Die einen schimpfen, die anderern schweigen

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Was sich in Österreich ändern muss, damit mit Migration besser umgegangen werden kann, diskutierten die Teilnehmer des Symposiums „ZukunftsBilder“.

In der in den Medien vorherrschenden Tonart sieht Erhard Busek ein Hauptproblem: „Die Sprache ist negativ. Politik und Medien müssen sich ihrer Sprachverantwortung bewusst werden.“ Politiker aller Parteien würden diese Negativität adaptieren, kritisierte Busek. Das Thema Migration dürfe deshalb nicht der Politik als punktuell einsetzbares Wahlkampfthema überlassen werden.

„Die Kirche muss eine öffentliche sein, das Gewissen der Gesellschaft.“ Viel zu selten würde die Kirche diese Rolle ausfüllen und Position beziehen, so der frühere Vizekanzler Erhard Busek. „Der Kardinal hat eine ganze Seite in der Sonntags-Krone. Da würde ich mir schon manchmal statt der Erklärungen zum Sonntagsevangelium klarere Worte gegen so manche Hetzkampagne wünschen.“ Aber nicht nur das Stillschweigen der Kirche kritisierte Busek im Rahmen des anlässlich der Emeritierung des Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner veranstalteten Symposiums „ZukunftsBilder“. Darüber, wer bei uns lebt, wüssten wir viel zu wenig, erklärte er. Es seien die Unwissenheit der Menschen und gängige Fehlinformationen über Zugewanderte, die den Umgang mit Migration so schwierig machen und Fremdenangst aufkommen lassen. Für die Teilnehmer des Arbeitskreises zum Thema Migration waren aber auch noch andere Gründe klar erkennbar: „Vielen Menschen fehlt das ‚Verbindende‘. Migration wird deswegen für die Zerrissenheit der Gesellschaft verantwortlich gemacht.“

Große Geister aus aller Welt

Dabei habe Österreich schon oft in seiner Geschichte auf Zuwanderer gebaut: „Für eine Sekunde der Geschichte war Wien um 1900 die Welthauptstadt des Geistes.“ Dass die großen Geister zum Großteil nicht aus dem heutigen Österreich stammten, betonte Busek. Wien, wie es heute ist, müsse als Produkt von Migration gesehen werden. „Österreich war immer ein Einwanderungsland und ein Schmelztiegel, das Bewusstsein dafür hat aber stark abgenommen.“ Klar sei, dass Österreich und Europa die Zuwanderung brauchen und auch davon profitieren. Ob in der Altenbetreuung oder an den Universitäten, es müsse verstanden werden, dass Migranten wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft übernehmen. Die Suche nach Gemeinsamkeiten und Wegen zu einer grenzüberschreitenden Verständigung hat auch Paul Zulehner in seiner Arbeit immer beschäftigt. Einen seiner Forschungsschwerpunkte legte Zulehner auf die Kirchen Osteuropas und die Suche nach Möglichkeiten der Vernetzung. Auch er sieht viel Handlungsbedarf für die Kirche.

„Verbal abrüsten“

Die offizielle Kirche scheitere an dem, was auf Ebene der Pfarren oft gut funktioniere, nämlich die Integration von Migranten in die Gemeinde und die deutliche Positionierung in der Zuwanderungsdebatte an der Seite der Menschen, so der Arbeitskreis. „Migration ist eine unumkehrbare Realität, die Herausforderungen schafft und Chancen bietet.“ Um Herausforderungen zu meistern und Chancen zu nützen, müsse man umdenken, ist Erhard Busek überzeugt. Gelinge es nicht, „verbal abzurüsten“, sei „das gesamte Projekt Europa“ zum Scheitern verurteilt. (Astrid Mattes)

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