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Kulturleistungen für ganz Europa

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Wie hätte eine Ausstellung „Deutsche im Osten“ 1934, wie hätte sie 1954 ausgesehen? Der Gedanke mag den, der einen Teil dieses Jahrhunderts aus eigener Erinnerung überblickt, durch den Lokschuppen in Rosenheim begleiten, wo jetzt das Deutsche Historische Museum (Berlin) die Ausstellung zeigt. Die Hitler-Zeit stand - unter Berufung auf deutsche Kulturarbeit im Osten — im Zeichen aggressiver Expansion. Der verlorene Krieg, die brutale Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und Siedlungs-Enklaven zwischen Wolga und Oder bewirkte Trauer und Verbitterung. Der Eiserne Vorhang hinderte Vergangenheits-Bewältigung über die tiefen Gräben hinweg. Vertriebenen-Verbände hielten auf ihre Weise und in manchen in der Bundesrepublik gegründeten Museen die Erinnerung an die verlorene Heimat fest. Erst allmählich sahen sie ein, daß die historische Entwicklung unerbittlich und kaum revidierbar ist. Heute kann man schon mit gehörigem Abstand die Kulturgeschichte in Ostpreußen und im Baltikum, in Siebenbürgen und der Bukowina, an der Moldau und an der Wolga darstellen. Heute ist es möglich, Leihgaben aus Prag, Breslau und Hermannstadt zu bekommen.

Das heißt aber nicht, daß man auf abgeschlossene historische Epochen zurückblickt. Die deutsch geprägten Stadtbilder von Danzig, Breslau oder Stettin, wie man sie in alten Ansichten in Rosenheim sehen kann, haben ihren Charakter behalten. Die Gewohnheit, etwa die Geschichte von Hermannstadt ohne Erwähnung des deutschen Elements zu beschreiben, wird auch in Rumänien nach der kommunistischen Zeit kaum noch möglich sein. Deutsche Erfinder und Gelehrte sind ebenso wenig zu vergessen, wie die Dichter aus Schlesien, die Komponisten aus Ostpreußen oder Böhmen. Natürlich reicht die Erinnerung in vor-nationalistische Zeiten zurück, als man die Herkunft nicht so genau sonderte. Kopernikus wird immer noch gern auch von den Polen beansprucht. Die deutsch schreibenden Autoren aus Prag kann man der deutschen, österreichischen und jüdischen Literatur zuordnen. Wichtig ist, daß hier mit Möbeln, Geräten, Bildern aus bäuerlichen, bürgerlichen und Adelshäusern, mit alten Stammbüchern, Zunfttruhen und was sonst die Zeiten überdauert hat, nicht nur Nostalgie betrieben wird. Deutsche Kulturleistungen stehen allen interessierten Völkern zur Verfügung. Sie erlegen aber auch jenen Verantwortung auf, die sie nach 1918 oder seit 1945 übernommen haben. Der umfangreiche Katalog ist nicht nur als Begleiter zu vielen sehenswerten Dingen zu verstehen, sondern vor allem als dauerhaftes Geschichtsbuch (Bis 1. November).

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