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Die Stimme des Lehrerbildners

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Die große Bedeutung der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit unserer Pflichtschullehrerschaft für Volk und Heimat ist unbestritten. Inhalt, Motive und Richtung dieser Arbeit werden zu einem großen Teil durch den Bildungsgang der Lehrer selbst bestimmt. Damit wird aber das aktuelle Problem der Lehrerbildung aufgeworfen.

Die Organisation der Lehrerbildungsanstalten beruht auf dem Organisationsstatut vom 26. Mai 1874 und auf der geänderten Fassung vom 31. Juli 1886, die mit Beginn des Schuljahres 188687 in Wirksamkeit trat. Demnach besteht die Aufgabe der Lehrerbildungsanstalten in der Heranbildung solcher Volksschullehrer, die nach ihrem allgemeinen und beruflichen Wissen und Können und hinsichtlich ihres Charakters geeignet sind, den Anforderungen des Reichsvolksschulgesetzes zu entsprechen, das heißt, durch sittlich-religiöse Erziehung der Kinder, durch Entwicklung ihrer Geistestätigkeit, durch Ausstattung mit den nötigen Kenntnissen und Fertigkeiten die Grundlagen zur Heranbildung tüchtiger Mitglieder der Gemeinschaft zu schaffen.

Nach diesen nun 80 bzw. 68 Jahre geltenden Grundsätzen und Weisungen werden die Lehramtszöglinge ausgebildet. Diese ganze Ausrichtung hat sich bisher bewährt, und es besteht kein Anlaß und keine Notwendigkeit, neue grundlegende Formen der Lehrerbildung zu suchen, bloß weil die bisherigen Formen schon so alt sind, was übrigens nur ihre Güte beweist. Eine organische Weiterentwicklung auf diesem ohne Zweifel guten Boden ist natürlich möglich und erwünscht. Seit 1945 sind bedeutsame, den Bedürfnissen der Zeit entsprechende Weisungen der Unterrichtsver- waltung ergangen. Es seien nur die Bestrebungen um die Landschule, die Einführung des obligatorischen Lateinunterrichtes und die damit verbundene Hochschulreife der Absolventen einer Lehrerbildungsanstalt genannt. Gerade im Zusammenhang mit den neuen Pflichtfächern Latein und einer lebenden Fremdsprache war man sich an den maßgeblichen Stellen gewiß im klaren, daß eine sechsjährige Ausbildungszeit der Lehramtsanwärter notwendig sein würde und dafür in absehbarer Zeit eine gesetzliche Fundierung geschaffen werden müsse. Die Forderung nach einer sechs- klassigen Lehrerbildungsanstalt, die auch von den Lehrerbildnern gewünscht wird, besteht wohl seit langer Zeit, ist aber nach der bedeutenden Erweiterung des Lehrstoffes jetzt besonders aktuell geworden. Der Ausbau zu sechsklassigen Lehrerakademien wird auch kaum von irgendeiner Seite bekämpft werden, doch müßten alle Anstalten, um den eingangs erwähnten Anforderungen der Lehrerbildung entsprechen zu können, als Vollanstalten erhalten bleiben. Dabei könnte an eine Zäsur etwa nach dem vierten Ausbildungsjahr gedacht werden, so daß die zwei letzten Jahre in besonderer Weise der berufswissenschaftlichen und berufspraktischen Ausbildung zur Verfügung stünden. Diese rein organisatorischen Fragen sind jedoch zweitrangig und könnten leicht einer Erledigung zugeführt werden. Die wesentliche Forderung muß dahin gehen, daß der zukünftige Lehrer während seiner ganzen Studierzeit für seinen Beruf ausgebildet und erzogen wird, und zwar in einer Anstalt, ohne Umschulung in einem Alter, in dem Charakter- und Persönlichkeitsbildung in ein entscheidendes Stadium getreten sind, in stetigem Kontakt mit seinen gewohnten Erziehern, der oft über den Abschluß der Studien hinaus erhalten bleibt und eine Atmosphäre zwischen Erzieher und Zögling, zwischen ehemaligem Lehrer und Schüler schafft, wie sie selten bei anderen Schultypen angetroffen wird. Dieser Umstand ist zusammen mit den Tatsachen, daß der berufstätige Lehrer auch noch späterhin an „seiner" Anstalt hängt, sich in besonderer Weise mit den Absolventen derselben Schule verbunden fühlt und diese Ver-bundenheit durch Vereine und Zeitschriften auch nach außen hin erkennbar macht, für die Fortbildung des Lehrers und sein Wirken in der Gemeinschaft von großer Bedeutung. Sollte jedoch eine Köpfung der Lehrerbildungsanstalten durchgeführt werden, das heißt sollten die zwei letzten Jahre losgelöst und an eigens zu schaffende Institute verlegt werden, so würde man sich entscheidend von einer persönlichkeitsformenden Lehrerbildung entfernen und einer bloß kursmäßigen Ausbildung zuwenden. Eine Sammlung der Abgänger aller verbleibenden Rumpfanstalten und der Mittelschulabgänger, die den Lehrberuf zu ergreifen wünschen, an solchen Instituten könnte nur zu einer Berufsausbildung mit stark uniformem Gepräge führen und bloß einen Massenbetrieb mit zusammengewürfelten Hörern ermöglichen, der auf die nötige Bildung des Charakters und der Persönlichkeit nicht den Einfluß nehmen könnte wie die bisherige Lehrerbildungsanstalt, die auch für die von ihr herangebildeten Lehrer allein verantwortlich ist. Die Bestrebungen, die Landschulfrage zu lösen, würden erschwert oder gar unmöglich gemacht, und der Grundsatz der Bodenständigkeit und die Pflege des Heimatgedankens könnten leicht zu einer seelenlosen Theorie erstarren. Ein solches Institut für ein ganzes Bundesland würde eine Monopolstellung erhalten und dadurch auf einen gesunden Wettbewerb verzichten können, der auch auf unserem Sektor für den Fortschritt nötig ist. Wenn die Lehrerbildungsanstalt in der heutigen, allerdings um das sechste Studienjahr erweiterten Form erhalten bliebe, könnte auch dem Lehrplan, der die Pflege der Heimatverbundenheit besonders fordert, besser entsprochen werden, da jede Anstalt die Bedürfnisse ihres Einzugsgebietes kennt und der Ausbildung der Zöglinge in dieser Hinsicht Rechnung tragen kann. Die Wirkungen einer solchen Erziehung würden natürlich weit über das rein Schulische hinausgehen.

Man soll nicht Erprobtes und Bewährtes preisgeben und gegen Neuerungen einzutauschen versuchen, von denen man durchaus nicht überzeugt sein kann, daß sie gleichwertige, geschweige denn bessere Ergebnisse zeitigen würden. Die Erhaltung der bisherigen Lehrerbildungsanstalten als berufsbildende Schulen und ihr Ausbau zu sechsjährigen L e h r e r a k a d e m i e n wäre die beste Gewähr dafür, daß unsere Heimat die Lehrer bekommt, die sie braucht.

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