Übermaler und Über-Maler

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Am 8. Dezember feiert Arnulf Rainer seinen 80. Geburtstag. Gemeinsam mit Hollegha, Prachensky, Mikl bildete er in den fünfziger Jahren die legendäre Gruppe St. Stephan. In seinem Œuvre finden sich einige der wichtigsten Werke der internationalen Kunst der Nachkriegszeit.

Früher, ganz früher, kratzte man bereits verwendete Schreibuntergründe wieder ab, um sie nochmals für Ergüsse aus Feder oder Pinsel vorzubereiten. Zwar blieben dann und wann Schlieren zurück, die es in die neuerliche Schreibschicht zu integrieren galt, insgesamt wollte man aber das Vorhergegangene völlig zugunsten eines neuen Anfangs tilgen. In diesen Tagen gilt es, einen achtzigsten Geburtstag zu feiern, von einem Künstler, dessen Markenzeichen – und so etwas braucht es heute unbedingt – darin besteht, als Übermaler zu gelten. Im Überschreiben des bisher Gesagten kann man ihn sogar Über-Maler nennen.

Enfant terrible im Nachhinein

Arnulf Rainer, um den es hier geht, wurde am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien geboren. Erst im Nachhinein als „enfant terrible“ nobilitiert, erwies er sich gleich als Wunderkind, dem man an keiner der beiden Wiener Kunstakademien etwas beibringen konnte – er verließ beide nach einem beziehungsweise drei Tagen. Seine ursprüngliche Begeisterung für den Surrealismus lässt eine enttäuschende Begegnung mit dessen Gründer, André Breton, 1951 deutlich abkühlen. In der Folge entstehen Zeichnungen, die organischen Strukturen ähneln und die sich bereits derart verdichten können, dass eine beinahe schwarze Fläche entsteht. In einer kurzen Zwischenphase widmet sich Rainer Proportionsstudien mit monochromen Farbflächen. Im Jahr 1953 schließlich beginnt Rainer mit seinen Übermalungen – von eigenen Arbeiten, aber auch von jenen anderer Kunstschaffender. Beinahe zur gleichen Zeit dienen ihm auch Fotografien als Malgrund.

Eine wichtige Begegnung in den fünfziger Jahren war jene mit Monsignore Otto Mauer. Dieser gründet 1954 die Galerie nächst St. Stephan, zwei Jahre später stellt Rainer dort aus und bildet gemeinsam mit Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky und Josef Mikl die Gruppe St. Stephan. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die, wenngleich von der Natur ausgehend, so doch in starker Ungegenständlichkeit arbeiteten, sah der Monsignore bei Rainer den Gegenstand wieder als geistige Wirklichkeit sprechen. „Die ‚Übermalungen‘ Arnulf Rainers“, schreibt Otto Mauer, „sind der Versuch, aus der Erregtheit der ziellos ins Dasein verlorenen Seele in den Bereich des Einen und Notwendigen vorzustoßen, das am Grunde aller Ereignisse, auch der psychischen, liegt. In Rainers ‚Übermalungen‘ ist die Tendenz in Wirkung, dem Absoluten auf dem Wege der Askese, der Abscheidung und Abtötung, aber auch auf dem Wege der Konzentration, der Beschauung, näherzukommen.“

Keine frommen Himmelsblicke

Was Rainers Arbeiten gerade in einem religiösen Kontext so überzeugend wirken lässt, ist sein Verzicht auf einen Himmelsblick mit verdrehten Augen, bei ihm bleibt das Absolute handgreiflich, mit den Fingern gemalt, und verschiebt sich dennoch von Bild zu Bild weiter in die unergründliche Tiefe der Bildoberflächen. Auch wenn damit eine starke Vorentscheidung für das nachfolgende Werk getroffen ist, Rainer experimentiert in unterschiedliche Richtungen weiter und fertigt einige der wichtigsten Beiträge nicht nur der österreichischen, sondern auch der internationalen Kunst der Nachkriegszeit. Daher lassen auch diverse Ehrungen nicht lange auf sich warten, die Liste der Präsentationen ist prall gefüllt mit wichtigen Ausstellungsorten, 1992 öffnete das Rainer-Museum in New York seine Pforten, mittlerweile gibt es auch eines in seiner Geburtsstadt. Das Malen bedeutet für Arnulf Rainer „die eigentliche Form des Lebens“, wie er bereits 1958 schrieb, und auch wenn „das Kunstwerk geheim“ bleibt, den Anblick durch die Betrachter belohnt es allemal.

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