Der Kleinstaatregent als Formel-1-Weltmeister

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Uneinheitlich präsentiert sich die neue Staatsopern-"Cenerentola“: schwungvoll und witzig vor der Pause, danach lassen szenisch wie musikalisch Spannung und Pointen nach.

Als amüsante Komödie deutet Regisseur Sven-Eric Bechtolf Gioacchino Rossinis bei der Uraufführung 1817 im römischen Teatro Valle durchgefallenes, wenig später zum Erfolgsstück mutiertes zweiaktiges Dramma giocoso "La Cenerentola ossia La bontà in trionfo“ ("Aschenbrödel oder der Triumph der Tugend“). Die Lacher hat er damit auf seiner Seite. Trotzdem erntete er, wie der Dirigent, bei der Premiere im Haus am Ring auch einige Buhs.

Rolf Glittenbergs Bühnenbild konfrontiert mit einem abgehausten Vorzimmer mit fünf Türen und Rudimenten einer einstigen, vermutlich prächtigen Bildergalerie sowie einer Kombination aus Arbeitsraum und Garage. Schließlich outet sich Don Magnifico in dieser Inszenierung als Oldtimer-Fan. Inspiriert von San Marino lässt Bechtolf die Handlung in dem von ihm erfundenen Kleinstaat San Sogno ablaufen. Waren ihm die originalen Handlungsfäden bei diesem nicht nur märchenhaften Sujet zu wenig?

Zeitlose Tugend

Jedenfalls interpretiert er Don Magnifico, Baron von Monte Fiascone, als autokratischen Herrscher dieses Zwergimperiums. Der hat es zwischen 1958 und 1960, ohne dass dies später auf der Bühne näher erklärt wird, gleich dreimal zum Formel-1-Weltmeister gebracht. Aus familiärer Rücksicht beschäftigt er sich jetzt nur mehr mit alten Autos. Deswegen treten die Protagonisten - darunter, frei nach Giovannino Guareschis Romanfiguren Camillo und Peppone, ein Pfarrer und der mit Kette geschmückte Bürgermeister - meist in Outfits der 1950er-Jahre (Kostüme: Marianne Glittenberg) auf. Zugleich eine pointierte Kommentierung des Operntitels: Tugend ist nie an eine bestimme Zeit gebunden, sondern stets aktuell.

Clorinda und Tisbe, Don Magnificos überhebliche Töchter, lassen sich von ihrer Stiefschwester Angelina, die sie abschätzig Cenerentola (Aschenbrödel) nennen, bedienen und sie stets spüren, dass sie sich für etwas Besseres halten. Ihre tatsächlichen Emotionen bleiben meist an der Oberfläche. Selbst als sie erfahren, dass Prinz Ramiro (rollendeckend, nur manchmal in den Höhen etwas angestrengt: Dmitry Korchak) ihre von ihnen zur Dienstmagd erniedrigte Stiefschwester zu seiner Frau erwählt hat, benehmen sie sich wie ferngesteuert. Auch vokal hinterließen Valentina Nasfornita und Margarita Gritskova, beides Rollendebütantinnen, keinen nachhaltigen Eindruck.

Weit mehr zeigte sich Bechtolf an der Psychologie des mit aller möglichen Übertreibung - wenngleich erfolglos - für seine beiden Töchter bei Don Ramiro werbenden Don Magnifico interessiert. Alessandro Corbelli, stimmlich schon etwas in die Jahre gekommen, zog dabei alle Register seines erzkomödiantischen Charmes. Nicht auszudenken, hätte er sich ganz auf seine ursprüngliche Rolle konzentrieren können und nicht auch noch seiner ihm aufgezwungenen übertriebenen Automobilleidenschaft frönen müssen. Das stempelt ihn zum selbstgefälligen Dandy. Ebenso unnötig wie das Finale im atmosphärisch unpassenden Autoschuppen dieses Kleinstaat-Absolutisten ablaufen zu lassen. Gedacht wohl als Seitenhieb auf so manches Verhalten der heutigen Seitenblicke-Gesellschaft. Allerdings viel zu aufgesetzt und verkrampft, um amüsant oder gar gesellschaftskritisch zu wirken.

Routine im Orchestergraben

Einen viel stärkeren Fokus hätte der Philosoph Alidoro verdient, der in Ildebrando D’Arcangelo einen exzellenten Singdarsteller hat. Ein souveräner Strippenzieher im Hintergrund, der seinem Don Ramiro vorzeigt, was verantwortungsvolles, von zwielichtigem Glamour unbeeindrucktes Handeln bedeutet. Darstellerisch wie sängerisch blass dagegen der erstmals an der Staatsoper auftretende Vito Priante in der Rolle des Dieners Dandini. Dafür ließ die längst zum Star gehypte irische Mezzosopranistin Tara Erraught mit ihrer sympathisch-engagierten, akkuraten Gestaltung der Titelpartie keinen Zweifel, dass sie alle Voraussetzungen für eine große Karriere mitbringt.

Ob, ausgenommen D’Arcangelo, das Nachlassen der stimmlichen Kräfte nach der Pause auch mit dem Orchester zu tun hatte? Jedenfalls musizierte es unter der ab dann nur mehr routinierten Leitung von Jesús López-Cobos nicht mehr mit jenem Witz und Schwung wie im auch szenisch überzeugenderen ersten Teil.

Weitere Termine

1., 4., 10., 14. Februar

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