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Radikal und furchtlos

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Er war Begründer der Galerie nächst St. Stephan, Chefredakteur und Herausgeber der theologisch-kulturphilosophischen Zeitschrift „Wort und Wahrheit” und einer der Gründungsväter des Stiftungsfonds „Pro Oriente” für das Gespräch mit den Ostkirchen. Er war ein wortgewaltiger Domprediger von St. Stephan und er prägte den Katholikentag des Jahres 1952, mit dem sich im Nachkriegsösterreich die Kirche vom Staat emanzipierte.

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Er war Begründer der Galerie nächst St. Stephan, Chefredakteur und Herausgeber der theologisch-kulturphilosophischen Zeitschrift „Wort und Wahrheit” und einer der Gründungsväter des Stiftungsfonds „Pro Oriente” für das Gespräch mit den Ostkirchen. Er war ein wortgewaltiger Domprediger von St. Stephan und er prägte den Katholikentag des Jahres 1952, mit dem sich im Nachkriegsösterreich die Kirche vom Staat emanzipierte.

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Aus Anlaß der zwanzigsten Wiederkehr seines Todestages wird am 12. März an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien eine Gedächtnisausstellung eröffnet. Außerdem soll ein Symposion am selben Ort am 12713. März Mauers vielfältige Bedeutung würdigen.Unter anderem werden dort Kardinal Franz König, Erika Weinzierl, Otto Schulmeister, Arnulf Rainer und Oswald Oberhu-ber referieren. Für die Ausstellung haben zwei ehemalige Mitarbeiterinnen Mauers, Erika Patka und Uta Krammer, den bisher gesperrten Nachlaß im Wiener Diözesanarchiv durchgearbeitet. Fotos, Briefe, Auto-graphen, Manuskripte, Dokumente und Plakate sollen einigermaßen repräsentativ Mauers Lebensweg nachvollziehen. Die Ausstellung ist bis 2. April von Montag bis Freitag zwischen 8 und 20 Uhr geöffnet, j Der am 14. Februar 1907 als einziges Kind eines Sparkassenbeamten in Brunn am Gebirge bei Wien Geborene stieß bereits in seiner Realschulzeit zum Christlich-Deutschen Studentenbund, dem späteren Bund Neuland, dessen jugendbewegte Suche nach neuen Formen christlichen Lebens Otto Mauer prägte und dessen persönlicher Freundeskreis zeitlebens für ihn bestimmend blieb. Schon während seiner Seminarzeit in Wien waren seine Hingabe an die Berufung und seine Radikalität herausragend. 1931 wurde er zum Priester geweiht.

Mit Feuereifer stürzte er sich in seine ersten Kaplansstellen, im „roten” Schwechat bei Wien und in Neu-Ottakring, wo Kardinal Theodor In-nitzer erstmals auf ihn aufmerksam wurde („Sie sollten nicht Mauer, sondern Feuer heißen”).

Als Religionsprofessor am Privatgymnasium der Schulbrüder in Wien-Strebersdorf erregte er durch den Aufruf zum Widerstand aus Gewis-sensg*ünden unliebsames Aufsehen und wurde 1936 nach Berndorf in Niederösterreich strafversetzt. Nach einem Zusammenstoß mit dem NS-Bürgermeister des Ortes mußte er auch dort weichen, erhielt 1938 Unterrichtsverbot. Als Kaplan in der Leopoldstädter Pfarre St. Josef wurde er mit seinen Bibelabenden zu einer der Zentralfiguren des Widerstandes, man bespitzelte seine Predigten in den Wiener Kirchen, wiederholt mußte Innit-zer für ihn eine Kaution bei der Gestapo erlegen.

Den Wiederaufbau der kirchlichen Strukturen in Österreich nach 1945 bestimmte Otto Mauer als Geistlicher Assistent der Katholischen Aktion maßgeblich mit. Beim Katholikentag des Jahres 1952, dessen Schlußkundgebung eine Viertelmillion Menschen auf den Wiener Heldenplatz brachte, wurde mit dem Motto „Eine freie Kirche in einem freien Staat” die Eigenständigkeit des politischen Handelns von Christen formuliert.

Gemeinsam mit seinem Freund Karl Strobl gründete Mauer 1946 die intellektuelle Monatszeitschrift „Wort und Wahrheit”, in der Theologen und Philosophen, Schriftsteller und bildende Künstler zu Wort kamen. Von 1968 bis zu seinem Tod war Mauer ihr Chefredakteur und gemeinsam mitOt-to Schulmeister, Karlheinz Schmidt-hüs und Anton Böhm ihr Herausgeber. „Wort und Wahrheit” war Plattform für die intellektuelle Auseinandersetzung von Christen im gesamten deutschen Sprachraum.

Schon während seiner Schulzeit hatte sich Otto Mauer mit bildender Kunst beschäftigt, im Bund Neuland hatte er Kontakt mit Künstlern wie Max Weiler, Hans Fronius und Rudolf Szyskowicz und begann Kunstwerke zu sammeln. Zu Beginn der dreißiger Jahre unterstützte er Akademiestudenten mithilfe von Sponsoren. Mit Alfred Kubin verband ihn ein fast hundert Blätter umfassender, fast rührender Briefwechsel, die größte private Kubin-Sammlung befindet sich in der von Otto Mauer hinterlas-senen Kunstsammlung.

Im Jahr 1954 gründete Mauer die Galerie St. Stephan in Wien und eröffnete sie mit einer Ausstellung von Aquarellen Herbert Boeckls. Die Galerie diente als Veranstaltungsort für Lesungen, Vorträge, Symposien, musikalische Abende und Happenings und war Treffpunkt für junge Künstler, die in Otto Mauer ihre Bezugsperson und ihren Förderer, wohl auch ihren Freund und Seelsorger sahen: Arnulf Rainer, Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky, Hans Hollein, Walter Pichler, Bruno Gi-roncoli waren unter ihnen.

In einer Gratwanderung zwischen der Öffnung zu aktuellsten Strömungen der Moderne und den geringen finanziellen Mitteln war Mauer vielfachen Anfeindungen ausgesetzt. In seiner Deutung der spirituellen Dimension zeitgenössischer Kunst versuchte er die Kirche und das Christentum auf die schöpferische Kreativität hin zu öffnen. 1965 holte Mauer den Maler O swald Oberhuber als künstlerischen Berater in die - inzwischen taktisch umbenannte - Galerie nächst St. Stephan.

Schon immer galt eines von Mauers Engagements der Verständigung mit den Ostkirchen, 1965 fand es in der Gründung des Stiftungsfonds „Pro Oriente” durch Kardinal Franz König seinen äußeren Höhepunkt. Mitten in den Vorbereitungsarbeiten zu einer weiteren Gesprächsphase zwischen altorientalischen Kirchen und Katholiken starb Otto Mauer in Wien am 3. Oktober 1973 unerwartet an den Folgen eines Lungeninfarktes.

Otto Mauer hat durch die Vielfalt seiner Interessen und Begabungen, durch den Eifer seiner Begeisterung und durch seine mutige Eigenständigkeit im Denken und Handeln für Kirche und Gesellschaft Entscheidendes geleistet.

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