Österreichs abstrakte Maler sind aus China zurückgekommen und im Museum Moderner Kunst zu sehen.
In den 1980er Jahren erlebte die Malerei einen unerwarteten Höhenflug. Davor wurde in der Kunst offensichtlich zu viel gedacht und zu techniklastig produziert. Im Gegensatz dazu ließen die damals aufstrebenden Maler die Betrachter durch ihre als wild empfundene Malweise am Entstehungsprozess teilhaben. Es war wieder unmittelbar zu sehen, dass man sich hier nichts schenkte, keinen Inszenierungen frönte, sondern die Auseinandersetzung mit der Welt radikal durchhielt. Freilich war schon vor 20 Jahren, als eine Ausstellung in ähnlicher Zusammensetzung diese malerische Position versammelte, klar, dass vieles an der Wildheit bloß eine Schublade zwecks besserer Zuordnung war.
Die "jungen Wilden" heute
Was damals so programmatisch vorgestellt wurde, ist in der aktuellen Schau mit einem interkulturellen Touch versehen. Schließlich tourten die Arbeiten von April bis Oktober 2005 durch China und wurden in Shanghai, Peking, Xian und Guangzhou von rund 145.000 Besuchern begutachtet. Nun sind sie endlich wieder daheim und wechseln hier von der örtlichen Verschiebung in die zeitliche, illustrieren sie doch für das hiesige Publikum die unterschiedlichen Entwicklungswege der ausgestellten Künstler.
Auf der unteren Ebene trifft man zuerst auf Otto Zitko, der den Arbeitsprozess nach wie vor transparent bleiben lässt, indem seine Geflechte aus Linien sich nie zu einer Fläche verdichten. Wer möchte, kann jeden Strich mit den Augen nachvollziehen. Wie in einem ewigen Suchvorgang kreisen Zikos Linien das Objekt der Begierde ein, um es dann doch wieder so frei stehen zu lassen, dass man ihm keine gegenständliche Zuordnung angedeihen lassen kann. Im gleichen Raum dahinter umfängt Hubert Scheibl die Besucher mit seinen zwar flachen, aber raumgreifenden Farbmassen. Gerade weil er sich allen Anklängen dazupassender Gegenstände verweigert, lädt er die Betrachter zu weitläufigen Wanderungen in eine losgelöste Welt voll praller Farbe ein.
Im höher gelegenen Bereich der Ausstellung wird man von den Strahlentierchen Gunter Damischs empfangen. Der mikroskopische Blick überspringt mit Leichtigkeit die üblichen Wahrnehmungsgrenzen zwischen dem Kleinen und dem Großen. Schließlich war Damisch ja angetreten, das alles zu malen, so verdichten sich seine erschauten Elemente auch zu Verkettungen, wie Pflanzenhecken erstrecken sie sich über die Leinwände, lassen aber den Blick auf Dornröschens Schloss frei. Herbert Brandl hingegen geht von vornherein vom Großen aus und lotet jenen Punkt aus, an dem Landschaftsassoziationen umschlagen in eine reine Fläche aus Farben: Bis wohin ruft der Berg noch, der durchaus auch mit dem Fotoapparat festgehalten wird, wo zerbirst auch der härteste Fels und löst sich in sphärische Farbklänge auf?
Radikale Abstraktion
Mit Walter Vopava verlässt man die schrecklich gesunde Landluft, seine Kompositionen erinnern an verbautes Gebiet, an Stadtausschnitte und Architekturelemente. Dabei unterwandert die Malerei die angenommene statische Zuverlässigkeit. Trotz der mächtigen Flächen stellt sich kein Gefühl der Sicherheit oder Geborgenheit ein, viel zu labil lagern die einzelnen Elemente aneinander.
Erwin Bohatsch schließlich vertritt die abstrakte Position am radikalsten. Der Maler von privaten Mythologien vor 20 Jahren hat sich zum allumfassenden Asketen gewandelt, der kühle Farbtöne verstreicht und immer wieder mit weißer Lasur überstreicht, was den schweren Farben zu unerwarteter Leichtigkeit verhilft. Beim Gang durch diese Schau zeigt sich wieder einmal: Daheim, das ist woanders.
China retour
Erwin Bohatsch, Herbert Brandl,
Gunter Damisch, Hubert Scheibl,
Walter Vopava, Otto Zitko
Museum Moderner Kunst Stiftung
Leopold, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Bis 19. 2. Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr
Katalog hg. v. Edelbert Köb, Wien 2005, 196 Seiten, e 38,-
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