Sie ist jung, schön und sensibel, einziges Kind eines wohlhabenden Vaters, der ihr den fremden, reichen Reeder zum Mann bestimmt hat. Eine sorglose Zukunft erwartet sie, die sie nicht genießen wird, da sie sich einem Phantom zuliebe ekstatisch und konsequent in den Selbstmord hineinsteigert. Denn sie ist wahnsinnig. Ihr Name: Senta Daland.Als Richard Wagner sich 1838 in Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ vertiefte, wurde für ihn die Ballade der Senta zum Mittelpunkt seiner neuen Oper. „Ich entsinne mich, noch ehe ich zu der Aufführung des Fliegenden Holländers schritt,
Daß unlängst ein Kritiker der Londoner „Times“ enthusiastisch schrieb: „Im Westberliner Theatertreffen wird die anhaltende Lebenskraft des deutschen Theaters offenbar“, stimmt besonders in der Retrospektive nachdenklich. Sowohl in bezug auf die ausgewählten „bemerkenswerten Inszenierungen deutschsprachiger Bühnen“, wie durch die hartnäckige Beschränkung auf die Bundesrepublik. Leider fehlte wieder einmal Österreich. Das Rahmenprogramm war attraktiv. Da gab es einen „Stückemarkt“ mit Lesungen junger Autoren, lyrische und ironische Songpoesie berühmter Chansonniers der
In der Gesellschaft von heute, die das Sterben so gern verdrängt, scheint dieses Thema plötzlich aktuell zu werden. Österreichs Pastoralkommission, befragt über das Recht des Menschen auf einen gnädigen Tod, auf ein Sterben in Würde, hat kürzlich dazu Stellung bezogen.Wem es nicht vergönnt ist, daheim im Kreise seiner Angehörigen aus dem Leben zu scheiden, muß den Tod im Krankenhaus erwarten. Hier ist er weitgehend auf Hilfe und Trost von Ärzten, Schwestern und Seelsorgern angewiesen. In ihre Hände gegeben sind Ausmaß und Zeitpunkt der Aufklärung über den Zustand des Patienten.
„Tagen der russischen und sowjetischen Musik“ begegnet man zur Zeit in Österreich: Vierzehn Konzerten, in deren Rahmen Künstler wie Andrej Gawrilow, Wladimir Krajnew, Alexander Dmitrijew sich präsentieren Gleich das erste, mit Leningrads Orchester Nummer 2, also den Symphonikern, mit dem Yurlow-Chor, dem Solisten Jewgeni Neste-renko und dem erfolgreichen Pianisten Gawrilow im Musikverein, wurde zu einem Fest des schönen Klanges. Wenn auch die aufgeführten Werke zum Teil kühl ließen Ein „Triptychon“ von Swiridow und Schostakowitschs Kantate „Stenka Rasin“ (1964) sind typische
Nicht annähernd so traditionsbela-stet wie das Wiener Burgtheater, versteht es Zürich dennoch, mit kaum geringerem Stolz auf sein Schauspielhaus hinzuweisen, das vor allem im letzten Weltkrieg zu legendärem Ruhm gelangte. Mit zäher Liebe hängen die Eidgenossen an dem 1889 errichteten, technisch längst unzureichend gewordenen Gebäude, zu dessen Umbau man sich jetzt entschlossen hatte. In 19 Monaten wurden für fast 20 Millionen Franken Verbesserungen getroffen, darunter eine Studiobühne im Keller unter dem erweiterten, aber noch immer recht kläglichen Foyer. Geblieben sind der
Zwischen dem Steirischen Herbst und den Berliner Festwochen 1977 läßt sich vor allem auf dem Musiksektor eine Parallele ziehen: Deutliche Rückkehrbestrebungen zu Tonalität und nostalgisches Sentiment. Das Leitmotiv der Darbietungen - Aufbruch zu neuen Wirklichkeiten im ersten Drittel unseres Jahrhunderts - spiegelte sich in beachtlicher Repertoirefülle verschiedenartigster Kompositionen wider und bewies, bei einem gewissen Verlust des revolutionären Charakters, zwingende Aktualität. Nach der großen Ablöse, der Wende in der Musik vom Idealen zur Realität, war der daraus resultierende
Hunderttausende in Dorf und Stadt Helen der Pest zum Opfer. Sie ist eines der großen europäischen Traumata. In maßloser Angst beschworen die Menschen Gott, machten Gelübde auf Zeit oder gar Ewigkeit, zum Dank für gnädige Errettung die Geschichte vom Leiden und Sterben des Herrn darzustellen - einmal, öfter, jährlich oder nur alle zehn Jahre - wie hier in Oberammergau, wo 1633 in drei Wochen 84 Einwohner des kleinen Dorfes starben. Die Seuche versiegte, und bereitsl634 war das erste Spieljahr, wurde mit der Erfüllung der heiligen Pflicht begonnen. Wie alle zehn Jahre, wird 1980 das Passionsspiel abgehalten. Die Generalprobe fand heuer statt.
Der westlichen Welt spektakulärste Kunstschau begann mit einem handfesten Krach: Noch vor Eröffnung der documenta 6 in Kassel legten die Verantwortlichen für die Abteilung Malerei und Photographie ihr Amt nieder: als Protest gegen eine „von Kunsthändlern erzwungene Umhängeaktion” und weil die räumlichen Voraussetzungen zur Ausstellung der Arbeiten von 18 Photokünstlern in der Neuen Galerie nicht termingerecht geschaffen wurden.
Berlin hat das 14. Theatertreffen überstanden, und damit die von einer fragwürdigen Jury nominierten zehn „bemerkenswertesten Aufführungen“ der letzten Spielzeit im deutschen Sprachraum. Österreich war wieder einmal nicht vertreten, kann auch vorläufig noch nicht einem Massenangebot ähnlicher Geschmacklosigkeiten, wie sie in Berlin gezeigt wurden, konkurrieren.
BeimBerliner Theatertreffen wurdeeineFaust-Inszenierung von Claus Peymann gezeigt, die der Zerstörung des Theaters, der Entwürdigung seiner Klassiker und seines Publikums, neue Maßstäbe setzt. Unrat wurde in den letzten Jahren zum immer beliebteren Theaterrequisit. Hier, so hat es den Anschein, stehen der Unrat und die Blasphemie erstmals im Mittelpunkt eines Regiekonzeptes, um den sich alles dreht. Peymann erklärt seine Inszenierung zum „Politikum“. Das ist sie. Aber anders, als er es meint.
Welch ein Unterschied zwischen den Wandertruppen, die mit ihren Menagerien mehr oder weniger seltener Tiere einst von Dorf zu Dorf, von Städtchen zu Städtchen zogen und den heutigen hochorganisierten Tiergärten, die zu einem Kulturbestand vieler Städte geworden sind! Und doch stellt sich mancher Besucher die Frage, ob sich die „wilden Tiere” im Tierpark wohl fühlen oder ob sich ihr Blick, der völlig uninteressiert über den Besucher hinwegzugehen scheint, voll Sehnsucht „in die Freiheit” richtet. Der Autor des vorliegenden Buches überzeugt den Leser, daß die Bewohner des
In einem 4stündigen Mammut- Oeuvre versucht Klaus Kirschner (BRD) der Persönlichkeit des jungen Mozart in optimaler filmischer Neudeutung gerecht zu werden. Seine Fir guren sind fast ausschließlich verlebendigte Großaufnahmen, sprechende Portraits in minutenlangen, kaum veränderten Einstellungen.’ Stumm, bar jeglicher Dialoge und bei sparsamster Handlung ertönt der knappe Kommentar jeweils nur im „Off’, man hört die Stimmen, während die Personen selbst auf der Leinwand schweigen. Der Text basiert auf Tagebucheintragungen und Briefzitaten von Mozart’ Vater und Sohn und bezieht
Einst war die Wiener Blumenmalerei eine spezielle Kunstsparte, mit Liebe und Akribie als Dekor für ein weltberühmtes Produkt ausgeübt: das Wiener Porzellan. Als 1864 die Wiener Porzellanmanufaktur, die seit 1718 bestand, durch kaiserlichen Erlaß geschlossen wurde, übernahm das österreichische Museum für Kunst und Industrie Radierungen, Handzeichnungen, Stiche und Aquarelle einer Gruppe von mehr als fünfzig Malern, deren Tätigkeit vor allem in feinen Blumenbildern für Porzellan ihren Ausdruck fand. Die Sammlung wurde in den folgenden Jahrzehnten um zahlreiche Aquarellstudien erweitert
Die Salzburger Kulturtage gaben sich auf dem musikalischen Sektor anspruchsvoll und vielseitig. Zwischen Orchester-, Kammer- und Solistenkonzerten sollte eine „Tosca“-Neuinszenierung das Prunkstück bilden. Aber für den verhinderten George London sprang kurzfristig Hans-Peter Lehmann (zukünftiger Operndirektor von Wiesbaden) als Regisseur ein, der in der geliehenen Münchner Ausstattung (Ekkehard Grübler), die auf der verkleinerten Gigantenbühne etwas verloren wirkte, nur solide, behutsame Spielführung bot. Die Attraktion des Abends: Sylvia Sass, eine 25jährige Ungarin, bereits mit
Der 200-Jahr-Feier der USA fühlten sich auch die Berliner Festwochen musikalisch verpflichtet. Es gab zwei farbige Ballettensembles: Alom Ailey mit Mary-Wigman-Tradition und das Dance Theatre of Harlem, ferner Twyla Tharp mit Rock-Anklän-gen und Trisha Brown, die in ihren meditativen Bewegungsstudien Probleme des Raumes und der Kinetik zu bewältigen sucht.
Wörtlich übersetzt heißt das Thema der „37. Biennale der bildenden Künste und der Architektur: Physische Umwelt“. Was die schöpferischen Menschen unseres Globus darunter verstehen, das präsentieren sie an etwa zehn verschiedenen Stellen der Inseln und Hauptinsel in Kirchen, Museen, Arsenalen und Pavillons bis zum 10. Oktober 1976.Es beginnt mit konventionellen Photodokumentationen der Exhibi-tionen des „Werkbundes“ von 1907 bis in die dreißiger Jahre zwischen angewandter Kunst und Architektur in der Ca' Pesaro. Prominente Namen wie Josef Hoffmann, Adolf Loos, Oskar Strnad,
Mit der Tendenz zur Entmystifizierung und gleichzeitigen Konkretisierung der Handlung macht Günther Rennert aus Wagners „Götterdämmerung“ ein höchst aktuelles Familiendrama. Wohl tastet er nicht die psychologischen Forderungen der Musik des „Ringes“ an, gibt aber dennoch dem Werk eine überraschend populäre, sehr privatmenschliche und unmittelbare Konzeption. Die Personalregie wirkt immer spontan, ungekünstelt, wie etwa in der leidenschaftlichen, auch räumlich dichten Unterhaltung der Nornen, in der herzlich-gelösten Abschiedsszene Brünhilde-Siegfried, in dem großzügigen
Das alljährlich stattfindende Berliner Theatertreffen ist kein Festival der Dichter und Interpreten, bietet kein Bühnenspektakel im großen Gesellschaftsrahmen, ist längst zu einer sozialkritischen Begegnung mit politischem Einschlag geworden und huldigt in wachsendem Maße dem neuen Star der Bühne, der diese, einem modernistischen Trend folgend, zur Manege umformt: dem Regisseur. Zwar wird der gesamte deutschsprachige Theaterraum großzügig zum Angebot, in der Auswahl beschränkt sich jedoch die zehnköpfige Jury fast ausschließlich auf Westdeutschland und Westberlin, mit einer diesjährigen Ausnahme: Zürichs „Theater am Neumarkt“. In dieser Beschränkung liegt immer wieder eine große Gefahr und eine gewisse Enttäuschung, denn die Preiswürdigkeit nur einer „bemerkenswerten Inszenierung allein rechtfertigt weder schwache Inhalte noch unzureichende darstellerische Leistungen, genügt nicht einmal als Attribut für zu Recht vorausgesetzte Akkuratesse, läßt sogar — gemessen an Vergleichen mit Darbietungen im österreichischen Raum, gelegentlich Kompetenzzweifel aufkommen.
Es war ein Jubiläum von seltener Fülle und Breitenwirkung: Berliner Festwochen, zum 25. Male. Man präsentierte einen Querschnitt durch das Werk Kurt Weills, man veranstaltete einen Zyklus mit der Akademie der Künste, Thema: „Als der Krieg zu Ende war“ — Dokumentationen in Musik, Dichtung, Malerei und Film aus der Zeit zwischen 1945 und 1950 und man zeigte die Welt des Mittelmeeres als Zentrum der Kulturen zwischen Ost und West in dem musiktheatralischen Auftragswerk „Mare Nostrum“ von Mauricio Kagel. Traditionelle Tanz- und Wortgastspiele belebten das imponierende Panorama: New York (La Mama), Tokio (N6), Sevilla, Neapel, Mailand, Paris standen auf dem Programm. Den „guten Wein“ aber hatte man bis zuletzt aufgehoben.
Berlin lud ein: zum 16. Kongreß des internationalen Theaterinstitutes in der UNESCO, an dem sich Fachleute aus 49 Ländern beteiligten: zu einem internationalen Musiktheater-Collo-quium und zum 12. Theatertreffen, das „bemerkenswerte'“ Inszenierungen des Jahres aus dem deutschsprachigen Raum präsentierte. Vergleicht man allerdings die Liste der Werke, die zur Diskussion standen (so „Die Jagdgesellschaft“ und „Trilogie der Sommerfrische“ des Wiener Burgtheaters und „Warten auf Godot“ vom Berliner Schiller-Theater) mit der Reihe der endgültigen gewählten Werke, die eine zehnköpfige Jury als „bemerkenswert“ erachtete, so schleichen sich insgeheim leise Zweifel an der Kompetenz dieser Sachverständigen ein.
„Der Freunde, der daher kam und große Reden führte, war mir wie ein Wunder, aber dann habe ich die Schlägerei vor dem Hause gesehen und den Hieb mit der Hacke, und jetzt erkenne ich den Abgrund zwischen einer Heldensage und der schmutzigen Wirklichkeit.”So bekennt die Schankwirtstochter Pegeen am Schluß der Oper, als ihr eine Welt zusammengebrochen ist. Eine Welt, deren Mittelpunkt der „Held” Christy bildete, ein frustrierter, verängstigter Bursche, der meint, in einem Anfall von Auflehnung seinen herrischen Vater mit der Hacke erschlagen zu haben. Darauf flüchtet er in die
Die Berliner Festwochen unterscheiden sich von den meisten europäischen Festspielen durch Struktur, Eintrittspreise und Publikum. Weit weniger elitär als etwa Bayreuth, Salzburg, München oder Wien, bemühen sie sich doch um eine größere Breitenwirkung, indem sie nicht nur Konzerte und Bühnenwerke vorstellen, sondern auch wesentlichen künstlerischen Anlässen in Form von Gedächtnisausstellungen Rechnung tragen oder reizvolle Konfrontationen zwischen Vergangenheit und Gegenwart bieten. Die Eintrittspreise der Veranstaltungen werden nicht erhöht, die Konsumenten sind neben zahlreichen Gästen vor allem die Berliner selbst. Durch die Vielfalt der Darbietungen, die sowohl Neuinszenierungen als auch Repertoiretheater umfassen, Gastspiele, Sonderausstellungen und künstlerische Kongresse koordinieren, erhalten die Berliner Festspiele ein eigenes Profil.
Es begann so vielversprechend: Eine knappe Einführungsrede des Theaterkritikers und Jurymitglieds Friedrich Luft, dann — allerdings außer Programm — eine Proklamation des Volksbühnenpersonals für Finanzaufbesserung und danach der erste Diskussionsbeitrag „Die See“ von Edward Bond. Das Residenztheater München präsentierte unter der Regie des 25jährigen Luc Bondy ein beklemmend-groteskes Spiel zwischen den Elementen, die Wahnideen und Aufbegehren, Resignation und Bösartigkeit in den widersprüchlichsten Charakteren einer kleinen britischen Hafenstadt freilegen.