Verkündigung statt Kunst

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Bildende Kunst in der Erzdiözese Wien: Die frommen Werke der Gruppe "Imago" haben mit zeitgenössischer Kunst nichts zu tun.

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Bildende Kunst in der Erzdiözese Wien: Die frommen Werke der Gruppe "Imago" haben mit zeitgenössischer Kunst nichts zu tun.

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Die Kirche als bedeutender Kunstmäzen hat ausgedient. Die Kulturstelle von Kardinal Schönborn setzt vor allem auf Verkündigung: die Gruppe "Imago" bemüht sich, seine Vorstellungen umzusetzen: lauter, fromm und kreativ.

"Diese Werke spiegeln die Aufgaben christlicher Kunst in hervorragender Weise wider." Georg Stein zitiert voller Freude Francesco Marchisano, den Präsidenten der päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche. Stein ist der Leiter der Kulturstelle des Erzbischofs. Anerkennung und Lob aus Rom tun gut. Denn in der Erzdiözese Wien werden die künstlerischen Resultate der bemühten Gruppe kritisch gesehen, oder gar nicht erst ernst genommen. Die Qualität der Arbeiten ist durchaus umstritten.

Auf leichte Verständlichkeit der Ereignisse aus dem Evangelium wird großer Wert gelegt, Abstraktion, Aktionismus oder Installationen haben in diesem Rahmen keinen Platz. Michael Fuchs malt mit großer Präzision ein blondes Jesulein, eine lieblich weißhäutige Madonna und einen ehrwürdig ergrauten heiligen Josef, allesamt getaucht in weißes Licht, ein Kelch schwebt im Hintergrund. Eines seiner Bilder, die Darstellung des Seligen Josemaria Escriva, dem Gründer des Opus Dei, ziert den Seitenalter der Wiener Peterskirche.

Kunst für die Kirche?

"Ich habe immer das Anliegen gehabt, für die Kirche, die Gläubigen, die Liturgie Kunst zu schaffen. Zur höheren Ehre Gottes. Ich sehe keine Möglichkeit, abstrakte Kunst in die Kirche aufzunehmen. Da kann man keine Handlung darstellen. Gott handelt ja auch an uns. Er ruft Abraham, Christus ruft die Apostel, der hl. Geist wird herabgerufen. Ich plädiere für die Verwendung gegenständlicher Bilder in Kirchen", bekennt Fuchs. Vorbilder sind für ihn Michelangelo, Tintoretto und Tizian. Er selbst wird von Kollegen wie Alfred von Spernbauer als großer Meister verehrt. "Am Ende des Jahrtausends muß man alte Traditionen wieder aufnehmen und Glauben über Bilder vermitteln," widmet sich auch Spernbauer in mutigerer Farbgebung und weniger präziser Technik den heiligen Begebenheiten in deutlicher Figürlichkeit an, die keine Fragen am Geschehen mehr offen läßt. Die milde lächelnde Gipsplastik Johannes Pauls II. von Erwin Huber hat in der römischen Gregoriana auch glühende Anhängerschaft gefunden.

"Die Glaubensinhalte müssen so dargestellt werden, daß sie für jeden verständlich sind," ist Georg Stein sicher. Zur Orientierungshilfe der Künstler hat er gemeinsam mit ihnen in monatelanger Arbeit eine Publikation herausgegeben, in der sich die wahren Kriterien der christlichen Kunst zusammengefaßt wiederfinden: "Christliche Sakralkunst zur Verkündigung des Glaubens" heißt der kleine, blaue Band. Er gibt den Mitgliedern der Künstlergruppe "Imago" das richtige theoretische Rüstzeug zu ihrer Arbeit: vom hl. Augustinus, Thomas von Aquin über Papst Pius XII. bis hin zu Johannes Paul II. finden sich hier inspirierende Zitate zur sakralen Kunst.

Der Kunstbegriff, der hier vorherrscht, hat mit moderner Kunst reichlich wenig zu tun. Losgekoppelt vom Kunstbetrieb widmet er sich vor allem der Rück- und Innenbeschau. "Es macht mich traurig, was manche über uns sagen", sind Georg Stein kritische Einschätzungen der Werke seiner Gruppe schon zu Ohren gekommen. "Der Prophet im eigenen Land zählt eben nicht. Wir dürfen uns das nicht zu Herzen nehmen. In erster Linie müssen wir darauf schauen, das zu tun, was die Kirche will. Die katholische Kunst dient zur Ehre Gottes, sie muß Verkündigungcharakter ausstrahlen und wir versuchen das in aller Bescheidenheit aufzunehmen, und arbeiten daran, die Qualität immer weiter zu verbessern. Der Erfolg in Rom hat uns sehr gut getan." Immerhin zwanzig Mitglieder zählt die Gruppe heuer, nicht nur die bildende Kunst, auch Dichtung, Architektur, Skulptur und Musik sind vertreten. "Man beachtet immer nur die Bilder, dabei haben wir so tolle Komponisten," bedauert Stein.

Die Motivation der Künstler, "Imago" beizutreten, liegt allerdings durchaus im idealistischen Bereich. "Von der christlichen Kunst könnt' ich nicht leben, leider", gibt Wilhelm Kocian unumwunden zu. "An Aufträgen erhoffe ich mir nicht viel, aber es ist gut, sich gegenseitig auszutauschen", schätzt er vor allem den Kontakt und die Atelierbesuche bei anderen. "Ich bin ein gläubiger Mensch, ich kann nichts machen, was vom Christlichen weggeht, aber ich geh sicher nicht jeden Sonntag in die Kirche." Dieses Defizit wird zumindest teilweise von Georg Stein aufgefangen: Jedes Treffen der Künstler beginnt mit einer sakramentalen Anbetung vor dem Allerheiligsten in der Andreaskapelle.

Reiner Idealismus "Der christliche Künstler soll mit den Glaubenslehren der Kirche vertraut sein, natürlich kontrollier ich das Pfarrleben unserer Mitglieder nicht, aber ich gehe schon davon aus," ist Georg Stein das Glaubensleben der Kreativen ein Anliegen. "Ich bin ein kritischer Mensch, ich bin auch nicht jeden Tag im Gottesdienst, aber der Kreis, den Eminenz gegründet hat, ist nicht schlecht, er bringt mir immer was bei", kann auch Alfred von Spernbauer mit der geistlichen Betreuung durchaus etwas anfangen. "Imago ist durchaus eine gute Sache, sehr, sehr tolle Musiker sind da dabei," liegt der Wert der Gruppe für ihn hauptsächlich im Kontakt zu den anderen. "Mit Aufträgen hat das überhaupt nichts zu tun", hatte die Beteiligung zumindest finanziell noch keine merkbaren Auswirkungen.

"Die derzeitig anerkannte religiöse Kunst entspricht ungefähr der katholischen Kirche. Sie vertritt das angepaßte Bild einer Kunstrichtung, die nicht mutig ist und keine neuen Darstellungsformen wagt. Da wiederholt man nur sehr, sehr oft kopierte Kunstformen," stellt Gerhard Ederndorfer, der Direktor des Dom-und Diözesanmuseums der "Imago"-Gruppe kein besonders gutes Zeugnis aus. Mit leiser Melancholie blickt er auf die Werke Josef Mikls, Arnulf Rainers oder Wolfgang Holleghas, die er mit eigener Hand auf rote Tafeln im Museum aufgehängt hat. Eine Retrospektive an den großen Otto Mauer erinnert in 80 ausgewählten Bildern an einen mutigen Erneuerer (siehe Seite 24). Die Zeiten des großen Mäzenatentums der Kirche sind allerdings vorbei, kaum eines der Werke findet den Weg hinaus in eine breitere Öffentlichkeit. Förderung moderner Kunst findet, wenn überhaupt, dann nur sehr begrenzt in der Erzdiözese statt. Aufträge zu Altären, Tabernakeln, Glasfenstern, Kreuzwegen oder Kirchenbauten kommen nicht von der Kulturstelle, dafür sind das Bauamt unter Harald Gnilsen oder das Referat für kirchliche Kunst und Denkmalpflege unter Hiltigund Schreiber zuständig. Die beiden vertrauen aber eher ihrer Erfahrung und ihren eigenen Kontakten, als die Gestalter für anfallende Aufgaben aus der "Imago"- Gruppe zu rekrutieren.

"Das ist nicht die Kunst der Erzdiözese," stellt Frau Schreiber klar. "Es gibt viele Wege der modernen Kunst, und man muß für alle Möglichkeiten offen sein. Was die machen, ist mir zu eng, es ist ein kleiner Weg" meint sie. "Wenn man in alten Kirchen etwas Modernes machen will, muß das einfach gut sein und Qualität haben, da darf man sich nicht bevormunden lassen." Schreiber ist noch als Kind dem legendären Monsignore Mauer begegnet, mit ihm war sie in einer Wotruba- Ausstellung und wollte damals selbst Künstlerin werden. Seit dem Tod Otto Mauers 1973 herrscht ein gewisses Vakuum im Dialog zwischen moderner Kunst und Kirche. "Künstler sind aber durchaus bereit, in einen Dialog zu treten, und sich mit kirchlichen Themen auseinanderzusetzen", sieht sie durchaus Hoffnung. So konnte auch einmal bereits Aktionskunst zum Themenbereich "Schöpfung" durchaus in einer Kirche aufgeführt werden.

Mit dem richtigen Pfarrer lassen sich innovative, moderne Konzepte mit der christlichen Botschaft fruchtbringend vereinigen.

Eine Vorreiterrolle in diesem Bereich spielt auch der Rektor der Jesuitenkirche, Pater Gustav Schörghofer. "Künstler sind bessere Verkünder als Pfarrer", meint er selbstkritisch. "Zigtausend Leute strömen in Ausstellungen, aber die Kirchen sind nicht überlaufen." Der wunderbare, barocke Kirchenraum der Jesuitenkirche dient daher dem Tanz Atelier Wien immer wieder als Bühne zu innovativen Darbietungen.

Bedrohte Werte?

"Da wird dann durch den Tanz so eine geistige Dimension in der Kirche präsent, die man viel stärker wahrnimmt. Der muß ich mich auch in meiner Predigt stellen, ich muß auf dasselbe Niveau kommen, und kann nicht nur daherpalavern", empfindet Schörghofer die Kunst als bereichernde Herausforderung. "Je mehr Künstler ich kennenlerne, umso weniger kann ich sagen, daß die mit Spiritualität, Glaube und Religion nichts zu tun haben," glaubt Schörghofer an einen starken geistigen Bereich der Kunst.

Eine Skulptur des Bildhauers Joannis Avramidis bereichert momentan die ehrwürdige Architektur, sie lädt zur Meditation ein, die weite Marmorschale des Künstlers Peter Paszkiewicz bildet einen weiteren Brennpunkt im Kirchenraum. Zu bestimmten Messen kann man in der Jesuitenkirche elektronische Musik hören. "Grundsätzlich gilt für mich: Wenn ich glaube, daß Gott Mensch geworden ist, dann heißt das, daß ich selbst auf die Welt eingehen muß. Verschiedene Menschen tun das auf verschiedene Weise, mein Zugang zur Welt ist eben die Kunst," sieht Schörghofer in der modernen Kunst alles andere als eine Bedrohung seiner Werte.

Auch Joop Roeland kennt in der ältesten Kirche Wiens, der Ruprechtskirche, keine Berührungsangst mit der Moderne. Einmal gab es sogar eine Installation mit einem brennenden Engel.

Ein moderner Tabernakelschrein des Künstlers Ignaz Kienast schmückt seit dem Sommer höchst stimmig die mittelalterliche Bausubstanz. Theateraufführungen, Konzerte und ähnliches machen die Kirche jenseits der Liturgie zu einem lebendigen Ort. Kein Grund also, die Hoffnung aufzugeben.

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