Irritierend und rätselhaft

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Ana Mendieta war eine herausragende Figur der amerikanischen Performance und Konzeptkunst. Ihre eigenwilligen Arbeiten sind nun im Salzburger Museum der Moderne Mönchsberg zu sehen.

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Ana Mendieta war eine herausragende Figur der amerikanischen Performance und Konzeptkunst. Ihre eigenwilligen Arbeiten sind nun im Salzburger Museum der Moderne Mönchsberg zu sehen.

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In einem knapp dreiminütigen Film von 1973 ist die Kamera auf eine verkommene Häuserfront gerichtet. Unter einem Türschlitz scheint Blut ins Freie zu dringen. Die Passanten weichen der Flüssigkeit aus, und wenn jemand doch einmal stutzig wird, zwingt er sich im nächsten Augenblick dazu, weiter in seinen ungefährdeten Alltag zu gehen. Dabei muss jeder ahnen, dass sich hinter verschlossenen Türen ein Drama der Gewalt abspielt. Gegen wen? Gegen Menschen, Tiere, einer gegen sich oder gegen andere? Ist es ein Zeichen praktischer Vernunft, wenn Leute Zeichen der höchsten Gefahr, die nicht ihnen selbst droht, ignorieren, um die eigene heile Haut nicht aufs Spiel zu setzen? Ana Mendieta jedenfalls, die dieses Experiment mit Menschen in einer Stadt unternommen hat, muss solch eine Vernunft, die auf Selbstrettung setzt, in einem hohen Maße suspekt sein. Sie selbst, fasziniert von Blut und Tod und Gewalt und Verwandlung, mutet ihrem eigenen Körper Strapazen und Leiden zu und setzt damit einen Kontrapunkt zur bürgerlichen Qualvermeidung.

Sie ist eine rabiate Künstlerin, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren mitwirkt an einer Kunst, die auf Grenzüberschreitung angelegt ist. Sie geht ins Freie, setzt sich Feuer und Wasser aus, lässt sich unter Erde und Schutt begraben, wird Teil der Natur, der sie sich halb hingibt und von der sie halb aufgenommen wird. Sie mag sich mit ihrem ganzen Ich als Ana Mendieta Hals über Kopf in eine Performance stürzen, am Ende sehen wir sie als ein Wesen, das eine gründliche Metamorphose durchlaufen hat. Dann steht sie da in einem Federkleid, liegt zwischen Felsen bedeckt von Pflanzen oder geht lehmüberzogen in der Struktur eines Baumes auf. Mendietas Kunst handelt auch von der Kunst des Verschwindens.

Zwischen Bangen und Zuversicht

1948 auf Kuba geboren, kam Ana Mendieta im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit ihrer älteren Schwester als Flüchtling in die USA. Als 19-Jährige wendet sie sich ernsthaft der Kunst zu und wird im Verlauf weniger Jahre zu einer herausragenden Figur der amerikanischen Kunst, die drauf und dran ist, sich mit Performance und Konzeptkunst neue Erfahrungsbereiche zu erschließen. Als sie 1985 unter bis heute rätselhaften Umständen stirbt - wurde sie aus dem Fenster eines Hochhauses gestoßen oder beging sie Selbstmord? -, ist sie bereits zur Leitfigur feministischer Weltsicht geworden.

Dabei ist die Sache so einfach nicht. Mendietas Kunst bleibt zu eigenwillig, zu widersprüchlich, zu wenig die Welt erklärend als diese vielmehr ständig mit neuen Rätseln überziehend, als dass sie klaglos einer Richtung zugeordnet werden könnte. Heilsbringerin eines neuen Naturverständnisses? Fehlanzeige! Erneuerin der Kunst aus dem Geist der Spiritualität? Mitnichten! Eine feministische Kämpferin? Leider nein! Vielmehr prägt eine durchgehende Ambivalenz das Werk. Zittern und Bangen und Hoffen und Zuversicht suchen sich in immer anderen Mischungsverhältnissen Eingang in diese Kunst. Die Zuschreibungen treffen, aber sie stimmen nie ganz.

Für die Dauer war Mendietas Kunst nicht gedacht. Ihr Charakter war das Ereignis, die Flüchtigkeit ihr Element. Gäbe es nicht Fotos und Filmaufnahmen, die die Prozesse dokumentieren würden, wir müssten Ana Mendieta einen Platz im Reich der Gerüchte einrichten. Doch in den achtziger Jahren begann sie sich neu zu orientieren. Sie zeichnete und schuf Plastiken. Sie bearbeitete Holz mit Schießpulver, brannte dem rauen, ungeschliffenen Material Formen ein und arrangierte die Stelen zu Ensembles von totemhaftem Charakter. Sie, die ihren Arbeitsplatz bevorzugt draußen sah, fand sich am Ende in einem Atelier und fand Gefallen daran. Sie mischte Erde und Sand und schuf Bodenplastiken, die in ihrer Brüchigkeit wie ein an einen anderen Ort verfrachtetes Stück Natur wirken.

Jetzt gibt es keine Ausrede mehr. Ana Mendieta ist in Europa angekommen und ihre Arbeiten gehören zum festen Bestand der Avantgarde im 20. Jahrhundert.

Ana Mendieta. Traces

Museum der Moderne Mönchsberg

bis 6. Juli 2014

Di-So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr

www.museumdermoderne.at

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