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Aktiv, bunt, vielfältig

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Schauplatz: der „Kinderbuchladen” in Wien. Nur ein paar Erwachsene sind hier, die stöbern, blättern, unschlüssig wirken. Ein Vorurteil scheint bestätigt: Die heutige Jugend liest nicht gern. Das richtige Buch für den Nachwuchs zu finden, fällt Eltern sichtlich schwer.

Dann - endlich - betritt eine Mutter mit Sohn die Szene. Der junge Mann, sechs, höchstens sieben Jahre alt, steuert zielstrebig ein Computer-Tischchen an, ignoriert dort aber Bildschirm und Tastatur und baut einen Stapel Bücher vor sich auf, die er durchblättert und treffend kommentiert: „Das ist gut, da kann man viele Tiere sehen. Und da geht es um die Umweltverschmutzung.”

Es gibt sie, die Fernsehsüchtigen, die Computer-Kids. Aber die meisten Kinder leben auch heute nicht in einer flimmernden Scheinwelt. Sie interessieren sich lebhaft für aktuelle Themen und verfügen über mehr Faktenwissen als Gleichaltrige früherer Generationen. Ob sie auch Zugang zu „ Kultur” finden - oder zu dem, was Erwachsene darunter verstehen — hängt, so der Wiener Psychologe Karl Grohmann, vor allem von der Art der Darbietung ab: Kultur wird angenommen, wenn sie Kindern vorgelebt und nicht aufgezwungen wird.

Schon bei Fünf- oder Sechsjährigen findet das einfach gestaltete Sachbuch Anklang, wenn es Antwort auf brennende Fragen gibt. Eltern können das fördern, indem auch sie des öfteren demonstrativ „im dicken Buch nachschauen”, bevor sie eine Kinderfrage beantworten. Zwar gibt es keine Garantie dafür, daß sich aus diesem zwanglosen Umgang mit Büchern später Freude am Lesen entwickelt -ein Grundstein ist damit aber jedenfalls gelegt. Das Angebot an Kinderbüchern ist differenziert genug, um -je nach Alter und Interessenschwerpunkt - geeigneten Lesestoff zu finden.

Insgesamt ist das Kulturangebot heute „kindgerechter” als noch vor wenigen Jahren. Immer mehr Museen bemühen sich, durch spezielle Kinderprogramme Hemmschwellen gar nicht erst entstehen zu lassen. Kinder, für die Erdgeschichte zum Erlebnis wurde, weil sie unter freiem Himmel Forscher spielen, fossile Muscheln aus dem Sand sieben und mit nach Hause nehmen durften, müssen später zwar nicht zwangsläufig zu begeisterten Ausstellungsbesuchern werden, aber immerhin assoziieren sie „Museumsbesuch” nicht mit Regentag und Langeweile.

Auch Theater und Musik werden für Kinder zum Erlebnis, wenn die Stücke altersgerecht ausgewählte und dargeboten werden - vielleicht sogar zum Mitspielen, Mittanzen und Mitsingen. Kinderaufführungen, die das erlauben, gibt es immer öfter, und sie werden mit Begeisterung aufgenommen.

Aktiv, bunt, vielfältig - so beschreibt auch Fritz Mairleitner, Direktor des Wiener Joseph-Haydn-Gymnasiums (1050 Wien, Rein-prechtsdorfer Straße 24), ein Milieu,

in r]om Kinrlov loirht pinp Rp7iphnn(r zur Kultur entwickeln. Voraussetzungen, die an dieser Schule in besonderer Weise gegeben sind: Sie wird von Schülern aus einundzwanzig Herkunftsnationen besucht. Gerade die -ebenso neugierige wie respektvolle Begegnung mit fremden Kulturen bildet eine gute Basis, um sich der eigenen, angestammten Kultur bewußt zu werden. Kulturelle Projekte zum Mitmachen sind bei den Schülern ebenso beliebt wie Theater-Gastspiele an der Schule. Mairleitner: „Einige unserer Schüler, Eltern und Lehrer teilen sich inzwischen sogar Abendabonnements.”

Wenn auch das kulturelle Niveau in der Familie eine wichtige Rolle spielt, sind kulturelle Interessen keineswegs den Kindern einer „Bildungselite” vorbehalten; heute weniger denn je. Mit ein Grund dafür ist die Medienpräsenz: Durch Zeitungen, aber auch durch das vielgeschmähte Fernsehen werden Kinder zwangsläufig auch mit „Kultur” konfrontiert.

Fernsehen bewertet Psychologe Grohmann im übrigen nicht als „grundsätzlich schlecht”. Wichtig sei, daß „dadurch nicht zuviel Zeit für Kreativität blockiert wird” und daß die Eltern beim Verarbeiten des Gesehenen helfen - also mit den Kindern darüber reden.

Dagegen warnt Grohmann vor Tendenzen, dem Kind den eigenen elitären Kulturbegriff aufzwingen zu wollen. „Kinder wollen aktiv sein und nicht gegängelt werden. Es ist normal, daß sie vieles ausprobieren. Ideal ist ein möglichst breites Angebot, aus dem sie frei wählen können.”

Ein solches Angebot gibt es heute. Daß Kinder, das künftige Publikum, eine wichtige Zielgruppe sind, haben viele Kulturveranstalter erkannt. Leider fehlt außerhalb Wiens oft die breitgestreute Information - schuld daran sind meist die knappen Werbebudgets der Veranstalter. Immerhin: Die Kulturreferate der Länder und Gemeinden können Auskunft geben. Fragen lohnt sich.

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