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Steirische Seelsorgeprobleme

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Die steirische Diözese weist im Vergleich mit anderen österreichischen Kirchengebieten relativ weniger Pfarren auf. Dafür sind diese meist recht ausgedehnt, umgreifen oft eine bedeutende Zahl an Filialen und natürlich auch eine höhere Kopfquote von Katholiken. Das ist keineswegs ein Vorteil. Denn entweder sind die Pfarren wegen ihrer Größe nicht mehr seelsorglich überschaubar oder es verliert sich in den Entwicklungsräumen vor allem der Industrie und der Großstadt überhaupt jedes Pfarrbewußtsein, weil die massierten Wohnsiedlungen keinerlei religiöses Zentrum haben.

In der Landeshauptstadt Graz mit insgesamt rund 244.000 Bewohnern (Stand vom

1. Jänner 1964; nunmehr bereits mehr als

250.0 Bewohner) und rund 198.000 Katholiken gibt es 24 Pfarren und 86 Priester in der aktiven Seelsorge. Im Durchschnitt kämen also auf jede Pfarre 8236 Katholiken und 10.148 Bewohner, auf jeden Pfarrseelsorger kämen 2298 Katholiken und 2832 Bewohner. Wie überall sind aber die Unterschiede in den Größenordnungen erheblich, da die Seelenzahl der einzelnen Pfarren zwischen 3000 und

23.0 schwankt. Auch ist die Belastung der Seelsorger recht verschieden, da die größte Grazer Pfarre nur vier Seelsorger hat. Für die Gottesdienste in den teilweise unzulänglichen Kirchen gibt es gewiß auch Aushelfer, doch stehen diese ansonst kaum zur Verfügung, da sie entweder schon zu alt oder in einem anderen hauptberuflichen Dienst (Professoren, Angehörige des Ordinariates, Seminarvorsteher) tätig sind.

In der Großstadt und in den Industriezentren sind die Seelsorger durchwegs überlastet, einen Teil ihrer als notwendig erkannten Obliegenheiten müssen sie einfach zurückstellen. Soweit es möglich ist, werden Laienkräfte für verschiedene seelsorgliche Aufgaben herangezogen. Doch sind auch der Laienkatecheten und hauptamtlichen Seelsorgehelferinnen zuwenig, und es müßte die verantwortungsbewußten Gläubigen alarmieren, daß die nach der Schulordnung vorgesehenen Religionsstunden bereits reduziert werden müssen.

Gerade diese Tatsache sollte aber auch die Eltern dafür hellhörig machen, daß sie die religiöse Unterweisung ihrer Kinder viel stärker selbst in die Hand nehmen müssen. Auch die Gläubigen der Pfarrgemeinden hätten zu überlegen, wie sie dem zunehmenden Mangel an religiöser Unterweisung vor allem dort abhelfen könnten, wo auch das Elternhaus in dieser Hinsicht versagt. Es wird ernsthaft daran zu denken sein, daß sich vor allem Studenten, Lehrer, Jugendliche oder- sonst befähigte Christen zur Verfügung stellen, um bei der Eingliederung der religiös „Verwaisten“ in die Pfarrgemeinde mitzuwirken. Denn das Schicksal der zwar getauften, aber ansonst sich selbst völlig überlassenen jungen Christen geht die ganze Glaubensgemeinschaft (in concreto also die Pfarrgemeinde) an. Natürlich erfordert dies schon eine fest umrissene religiöse Bildung, wie sie etwa der theologische Fernkurs oder eigens veranstaltete Kurse bieten können.

Die überdimensionale Ausdehnung von Pfarren und die unüberschaubare Massierung von Gläubigen in ihnen zwingt zu überlegen, ob nicht durch neue Pfarren und Kirchen Abhilfe geschaffen werden könnte. Es gibt freilich viele Stimmen, die einer Konzentration in größeren Räumen das Wort reden, ja sogar meinen, daß man vor allem in ländlichen Verhältnissen nach dem Muster von Mittelpunktschulen auch Mittelpunktpfarren mit mehreren Seelsorgern schaffen sollte unter Aufgabe der im Umkreis liegenden kleineren Pfarren. Davon verspricht main sich sowohl eine Einsparung an Seelsorgern wie auch einen gezielteren Einsatz. Die Erfahrung aber erweist immer wieder den unersetzlichen Wert der persönlichen und dauernden Anwesenheit eines Priesters in der Pfarre. In den Großstädten und Industriezentren macht man sogar die erfreuliche Beobachtung, daß bei Pfarr- und Kirchenneugründungen sich relativ bald eine feste Gemeinde bildet, ohne daß die Mutterpfarre überhaupt eine Verrrin- gerung etwa der Sonntagsfrequenz feststellen müßte. Dies mag auch damit Zusammenhängen, daß heute trotz Motorisierung und sonstiger Verkehrserleichterungen die Leute gerade in der Stadt kaum noch einen Kirch- weg von einer halben Stunde auf sich nehmen. So muß die Kirche ihnen nachgehen.

Daher verfolgt auch die Diözese Graz schon seit längerer Zeit einen planmäßigen Aufbau von Pfarren und Kirchen. Seit 10 Jahren wurden 13 neue Pfarren gegründet und 24 Kirchen oder Gottesdienststätten neu gebaut. Nach den gegenwärtigen Erfordernissen sollten aber in der Steiermark nicht weniger als 35 Kirchen oder Gottesddenststättan noch erbaut werden. Das ist nicht nur eine finanzielle Frage, da die Diözese zur Zeit lediglich im Jahr einen oder bestenfalls in zwei Jahren drei Kirchenbauten verkraften kann. Es wird langsam auch eine Frage der personellen Versorgung, weil nicht genügend Priester zur Verfügung stehen.

So drängen sich heute neue Überlegungen auf, die beide Sorgen auf andere Weise verringern könnten. Bei Neubauten großer Städ tischer Wohnblocks könnten Gemeinschaftsräume etwa im Parterre eingeplant werden, die, von einer Pfarre gemietet oder auch zu eigen erworben, gottesdienstlichen Zwecken der näheren Umgebung zugeführt würden und von der zuständigen Pfarre zu betreuen wären. Bei akutem Einsatzmangel an Priestern müßte wohl von der in der Liturgiekonstitution nahegelegten Möglichkeit von Wortgottesdiensten am Sonntag Gebrauch gemacht werden, die dann ausschließlich von dazu ermächtigten Laien geleitet werden. Es ist ja besser, in dieser Weise der allgemeinen Ver pflichtung zur Heiligung des Herrentages nachzukommen, als darauf völlig zu verzichten, oder ihr nur unter den größten Schwierigkeiten durch den Meßbesuch zu genügen. Dies käme insbesondere auch dort in Frage, wo die weite Entfernung zur eigenen Pfarrkirche und die Überlastung des Pfarrseel- sorgers diese Art der Feier in einer etwa vorhandenen Filialkirche nahelegt.

Wie schon diese wenigen Hinweise deutlich zeigen, nötigt der Wandel der fortschreitenden Zeit heute zu neuen Wegen auch in der Seelsorge. Neben den äußeren Sammelpunkten des religiösen Lebens bedarf es auch jener inneren Umstellung unserer Gläubigen, die sie zunehmend die Verantwortung für das Wachstum der Glaubensgemeinde mit den Priestern tragen heißt.

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