eine Wallfahrt nach Köln zum sprachmächtigen Epochenpanorama.Ein unauflösliches Geflecht aus Alltäglichem und Wundern, aus verlorenen Spuren von Ereignissen, die die Seele verletzt haben, die ihr immer noch wehtun, das ist Reisen, das ist Wallfahren." Die Wallfahrt im Roman von Drago Jancar geht zum Heiligen Schrein nach Köln, nach Köln am Rhein oder Kelmorajn, wie die Slowenen so liebenswert verballhornend sagen. Sie findet in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts statt, in einer Umbruchszeit, wo die alte
Joshua Sobol hat sein Stück in Klagenfurt wirkungsvoll inszeniert.Bei der europäischen Erstaufführung von Joshua Sobols Stück "Ghetto" in der Regie von Peter Zadek in Berlin debattierte man 1984 noch darüber, ob man, zumal in Deutschland, Juden so zeigen dürfe: nicht nur als Opfer, sondern auch als skrupellose Geschäftemacher, Mörder und Kollaborateure der Nazis. Heute weiß man: Dass die Nazis auch die Opfer ihrer Menschlichkeit beraubt haben, verringert ihre Schuld nicht, sondern vergrößert sie. Sobol hat sein Stück jetzt in Klagenfurt inszeniert, und wieder ist beklemmend
Ein Abend für den großen tschechischen Musiker Petr Eben.Dass Orgel- und sakrale Musik kein von den aktuellen kompositorischen Strömungen abgekoppeltes Reservat ist, sondern Zentrum eines kühnen und höchst eigenständigen Werkes sein kann, hat im 20. Jahrhundert neben Olivier Messiaen vor allem der Prager Komponist Petr Eben eindrucksvoll bewiesen. Wer je seine "Landschaften von Patmos" für Orgel und Schlagzeug gehört hat, wird die mystisch-wilden wie die überraschend sanften Klänge dieser Komposition von 1985 nicht mehr so leicht aus den Ohren kriegen. Auch sein achtteiliger
Der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler, "Wissenschafter des Jahres 2007", über Doyens, dicke Wälzer, ahnungslose Maturanten - und die Euro 08.Die Furche: Herr Professor Schmidt-Dengler, Sie wurden zum "Wissenschafter des Jahres 2007" gewählt. Sind Sie stolz darauf oder ist es Ihnen eher peinlich, als "Doyen der Germanistik" zu gelten?Wendelin Schmidt-Dengler: Das Wort "Doyen" finde ich ein bisschen komisch. Das hat etwas von "Doge". Raoul Aslan oder Ewald Balser sind immer als die großen "Doyens des Burgtheaters" herumgelaufen. In diese Kategorie möchte ich nicht unbedingt subsumiert
Der israelische Autor Joshua Sobol inszeniert sein weltweit gespieltes Stück "Ghetto" am Stadttheater Klagenfurt. Im Furche-Gespräch vor der dieswöchigen Premiere erzählt er, warum er sein Stück gerade hier aufführen will, was er dabei ins Zentrum stellt und warum er seit Jahrzehnten mit der österreichischen Kultur verbunden ist.Die Furche: Herr Sobol, Sie haben seit den 1980er Jahren eine enge Beziehung zum deutschsprachigen Raum - für einen israelischen Autor doch recht ungewöhnlich.Joshua Sobol: Damals hat man das in Israel auch kritisch gesehen; es war nicht selbstverständlich,
Die überraschenden Erzählungen des großen Prosa-Autors William Trevor.Abseitige, randständige und verworrene Lebensgeschichten haben es dem irischen Erzähler angetan, und ihm genügt der schmale Raum einer Erzählung, um ihre Mikroszenen auszuleuchten, aber nicht zu erklären. Wenn er gleich zu Beginn eine ganze Seite braucht, um jemanden bei einer Haustüre hineingehen zu lassen, so ist das besonders spannend. Ein Fremder kommt da in das Haus von Vera und ihrem Vater - ein Fremder, der sich das Vertrauen der beiden erzwungen hat und auf den sie angewiesen sind. Vera war nämlich
Österreich ist der große Gewinner offener Wirtschaftsgrenzen, lehnt aber den neuen Schengen-Raum ab. Die Regierungen dieses Landes haben viel dazu beigetragen.Als Außenminister Alois Mock mit seinem Kollegen Gyula Horn am 27. Juni 1989 den Stacheldraht an der österreichisch-ungarischen Grenze durchschnitt, war er ein Held: Er hatte zum Sturz des Kommunismus mit dessen menschenrechtswidrigen Reisebeschränkungen beigetragen. 18 Jahre später, am 21. Dezember 2007, standen EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und der ungarische EU-Steuerkommissar László Kovács an derselben Stelle
So elegant sitzt die Brille auf seiner Glatze, dass man, auch wenn er sie ins Gesicht zieht, nicht weiß, ob Luc Bondy sie wirklich benötigt, um besser zu sehen. Hat der Polyglotte im Vorjahr kurz die falsche Sprache erwischt, so hätte er diesmal fast vergessen, dass Stéphane Lissner für die anwesenden Banausen noch aus dem Französischen übersetzt werden muss. Seine Marivaux-Inszenierung in Paris war natürlich ein großer Erfolg, wie er zur Vorsicht gleich selbst verkündet - auch das gehört zur Inszenierung. Wieder einmal war Pressekonferenz der Wiener Festwochen.Diesmal noch im
Mit 22 in Argentinien verschwunden: Erich Hackl suchte die Spuren von Gisela Tenenbaum.Erzählung nach dem Leben" nennt sich das neue Buch von Erich Hackl und bezeichnet damit treffend seine Versuche, den Graben zwischen Literatur und Reportage, zwischen biografischer Wahrheit und Fiktion zu überbrücken. Seit "Auroras Anlaß" und "Abschied von Sidonie" dokumentiert Hackl wirkliche "Fälle" ebenso präzise, wie er sie literarisch überzeugend gestaltet. Seine Nähe zum spanischen Sprachraum, besonders zu Lateinamerika, wie sein kritischer Blick auf österreichische Geschichte und Gegenwart
Das Wiener Schauspielhaus eröffnete mit vier Premieren.Das Wiener Schauspielhaus hat sich an zwei Abenden mit je zwei Inszenierungen zeitgenössischer österreichischer Dramatik erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Das erklärte Ziel des neuen Intendanten und Spezialisten für Gegenwartsdramatik Andreas Beck ist es, einerseits junges (nicht nur heimisches) Autorentheater zu fördern sowie andererseits dem Regienachwuchs einen Werkraum zu Verfügung zu stellen, wo dieser erste Versuche in einem professionellen Umfeld machen kann. Dass dieses Ansinnen lobenswert ist, aber auch
Zum 20. Todestag am 3. Dezember: neue Erkenntnisse über die katholische Kult-Autorin.In Österreich gibt es noch immer Katholiken, für die Gedichte von Christine Busta das einzige Terrain moderner Lyrik sind, in das sie je ihren Fuß gesetzt haben; damit glauben sie, literarisch in der Gegenwart angekommen zu sein. Es gibt aber auch noch immer Literaturexperten, die in Bustas Gedichten zwar irgendetwas von dem vermuten, was sie für katholisch halten, sie aber nicht als ernstzunehmende Lyrikerin lesen können.Tatsächlich hat ihr Weg aus den von Weinheber-Pathos und Rilke-Nachfolge
Der fünfte Kontinent hat radikale Brüche hinter sich: die Umorientierung vom weißen Australien zur Anerkennung der Aborigines; die massive Teilnahme am Vietnam-Krieg mit etwa 50.000 Soldaten und den Ausstieg unter der Labor-Regierung 1972; die Orientierung am BBC-Englisch, abgelöst durch die Erkenntnis, ein multikulturelles Einwanderungsland zu sein, dem seine Nähe zu Asien immer wichtiger wurde. Ein Regierungswechsel bedeutete oft eine dramatische Wende. Der elf Jahre amtierende konservative Premier John Howard hat mit seiner harten Haltung gegenüber Aborigines und Flüchtlingen sowie
Zum 150. Todestag von Joseph von Eichendorff am 26. November.Ewig's Träumen von den Fernen!" So beginnt schon ein Gedicht des 22-jährigen Joseph von Eichendorff, und dieses Träumen hat er in seiner Poesie genial einfach instrumentiert. Am erfolgreichsten wohl in seinem Roman "Aus dem Leben eines Taugenichts", der ein Italien imaginiert, das der Autor nie zu Gesicht bekam. Eine Reise dorthin konnte sich der Familienvater und preußische Beamte nicht leisten. "Ach wer da mitreisen könnte / In der prächtigen Sommernacht!" heißt es in seinem bekannten Gedicht "Sehnsucht", dessen Beginn
"Meine Mutter hat gesagt: Hitler kommt und geht, aber die deutsche Kultur bleibt. Und so habe ich mein Abitur am deutschen Gymnasium gemacht." So hat mir die litauische Jüdin Ina Meiksinaite erklärt, warum sie so viel Goethe auswendig konnte. Vor über 20 Jahren war ich ihr Kollege an der Universität Vilnius, 2002 habe ich mit ihr ein ORF-Menschenbild gestaltet. Ausgebildet im jungen Staat nach dem Ersten Weltkrieg, vor den Nazis in russische Dörfer geflohen, in Leningrad studiert und nach Litauen zurückgekehrt, hat sie dort Generationen von Germanisten ausgebildet. Und war eine von den
Auf den Spuren der Literatur, die diese Woche nach Wien kommt.Ankunft in Ankara, das heißt zunächst einmal ein höllisches Verkehrsgetümmel, in dem Hupe und erzwungene Vorfahrt das Wichtigste sind. Ein Bus bringt uns in die Österreichische Botschaft, erbaut von Clemens Holzmeister - er hat hier 15 Bauten, darunter Innenministerium und Parlament, errichtet und 1938-1954 hauptsächlich in der Türkei gelebt.Unwirtlich ist die von Kemal Attatürk geschaffene künstliche Hauptstadt, ohne Umland mitten in verstepptem Hügelland gelegen. Künstler und Autoren trifft man eher in Istanbul, aber
Übersetzer stehen meist im Schatten derer, denen sie ihre Sprache leihen. Für Martin Pollack gilt das nicht. Der Übersetzer der polnischen Reporter-Legende Ryszard Kapuscinski bekommt den "Ehrenpreis für Toleranz in Denken und Handeln" des österreichischen Buchhandels verliehen. Im Furche-Gespräch geht es auch um Toleranz - die zwischen West- und Osteuropa.Die Furche: Herr Pollack, Sie erhalten nächste Woche den Toleranzpreis - wie tolerant sind Sie?Martin Pollack: Mir gehen viele Dinge unglaublich auf den Geist, da raste ich sehr schnell aus, insofern finde ich es unverdient, dass ich
Bericht über meine fortgesetzten Versuche, deutsch zu sprechen.In Rußbach am Paß Gschütt, dem kleinen Dorf im Tennengau, verstand der Lehrer aus dem 60 Kilometer entfernten Salzburg in den frühen 1960er Jahren seine Schüler oft nicht - und sie ihn ebenso wenig. Ich bin erst mit gut drei Jahren ins Dorf gekommen und konnte beide verstehen. Die Situation änderte sich natürlich, als dort Fernsehen empfangen werden konnte und regelmäßig deutsche "Sommerfrischler" kamen. Doch als diese radikale Veränderung eintrat, war ich schon wieder fort; so war ich 1962-66 ein sehr erfolgreicher
Österreichisches Deutsch: Das umfasst nicht nur zahlreiche Dialekte und einen liebenswerten Sonderwortschatz, sondern ist vor allem kein unkorrektes oder minderwertiges Deutsch. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie viel von österreichischen Redewendungen und Wörterbüchern sowie von den Möglichkeiten, österreichisches Deutsch im Ausland zu lernen. Und Sie erfahren auch, was einem Österreicher in Deutschland und einem Deutschen in Österreich sprachlich alles passieren kann. Redaktion: Cornelius Hell Österreichisches Deutsch: nicht nur ein Sonderwortschatz, sondern die Nationalvarietät
Tomas Venclova, Litauens größter Dichter, ist 70 und endlich ins Deutsche übersetzt.Ein litauischer Dichter ist in unseren Breiten immer ein Geheimtipp. Tomas Venclova freilich ist ein internationaler Geheimtipp und fast überall bekannter als im deutschen Sprachraum. Auf Englisch, Polnisch, Russisch, Italienisch, Slowenisch und Ungarisch sind schon längst Auswahlbände seines Werkes erschienen. Von allen litauischen Schriftstellern ist Venclova der internationalste - und wohl der bedeutendste, der heute lebt. Im Vorjahr ist sein großer Essay über Vilnius erschienen, und ab November kann
Er war Titos Dolmetscher und hat darüber ein Buch geschrieben, das kommenden Montag präsentiert wird: der Schriftsteller Ivan Ivanji, der in Wien genauso zu Hause ist wie in Belgrad. Im Furche-Gespräch erläutert er seine Sicht auf die Nachkriegszeit in Jugoslawien und warum er an den Vielvölkerstaat geglaubt hat; und dass als Jude weder Israel noch Serbien versteht.Die Furche: In Jugoslawien wurden Sie einmal gefragt, ob Sie Leninist seien, und Sie haben das klar verneint. War es nicht Voraussetzung, um im Schriftstellerverband zu reüssieren, KP-Mitglied und damit Leninist zu sein?Ivan
Ab 2010 wird Franz Welser-Möst Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper sein, im Dezember 2007 beginnt dort der von ihm geleitete und mit Spannung erwartete "Ring des Nibelungen"-Zyklus. Im furche-Gespräch gibt er Auskunft über sein Verständnis von Musik und erläutert, wie er und Regisseur Sven-Eric Bechtolf den "Ring" interpretieren.Die Furche: Herr Welser-Möst, Sie sprechen immer wieder von Kultur als der höchsten Ausformung der europäischen Geistigkeit und messen hierbei der klassischen Musik noch einmal einen ganzen besonderen Stellenwert zu. Das ist von Ihrer Profession her
Oswald Egger, der diesjährige Peter-Huchel-Preisträger, überrascht mit einem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Gedichtband.Es blieb in Österreich fast unbemerkt, dass Oswald Egger, der aus Südtirol stammende Poet und Anreger der Poesie, der lange Jahre in Wien gelebt hat, in diesem Frühling mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde - dem prominentesten Lyrik-Preis, den Deutschland zu vergeben hat; neben Ernst Jandl ist Egger bislang der einzige Österreicher, der ihn erhalten hat. Ein literarisches Großereignis ist auch sein neuer Gedichtband nihilum album. "Weißes Nichts"
Peter Henisch ist 65 - und hat uns zu seinem Geburtstag ein neues Buch geschenkt.Nicht dass Peter Henisch sich nicht hineinschreiben könnte in eine fremde Kultur: Sein letztes Buch Die schwangere Madonna vergegenwärtigt geradezu einen bestimmten Landstrich Italiens; und schon seit Morrisons Versteck taucht er ein in Amerika. Aber Wien lässt ihn dennoch nicht los. Seiner Stadt kann er immer wieder neue Seiten abgewinnen. Und neue Wege. Wege im buchstäblichen Sinn: Viele seiner Texte sind wie im Gehen geschrieben, bewegen sich in sinnlicher Konkretheit entlang einer genau vermessenen Strecke
Weibliche Schönheit, männliche Gewalt: Ein altes Thema wird ausgestellt.Was am Mann schöner ist als an einem Affen, ist ein Luxus, hat es einmal geheißen. Und schön können Männer sowieso nicht sein, höchstens gut aussehen. Schönheit wird von den Frauen erwartet: erlösende Schönheit - zumindest in den Mythen und Märchen: die Walt Disney erstaunlich massenwirksam filmisch nacherzählt hat. Und wo Frauen schön sein müssen, müssen Männer Ungeheuer sein. Sonst funktioniert das nicht mit der Erlösung.Die Residenzgalerie Salzburg hat das Thema erfreulicherweise aufgegriffen - und sie
Siebenbürgens versunkene Welt: Eginald Schlattners Roman "Der geköpfte Hahn" verfilmt.Zu Weihnachten 1990 stand der Pfarrer von Rothberg bei Hermannstadt vor einer fast leeren Kirche. Was der Druck des Ceausescu-Regimes nicht geschafft hatte, ging durch die Verlockung der Deutschen Mark ganz schnell: Die Dörfer und Stadthäuser der Siebenbürger Sachsen entvölkerten sich, eine etwa 800-jährige Kultur kam an ihr Ende. Der Pfarrer wollte für die Nachwelt die Erinnerung an diese Kultur festhalten. Und darüber wurde aus dem Pfarrer der Schriftsteller Eginald Schlattner, sein Erzählen
Die junge deutsche Autorin Melanie Arns überzeugt mit ihrem zweiten Roman.Das zweite Buch sei das schwierigste, behaupten einige Autoren - besonders, wenn das erste ein Erfolg war. Dann wird das zweite unweigerlich damit verglichen, und die Enttäuschung liegt nahe: weil das zweite zu ähnlich - oder weil es ganz anders ist. Aber es kann noch schlimmer kommen: Wenn das zweite nicht einmal wahrgenommen wird. So ist es Melanie Arns ergangen: Ihr Debüt Heul doch! erregte 2004 Aufmerksamkeit, doch zwei Jahre danach wurde Traumpaar, nackt kaum beachtet. Womit sich nun diese verspätete Rezension
Salzburg als Anstoß zu einer notwendigen Debatte über Kunst und Zeitgenossenschaft.Den Blick auf die Katastrophen der Vergangenheit, auf die Toten gerichtet, aber von einem Sturm in die Zukunft getrieben - so hat Walter Benjamin, ein Bild von Paul Klee interpretierend, den Angelus Novus, den Engel der Geschichte beschrieben. Jürgen Flimm hat dieses komplexe Bild in der Eröffnungsrede der ersten Salzburger Festspiele aufgegriffen, die er als Intendant verantwortet. Und dabei auch davor gewarnt, dass uns die Vergangenheit zum beliebig verfügbaren Material wird: "Selten sind wir wie heute
Die Galerie artmark in Wien zeigt Kunst im Dialog mit Literatur.Peter Assmann, Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen und Lyriker, ist prädestiniert für Grenzüberschreitungen zwischen bildender Kunst und Literatur. In der Galerie Artmark in Wien hat er eine Ausstellung kuratiert, die vom Beginn des Grabspruchs von Rainer Maria Rilke ausgeht: "Rose, oh reiner Widerspruch".Von dem bekannten Grenzgänger Reinhold Aumaier bis zu unbekannten jungen Künstlern sind hier Werke verschiedenster Techniken und Stilrichtungen und auch unterschiedlicher Qualität versammelt, die sich auf die
Waren Martin Walser, Siegfried Lenz und Dieter Hildebrandt NSDAP-Mitglieder, ohne davon zu wissen?Günter Grass Mitglied der Waffen-SS, Martin Walser, Siegfried Lenz und der Kabarettist Dieter Hildebrandt Mitglied der NSDAP? Hat jeder Schriftsteller dieser Generation etwas zu verschweigen? Nicht nur Grass, der die Moralkeule gegen andere Verschweiger geschwungen hat, sondern auch der so ganz anders geartete, öffentlich aus persönlichen Befindlichkeiten argumentierende Walser?Walser in der Nazi-Partei - was für ein gefundenes Fressen für die Linken, die ihm noch immer nicht verzeihen
Der slowenische Lyriker Tomaž Šalamun und sein Übersetzer Fabjan Hafner erhalten am 6. Mai den Preis für Europäische Poesie. Aleš Šteger repräsentiert die junge Lyrik seines Landes.Als Staat ist Slowenien einer der jüngsten und kleinsten Europas, doch in der Literatur, zumal in der Poesie, ist es eine Großmacht. Sre\0x02C7cko Kosovel, Edvard Kocbek oder Dane Zajc sind lyrische Fixsterne des 20. Jahrhunderts - wie Tomaž Šalamun, von dem ein Auswahlband seines Übersetzers Fabjan Hafner vorliegt, für den beide mit dem Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie ausgezeichnet
Im Wiener 3raum-anatomietheater spielen drei Personen Hannah Arendt.Hannah Arendt ist eine faszinierend klare Denkerin, und ihre Sätze faszinieren sogar dann noch, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden. Oder wenn sie skandiert, gestottert, zerhackt und geschrien werden.Das alles geschieht derzeit im 3raum anatomietheater in Wien. Denn dort gibt man Hannah Arendt im Trialog - was ledigleich bedeutet, dass eine Collage ihrer Texte auf drei Personen (Karola Noederhuber, Tania Golden und Florian Carove) aufgeteilt werden.Wozu das gut sein soll? Wenn man darüber nachdenkt, kann man sich
Julian Schuttings neuer Roman umkreist eine Liebe in einzigartigen Sprachvariationen.Ein mit wenigen Strichen gezeichnetes Fenster, durch das der Mond zu sehen ist: Selten wird ein Umschlag dem Inhalt eines Buches so gerecht wie bei Julian Schuttings neuem Roman Zu jeder Tageszeit, in dem die Liebenden in Nachbarschaft wohnen und einander durch ihre Fensterblicke Tag und Nacht nahe sind. Und auch der Mond ist präsent: als Requisit der Liebesdichtung seit Goethe und als real erlebte Natur wie die vielen Orte und Wege, auf denen Wien - vor allem an seinen Rändern - durchwandert wird.
Wojciech Kuczok ist in Polen ist auch in deutscher Übersetzung ein literarischer Jungstar. Seine Radikal-Prosa ein glühendes Lektüre-Erlebnis.Die polnische Provinz ist voll realer Tristesse, aber literarisch eine blühende Landschaft. Nicht nur der in Warschau geborene und mittlerweile zum Starautor avancierte Andrzej Stasiuk oder die Schlesierin Olga Tokarczuk zeichnen sie nach, sondern auch Autoren, die in den 1970er Jahren geboren sind; und ihre Prosa ist alles andere als provinziell oder gar idyllisch: Im Vorjahr haben Daniel Odijas Roman Das Sägewerk Furore gemacht und Wojciech
Das poetische Lebenswerk eines Klassikers des 20. Jahrhunderts: Der rumänische Dichter Gellu Naum, übersetzt von Oskar Pastior.Fällt der Name Gellu Naum, rastet sofort die Schablone "Surrealist" ein. Und in der Tat hat sich der Rumäne, der 1938 sein Philosophiestudium an der Sorbonne fortsetzte und mit André Breton in Kontakt kam, zeit seines Lebens zum Surrealismus bekannt. "Ich mache keinen Surrealismus, ich bin Surrealist", pflegte er zu sagen. In seinen Gedichten konnte er Synästhesien in Szene setzen wie diese: Ich träumte akustische Landschaften / von tönenden Hügelzügen
Die letzten Gedichte des großen Lyrikers Robert Creeley in einer zweisprachigen Ausgabe.Ernst Jandl, Klaus Reichert und Erwin Einzinger haben ihn übersetzt, Suhrkamp und Residenz verlegt: Robert Creeley, einen der bedeutendsten amerikanischen Lyriker des 20. Jahrhunderts, der auch einen Roman (Die Insel) und Erzählungen (Die Goldgräber sowie Mabel: eine Geschichte) geschrieben hat, und nicht zuletzt eine Autobiographie, die schon durch ihre sensationelle Kürze (62 Seiten!) aus dem Rahmen ihrer Gattung fällt. 2005 ist Creeley im texanischen Odessa 78-jährig verstorben und Jochen Jung,
Juri Andruchowytsch entwirft in seinem Roman "Moscoviada" ein groteskes Panoptikum vom Untergang der Sowjetunion.Mit seinem Roman Zwölf Ringe und dem Essayband Das letzte Territorium wurde Juri Andruchowytsch fast zur alleinigen Verkörperung ukrainischer Literatur im deutschen Sprachraum. Der Roman Moscoviada hat ihn vor fast eineinhalb Jahrzehnten zum literarischen Jungstar seiner Heimat gemacht. Er verarbeitet darin offenkundig eigene Erlebnisse: seine Studienjahre 1989-91 am Moskauer Maxim-Gorki-Institut.Das Alter ego des Autors im Roman trägt den klingenden Namen Otto von F. - eine
In der "Scala" in Wien-Wieden ist Artmanns Fassung von Jarrys "König Ubu" zu bewundern.König Ubu, den Vater vieler Figuren des absurden Dramas, muss man nicht mehr eigens vorstellen. Aber wenn er in der "Weanerischen" Übersetzung von H. C. Artmann zum Vater Ubu in Bademantel und Schlapfen mutiert, liegt die rabiate Dämonie des Kleinbürgertums blank - was für eine Vorlage für das Theater zum Fürchten in der Wiener "Scala".Alfred Jarry & H. C. ArtmannUnd es gelingt dieser Aufführung (Regie: Marcus Ganser), die antiillusionistischen Impulse Alfred Jarrys umzusetzen - wenn etwa
Literarische und fotografische Blicke auf verlorene europäische Peripherien.Es gibt ebenso viele Arten des Verfalls, wie es Orte gibt", schreibt der norwegische Schriftsteller und Journalist Vetle Lid Larssen in seinem Essay über die Insel Vardø am östlichsten Zipfel Skandinaviens. "Die Europastraße E75, die in Sitia auf Kreta beginnt, endet hier. Auf einer Müllkippe. Weiter kommt man nicht." Der einst mythenumwobene äußerste Nordosten Europas erscheint alles andere als romantisch: "Innerhalb von zehn Jahren sind aus 3000 Einwohnern 2000 geworden. Aus 400 Arbeitsplätzen in der
Ein Buch als Lebensretter - H. C. Artmanns Lektüre in der Wienbibliothek im Rathaus.Von wenigen Autoren ist es so interessant zu sehen, was sie wirklich gelesen haben, wie gerade von H. C. Artmann. Denn die Geschichten, die er über seine Bücher erzählte, waren fast zu gut, um wahr zu sein. Warum sollte der poetische Flunkerer, dessen erfundener Geburtsort St. Achatz am Walde selbst in seriöse Artikel Eingang fand, nicht auch ein Buch erfunden haben. Und wenn ein Dichtersmann wie er erzählte, ein Buch habe ihm das Leben gerettet, weil es eine feindliche Gewehrkugel umgelenkt habe, so
Warum nicht nur die Südtiroler in Italien, sondern auch die Ungarn Rumäniens in ihrer Muttersprache studieren wollen.Vielleicht war der Titel ja tatsächlich missverständlich: Es geht nicht nur um das Taferlrücken in Klausenburg (Furche Nr. 2, Seite 3), sondern um die Chancen der ungarischsprachigen Staatsbürger Rumäniens auf eine höhere Bildung und ihr Recht, ein Studium in ihrer Muttersprache zu absolvieren. Für diese Möglichkeit freilich ist die Situation an der Universität Klausenburg zentral, wie deren nach der Anbringung ungarischer Aufschriften entlassene Lehrer Péter Hantz
Nicht nur Jörg Haider lässt zweisprachige Tafeln abmontieren: an einer rumänischen Universität sind sie gar ein Entlassungsgrund.Als Ungar in Rumänien weiß man nie, wo man in seiner Muttersprache sprechen kann - bei Polizei, Gerichten und Behörden in der Regel nicht. Dabei sind die 1,5 Millionen Ungarn in Rumänien nach den spanischen Katalanen die größte Sprachminderheit im heutigen Europa und machen 6,6 Prozent der Bevölkerung Rumäniens und gar 21 Prozent der Einwohner Siebenbürgens aus. Es gibt Gebiete, wo die Ungarn sogar die Mehrheit sind, es gibt Orte friedlichen
Agnes Husslein-Arco hat am 1. Jänner ihr Amt als Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere übernommen und möchte das traditionsreiche Haus aus dem Dornröschenschlaf wecken. Im furche-Gespräch stellt sie ihr Konzept und ihre ersten Ausstellungen vor.Die Furche: Nach harmonischen Tönen zwischen Ihnen und Ex-Direktor Gerbert Frodl im Zuge Ihrer Bestellung hat zu Jahresende plötzlich ein rauerer Wind geweht. Frodl hat in einer Pressekonferenz die finanzielle Situation des Belvedere durchwegs positiv skizziert, Sie sehen die finanzielle Situation kritisch.Agnes Husslein-Arco: Extrem
Der EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien ist ein Grund zum Feiern - gerade für Österreich, das gut daran verdient und sich trotzdem fürchtet.Die Herren Doktoren in Brüssel sollten wissen, dass sie nicht einen Kollegen aufnehmen, sondern einen Patienten", sagte der bedeutende rumänische Lyriker und Bürgerrechtler Mircea Dinescu in der Frankfurter Rundschau. Spricht man mit bulgarischen Intellektuellen, so hört man mehr Stolz auf die eigene Kultur, nicht zuletzt auf das kyrillische Alphabet, das ihr Land nun als drittes in die EU einbringt. Die Bürgerinnen und Bürger der beiden
Zum 50. Geburtstag von Robert Walser: Jürg Amanns literarische Biographie neu aufgelegt.Er ist einer der am meisten mystifizierten Poeten, und bisweilen scheint es, als hätte er sein Werk gelebt: die psychische Erkrankung wie den Tod im Schnee am Weihnachtstag 1956 hatte er längst an anderen beschrieben, ehe sie ihn selbst ereilten. Robert Walser, eine Ikone nicht nur der Schweizer Literatur, wurde zu Lebzeiten ebenso gründlich verkannt wie er die Verkennung inszeniert hat: Unfähig zum großen "Auftritt", lies er bei seiner einzigen Lesung in der Schweiz jemand anderen für sich lesen und
"Dossier K." von Imre Kertész - Spitzentitel der ORF-Bestenliste im Dezember.Aus meiner Geschichte erfahre ich nicht, was mit mir geschehen ist: doch das wäre nötig", schrieb Imre Kertész in seinem Roman Liquidation. Darum weigert er sich konsequent, einfach nur seine Geschichte zu erzählen - auch im Dossier K., das sich auf den ersten Blick als Interview gibt. In der Vorbemerkung notiert Kertész, es gehe auf ein Gespräch mit seinem Freund und Lektor Zoltán Hafner zurück; die Angabe, dass Hafner den vorliegenden Text redigiert hat, entfällt aus unerfindlichen Gründen in der
Neue Briefe und das Werk in günstigen Ausgaben.Der 50. Todestag von Gottfried Benn hat nicht nur neue Biografien und Deutungen verursacht (siehe Dossier Furche Nr. 26), sondern auch sein Werk und wichtige Briefe neu zugänglich gemacht. So sind etwa die Statischen Gedichte, deren Erscheinen 1948 im Schweizer Arche Verlag den Beginn von Benns Nachkriegsruhm eingeleitet hat, in einer Neuausgabe erschienen, die auch die Korrespondenz mit dem Verleger enthält und so die ersten Schritte des seit 1937 verfemten und schweigenden Dichters in die literarische Öffentlichkeit dokumentiert. Ein großes
Eine Reise in das Land, dessen Literatur sich demnächst in Wien präsentiert.Griechenland ist nur im Urlaub ein Traum. Arbeitet man mit Institutionen des Landes zusammen, ist man dem berüchtigten griechischen Organisationstalent ausgesetzt: Keine Chance, dass die Programmdetails rechtzeitig vorliegen, und kommt man ins Land, ist sowieso wieder alles anders. Auch die Olympic Airways lässt ihre Gäste einfach in der Wartehalle stehen und die Abflugzeit ungerührt verstreichen, ohne auch nur eine Meldung über die Verspätung abzugeben. Der griechische Charme scheint auch nur in den
Ausgangspunkt war der Südbahnhof auch für mich, als ich Mitte der 1980er Jahre zum ersten Mal nach Litauen fuhr, aber diesen Ausgangspunkt musste man, von Salzburg kommend, erst einmal erreichen! Als Einwohner dieses Schmuckkästchens habe ich mich damals für so manchen verkommenen Ort in Wien geschämt, und ganz besonders für den Südbahnhof. Und noch heute überkommt mich ein Furor, wenn ich in dieser weitläufigen Düsternis nach der simplen Information suche, wann und wo denn mein Zug abfährt.Dass der Balkan am Südbahnhof beginnt, wäre mir freilich nie in den Sinn gekommen - dazu
Am 14. Oktober wäre Hannah Arendt (1906 - 75) 100 Jahre alt geworden. Die Jaspers-und Heidegger-Schülerin (bei letzterem auch dessen Geliebte) war eine der Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, die auch und gerade durch die Schoa, der sie mit Mühe entkommen war, geprägt wurde. Hannah Arendt ist wieder zu entdecken - als Nach-Denkerin über das Böse (S. 22), als Vor-Denkerin über das Leben von der Geburt her (S. 23) und in Zeiten eines "Kriegs gegen den Terror" als politische Denkerin (S. 24). redaktion: otto friedrichDas Leben einer Theoretikerin zwischen den Kontinenten, die immer aktueller
Heute beginnt der steirische herbst. Die neue Intendantin Veronica-Kaup-Hasler nennt im FURCHE-Gespräch die Grundlinien ihres Programms. Sie glaubt an eine Kunst, die Erfahrung und Denken erweitert und Grenzen überschreitet. Der steirische herbst ist kein Gastspiel-Reigen, sondern ein Festival, das eigene Produktionen und Prozesse ermöglicht.Die Furche: Frau Kaup-Hasler, am 21. September beginnt der steirische herbst 2006. Es ist das erste Festival Ihrer Intendanz, was machen Sie neu?Veronica Kaup-Hasler: Ich sehe mich nicht als Neuerfinderin, die behauptet: Jetzt wird alles ganz neu. Mir
Vor 250 Jahren - am 15. September 1756 - wurde Karl Philipp Moritz geboren. Zwei Ausgaben eröffnenneue Zugänge. Der Roman "Anton Reiser" hat nichts von seinem Schrecken verloren.Die Aufmerksamkeit des Menschen mehr auf den Menschen selbst zu heften und ihm sein individuelles Dasein wichtiger zu machen" - das nennt Karl Philipp Moritz in der Einleitung zu seinem Anton Reiser als Ziel. Und wer diesen Roman je aufgeschlagen hat, weiß: Der Weg dorthin tut weh. Denn der vor 250 Jahren geborene Autor zwingt sich hinter der Maske des Anton Reiser noch einmal durch die eigene Kindheit, zeigt
Seit zwei Jahren führt Kristjan Järvi die "Tonkünstler" auf neue Wege.Ab 29. September beginnen drei Zyklen im Musikverein.Seit zwei Jahren leitet Kristjan Järvi die "Tonkünstler", und das Orchester hat ein völlig neues Image. "Alles so spielen, als wäre es zum ersten und zum letzten Mal", lautet das Credo des aus Estland stammenden Dirigenten. Und er ist im Furche-Gespräch überzeugt: "Wenn die Zuhörer eine wirkliche Erfahrung machen, werden sie auch vergessen, was nicht perfekt war." Das Feuer, die Inspiration muss überspringen.Am 29. September dirigiert Järvi eine Rarität, die
60 Jahre Dichterin, 50 Jahre Bücherleben. Rede zu Friederike Mayröcker.Verehrte Damen und Herren, am Beginn möchte ich uns zwei Jubiläen in Erinnerung rufen und Ihnen, liebe Friederike Mayröcker, dazu gratulieren: 60 Jahre sind es heuer, dass Sie Ihr erstes Gedicht veröffentlicht haben - 1946 in Otto Basils Zeitschrift Der Plan - und vor einem halben Jahrhundert ist Ihr erstes Buch erschienen: "Larifari".Ich bin glücklich über den Titel "Poetisches Universum" - schon deswegen, weil man ein Universum weder erklären noch umfassend beschreiben kann und Sie daher das auch nicht von mir
István Eörsi reflektiert den ungarischen Kommunismus in ironischen Brechungen und schaut sich dabei selbst ins Auge.Glühender Theatermann, Romancier, Essayist und Übersetzer - all das war der im Vorjahr verstorbene István Eörsi. Ursprünglich ein überzeugter Kommunist, wurde er zum konsequenten Gegner des Stalinismus. 1956 wurde Eörsi wegen Beteiligung am Ungarn-Aufstand zu acht Jahren Haft verurteilt, die Hälfte davon hat er abgesessen. Um die Zeit zwischen der Entlassung aus dem Gefängnis und der Wende von 1989 geht es in dem Roman - reflektiert aus der Distanz des Jahres 2001, wo
Wenn mir in der Schlange vor der Supermarktkasse ein Mädchen mit Kopftuch, das bislang mit seinen Eltern türkisch gesprochen hat, eine Frage in einem so schönen Deutsch stellt, wie man es in Wien selten hört, dann wundere ich mich nicht, sondern habe das Gefühl, sie schon ein wenig zu kennen. Denn von Inimini, einer Hauptfigur in Barbara Frischmuths Roman "Der Sommer, in dem Anna verschwunden war", habe ich viel erfahren vom Leben zwischen den traditionellen österreichischen und türkischen Mentalitäten. Und wenn ich an den Naschmarkt denke, so fallen mir, seit ich Barbara Frischmuths
Vor 50 Jahren starben die prägenden Antipoden der deutschen Nachkriegsliteratur: Gottfried Benn und Bertolt Brecht. Julian Schutting wirft einen spezifischen Blick auf Benn, Raimund Fellinger beschreibt, wie Brecht österreichischer Staatsbürger wurde und einen Gegen-Jedermann für die Festspiele schreiben wollte. Weiters wird Brecht als überraschend eigenwilliger Psalmendichter vorgestellt und ein kritischer Blick auf die neue Literatur über Gottfried Benn geworfen. Redaktion: Cornelius Hell und Brigitte Schwens-HarrantIm ersten Nachkriegsjahrzehnt waren Gottfried Benn und Bertolt Brecht
Patrice Bollons Essay rekonstruiert die intellektuelle Biographie des jungen E. M. Cioran: Der luzide Skeptiker war in seiner Jugend fasziniert von Gewalt und ein Hitler-Verehrer.Als großer Einzelgänger abseits der Pariser Schriftsteller-und Intellektuellenszene ist E. M. Cioran bekannt geworden, seine radikale Skepsis in Verbindung mit einer lebenslangen Auseinandersetzung mit der Mystik sowie sein Faible für die außenseiterischen Traditionen des Christentums, vor allem aber die Form seiner luziden Aphorismen machten ihn einzigartig. Sehr spät erst wurde Ciorans rumänisches Jugendwerk
Warum die Jury-Entscheidung falsch war - und die Stadt Düsseldorf ihr trotzdem folgen müsste.Peter Handke als Heine-Preisträger - eine aberwitzige Jury-Entscheidung. Literarisch, da Handke das Gegenteil von Heines Ironie verkörpert. Und politisch, weil man sich Heine wohl kaum am Grab eines Staatsmannes vorstellen kann - von einem Kriegsverbrecher wie MilosÇevic´ gar nicht zu reden. "Eigensinnig wie Heinrich Heine verfolgt Peter Handke in seinem Werk seinen Weg zu einer offenen Wahrheit. Den poetischen Blick auf die Welt setzt er rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung und
Bekannt aus vielen Film-und Fernsehrollen, steht der Autor und Herausgeber Miguel Herz-Kestranek oft im Schatten des Schauspielers. Im furche-Gespräch erzählt der Vize-Präsident des Östereichischen P.E.N.-Clubs, wie er durch das Schicksal seines Vaters zum Herausgeber österreichischer Emigrationsliteratur geworden ist.Die Furche: Herr Herz-Kestranek, zwei Theaterengagements haben Sie selbst beendet, das dritte wurde beendet. War Ihre Liebe zum Theater eine unglückliche?miguel herz-kestranek: Es hat sich einfach nicht mehr ergeben. Zum einen habe ich kaum mehr Angebote bekommen, zum
Katharina Geiser hat ein überflüssiges Wien-Buch geschrieben - und es wurde leider veröffentlicht.Es hätte ja ein gutes Buch werden können: Eine Schweizerin entdeckt im Jüdischen Museum in Wien eine Schachtel, die das Ehepaar Franz und Anni Bial für die Tochter Lilli gepackt hat; die Eltern wurden deportiert und ermordet, Lilli, die mit dem Kindertransport nach England kam, hat die Schachtel nie erhalten. Die Erzählerin Jula Fink will "Schriften und Erzählungen wie einen Handlauf" benutzen und in Wien ganz eintauchen in die Geschichte der Bials und in ihre Zeit.Das jüdische Wien der
Die reale und imaginäre Topographie eines Landes - und warum es nicht dort liegt, wo es Barbara Coudenhove-Kalergi in der "Presse" gesucht hat.Wer oder was ist Sarmatien? Und wo liegt es?" hat Barbara Coudenhove-Kalergi kürzlich im Spectrum der Presse gefragt. Und mitgeteilt, sie sei dem Wort erstmals im Warschauer Nationalmuseum beim Betrachten der Porträts polnischer Adeliger in "sarmatischer" Tracht begegnet. Hätte sie diese Spur weiterverfolgt, könnte sie erklären, warum Martin Pollack in seinem aufregend vielfältigen und aktuellen Sammelband "Sarmatische Landschaften" Beiträge
Ein Gespräch mit Harald Kosik über die Welturaufführung der Schottischen und Walisischen Lieder von Joseph Haydn.In Eisenstadt geboren, das Haydn-Konservatorium absolviert, aufgewachsen im Schatten des Genius loci - so mancher hätte dabei vielleicht genug bekommen vom Haydn-Kult. Spricht man jedoch mit Harald Kosik, dem Pianisten des Haydn-Trios, so leuchten seine Augen, wenn er von Haydns "Variantenreichtum in all seinen musikalischen Sprachen" erzählt.Derzeit hat Kosik vor allem den 13. Mai im Blick: Da wird er zusammen mit dem Trio sowie der Sopranistin Lorna Anderson und dem Tenor
Zum achten Mal erwies sich die Stadt als guter Ort für Gedichte - und bot ein absurdes Lehrstück über Kunst und Kommerz.Dass Lyrik nicht nur wert ist gelesen zu werden, sondern auch Klangerlebnis sowie Mittelpunkt eines Gesprächs sein kann, das sich weder hinter germanistischen Beckmessereien noch hinter subjektiven Erlebnissen verschanzt, das hat der Meraner Lyrikpreis letztes Wochenende zum achten Mal bewiesen. Dass die Qualität der Texte von enormer Dichte und die Jury auf fünf Mitglieder reduziert worden war, hat dieses Gespräch intensiver gemacht als je zuvor."Lyrik ist Arbeit an
Die Meraner Preisträgerin Ulrike A. Sandig über das Schreiben von Lyrik.Die Furche: Frau Sandig, dem Träger des Meraner Lyrikpreises 2000, Lutz Seiler, ist es zu verdanken, dass Sie Ihre Texte eingereicht haben; welchen Umständen ist es zu verdanken, dass Sie überhaupt zu schreiben begonnen haben?Ulrike A. Sandig: Ich denke, viele von uns fangen in einer Zeit an, wo die Orientierung fehlt, wo das Glück fehlt, wo man nicht weiß, wohin mit sich und wohin mit seiner Umwelt, und unglücklich ist. So war das auch bei mir. Aber ernster geworden ist es für mich in einem Plakatprojekt, das ich
Die Furche: Frau Mattl-Wurm, was hat Sie als Historikerin und Ausstellungsmacherin an der Bibliothek gereizt?Sylvia Mattl-Wurm: Dass es sich bei der Bibliothek um eine Schwesterinstitution des Museums handelt: alles Visuelle wird im Museum aufbewahrt, während hier in der Bibliothek alles Textliche vorhanden ist. Es war mir auch bewusst, dass die Sammlungen der Bibliothek ganz außerordentlich wertvoll sind, und darin liegt auch ein ganz großer Reiz.Die Furche: Die drei großen Wiener Bibliotheken - Nationalbibliothek, Universitätsbibliothek und Wienbibliothek - sind in Frauenhand; wir