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Der Fall Balasuriya

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Anfang 1997 wurde der Theologe Tissa Balasuriya aus Sri Lanka exkommuniziert. Ein äußerst drastischer Schritt Borns. Was sind die Hintergründe?

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Anfang 1997 wurde der Theologe Tissa Balasuriya aus Sri Lanka exkommuniziert. Ein äußerst drastischer Schritt Borns. Was sind die Hintergründe?

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Am 2. Jänner 1997 schlug die Nachricht ein: Tissa Balasuriya, Ordenspriester und Theologe aus Sri Lanka, wurde exkommuniziert. Nach dem Konzil hat sich Erz-bischof Lefebvre diese Strafe zugezogen, nachdem Papst und Kurie mit ihm jahrelang verhandelt und ihm Zugeständnisse gemacht haben.

Balasuriya ist aber nicht Lefebvre, sondern einer der profiliertesten Theologen Asiens, in Sri Lanka ist er als Friedensstifter im Bürgerkrieg geschätzt, als Dialogpartner mit den Vertretern der Beligionen dieser Insel angesehen. Im Gegensatz zu Lefebvre will er der Kirche angehören und bittet, eine kompetente Kommission zu ernennen, welche sich mit seiner Theologie ernsthaft auseinandersetzt. Mit ihm wurde kein Dialog geführt, sondern nur Korrespondenz. Andere Theologen sind in den Jahren nach dem Konzil ebenfalls streng ins Visier genommen worden: Es wurden Bußschweigen verhängt, Lehrverbote ausgesprochen, Bücher auf den Index gesetzt, einige Theologen wurden aus ihrem Orden ausgeschlossen. Warum wird bei Tissa Balasuriya eine Strafform angewendet, die an peinliche Momente der Geschichte erinnert?

Am 5. Juni 1994 erklärte die Bischofskonferenz von Sri Lanka öffentlich, Positionen von Balasuriya seien mit dem Glauben unvereinbar; Ende Juli 1994 schritt die Glaubenskongregation ein und forderte von Balasuriya eine Erklärung; seine Antwort vom 14. März 1995 hielt an den Positionen fest; die Kongregation verlangte im November 1995 die Unterzeichnung eines Glaubensbekenntnisses im Hinblick auf Kanon 1364 des Kirchenrechts. Balasuriya antwortete im Mai 1996 mit dem Credo von Paul VI. und einem Zusatz; im Juni 1996 wurde er erneut zur Unterzeichnung des Glaubensbekenntnisses aufgefordert. Da er die Unterzeichnung des Glaubensbekenntnisses ablehnte, beschloß die Kongregation am 22. Juli 1996 die Exkommunikation; der Papst approbierte diese am 27. Dezember; sie wurde am 2. Jänner 1997 in einer Notificatio veröffentlicht. Die Kongregation führt darin die Irrtümer von Balasuriya an: Kritik an den Voraussetzungen der Theologie, Nichtanerkennen der Offenbarung Jesu Christi, Verleugnung des katholischen Dogmas und in Konsequenz aller fundamentalen Dogmen einschließlich Lehramt der Kirche und Unfehlbarkeit des Papstes.

Wie sieht der Fall aus der Sicht des Betroffenen aus? Zunächst ist ein Blick auf den Hintergrund von Sri Lanka zu werfen. Zwei politische Ereignisse markieren das Leben von Balasuriya: einmal die Umwälzungen 1956, als sich breite Schichten der Bevölkerung gegen die dominierende englischsprachige Elite wandten; dann die „Jugendunruhen” 1971, bei denen es um soziale und ökonomische Verbesserung der Bauern ging, und die brutal niedergeschlagen wurden.

Die Option für die Armen, vom Konzil ausgelöst, fand auf Sri Lanka, bei den Christen (nur acht Prozent) und bei der Masse der Bevölkerung bereits einen vorbereiteten Boden. Balasuriya gründete 1971 das Centre for Society and Religion, welches durch Forschung, publizistische Tätigkeit und Ausbildung einen Beitrag zur Entwicklung leisten will. Ähnlich wie in Lateinamerika legte Balasuriya den Akzent auf ganzheitliche Befreiung. Seine Publikationen hatten große Wirkung. In seinem Buch Planetary Theology wendet er sich 1984 gegen den universellen Anspruch der Theologie aus Europa und tritt für eine Asiatische Theologie ein, die in den sozio-kulturellen Kontext Sri Lankas eingebettet ist. Diesem Thema widmet er 1991 ein weiteres Werk.

Der Stein des Anstoßes war Mary and Human Liberation (1990). In diesem Werk von 190 Seiten in nur 300 Exemplaren unternimmt er den Versuch, anhand der Mariendogmen alle Dogmen neu zu interpretieren. Er betont in der Einleitung, daß er kein Dogma in Abrede stellen will, vielmehr möchte er sie im multikulturellen Kontext seiner Heimat in neuer Weise den Menschen zugängliclyna-chen. Jedes der sieben Kapitel geht von der Grundoption für die Armen und der Würde der Frau aus. Der Autor scheut kein „heißes Eisen”, rührt an die marianische Volksfrömmigkeit und zieht (besonders im 7. Kapitel) Folgerungen für Gesellschaft und Kirche. Der Abschnitt Frau und Prie-stertum war wohl ausschlaggebend, daß im für Balasuriya maßgeschneiderten Glaubensbekenntnis die Ablehnung des Priestertums der Frau wie eine dogmatische Formulierung neben den anderen Dogmen stand.

Balasuriya formuliert dennoch vorsichtig. Wie Balasuriya darstellt, geht es um Fragestellungen, welche ein Theologe stellt. Sein 55seitiges Antwortschreiben auf die Vorwürfe der Glaubenskongregation vom 14. März 1995 zählt 58 Fälle von Falschzitaten und Fehlinterpretationen auf und skizzierteinesi'toc/ie Theologie. Die Glaubenskongregation ging darauf nicht ein. Es sieht aus, als wäre Balasuriya exkommuniziert worden, weil er sich „aus Gewissensnot” weigerte, das Glaubensbekenntnis abzulegen, das seine Orthodoxie klarstellen sollte. Demnach wäre die Exkommunikation eine Disziplinarmaßnahme.

Der Provinzial Balasuriyas, P. John Camillus Fernando, widerspricht am 21. Jänner 1997 der Exkommunikation: Der „Dienst (des 72jährigen P. Balasuriya) bewegte sich auf der Linie des Zweiten Vatikanum ... und fand die Zustimmung und Unterstützung der Ordensobern”. Und: „In jedem Fall scheint uns die Exkommunikation eine Strafe, welche vom Ton des Evangeliums, das uns in den Tagen und der Zeit nach dem Zweiten Vatikanum animieren sollte, entfernt ist

... Sie ist unangemessen, wenn man bedenkt, daß sie auf einen betagten Priester und Ordensmann angewendet wird, der in den letzten 52 Jahren so viel für die Kirche und Ordensgemeinschaft geleistet hat, der dazu leidenschaftlich wünscht, der Kirche anzugehören.” Darum die Forderung: „Wir verlangen mit Nachdruck, daß die Glaubenskongregation die Strafe der Exkommunikation zurücknimmt.” Der Bischofskonferenz wirft der Provinzial vor, daß in keiner Phase, weder in Sri Lanka noch in Born, P. Balasuriya Gelegenheit zum Dialog gegeben wurde. Außerdem sei die detaillierte Antwort Balasuriyas von Born mit der kurzen Bemerkung „unzureichend” abgeschmettert worden. Zum geforderten Glaubensbekenntnis: Das „reichere Glaubensbekenntnis von Paul VI.” wurde wegen des Zusatzes von Balasuriya nicht anerkannt, aber: „Wir glauben, daß dieser Zusatz den substantiellen Wert des Glaubensbekenntnisses nicht beeinträchtigt und nur die allgemeinen methodologischen Voraussetzungen moderner Theologen zum Ausdruck bringt...”. Der Zusatz lautete: „Ich lege dieses Glaubensbekenntnis Paul VI. aus dem Jahre 1968 ab im Kontext der theologischen Entwicklung und der kirchlichen Praxis seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und in der Freiheit und Verantwortung eines Christen und der theologischen Wahrheitssuche, wie sie das Kirchenrecht vorsieht.”

In Europa haben die deutschen Hilfswerke Missio und Misereor und die österreichische Dreikönigsaktion, die Projektpartner von Balasuriya sind, Stellungnahmen abgegeben. Von den theologischen Fakultäten ist nur die Stellungnahme der österreichischen Dekane vom 17. März 1997 bekannt, worin sie für die Freiheit der Arbeit der Theologen eintreten.

Die Empörung im asiatischen Baum ist heftiger. Schon am 9. Jänner 1997 meldete sich die Asiatische Menschenrechtskommission mit Sitz in Hongkong zu Wort und kündigte an, den Fall unter dem Vorsitz eines ehemaligen indischen Höchstrichters vor ein „People's Tribunal” zu bringen. Eine Woche später enthüllte die Kommission, wer in Sri Lanka die Fäden zieht: Es ist Bischof Banjith, der seit 1992 gegen Balasuriya agitierte. Er hat eine Scheinkommission von

Theologen aufgestellt, die jedoch die Auflistung der Irrtümer, welche sich die Bischofskonferenz und Born zu eigen gemacht haben, weder verfaßt noch approbiert hat.

Eigentlich geht es aber um die Asiatische Theologie. Im Oktober 1996, als Bom die Anwendung von Kanon 1364 (Exkommunikation von I Iäretikern und Apostaten) gegen Balasuriya beschloß, befand sich eine Auswahl indischer Bischöfe in Bom, in deren Diözesen es Seminare, theologische Hochschulen oder Forschungsinstitute gibt. Es ging um die Sorge Boms über Positionen eines halben Dutzend von Theologen in Seminaren und theologischen Fakultäten. Kardinal Batzinger hatte schon im März 1993 auf dem Treffen der Asiatischen Bischofskonferenzen zur Vorsicht im interreligiösen Dialog gemahnt. Er schlug vor, an Stelle von Inkulturation den Begriff Inter-Kultu-ralität zu gebrauchen. Diese Terminologie ist auch im Vorbereitungsdokument für die Bischofssynode für Asien, die Ende 1998 in Bom abgehalten werden soll, zu finden. Die Glaubenskongregation äußert in diesem Zusammenhang die Befürchtung, daß einige Formen des interreligiösen Dialogs „synkretistisch” werden könnten wie auch eine „Soziologie” der Inkulturation.

In diesen beiden Brennpunkten steht auch Balasuriya: Seine Lehren werfen die Frage auf, welche Religion für welches Heil in einem Kontinent mit christlicher Minderheit wichtig ist. Der andere Brennpunkt ist die „menschliche Befreiung”. Zu diesem Thema sah sich die Glaubenskongregation wiederholt zu Interventionen veranlaßt. Mit der Exkommunikation hat sie zwei Fliegen auf einen Streich getroffen: Die Befreiungstheologie und die Asiatische Theologie. Anders gesagt: Bom hat Balasuriya getroffen, aber die Asiatische Theologie gemeint. Angesichts einer Bischofssynode für Asien steht viel auf dem Spiel: Der interreligiöse Dialog, die Evangelisierung in Asien, die Vielfalt der Weltkirche, das Ansehe einer Minderheitskirche und die Glaubwürdigkeit der Kirche vor der ganzen Welt.

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