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Die Laien vor dem Mikrophon

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Erstmals kommen während einer katholischen Bischofssynode die Laien in eigener Sache zu Wort. Nach 20 Tagen Diskussion kann eine erste Zwischenbilanz gezogen werden.

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Erstmals kommen während einer katholischen Bischofssynode die Laien in eigener Sache zu Wort. Nach 20 Tagen Diskussion kann eine erste Zwischenbilanz gezogen werden.

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Sogar angeblich heiße Eisen können Rost ansetzen. Lag es daran, daß sich die katholische Bischofssynode in Rom zum ersten Mal mit „Berufung und Sendung“ der immerhin 99,5 Prozent gläubigen Laien in der Kirche, ja sogar der Frauen, befaßt hat? „Große Hochachtung für unsere Brüder und Schwestern im Laienstand“ hatte der Papst ihnen gleich zu Beginn versichert, und 60 Laien, darunter 23 Frauen, durften zum ersten Mal unter den 230 Bischöfen sitzen, j a 17 Laien bei den Vollversammlungen und die anderen auch in den Arbeitskreisen in eigener Sache zu Wort kommen — mit allem Respekt, versteht sich, vor kirchlicher Obrigkeit, die ihrerseits — diskret, versteht sich — fast nur solche Türen öffnet, die in aller Welt schon mehr oder weniger offen sind.

„Es ist schwer, wenn nicht unmöglich für uns hier versammelte Bischöfe, sich den Schmerz und die Frustration vieler Frauen gegenüber der Kirche vorzustellen“, meinte der amerikanische Bischof Rembert Weakland und forderte, daß „die Kirche kämpfen müsse, um alle Spuren eines Sexismus auszurotten“, der Frauen gleichsam religiös minderwertig betrachte, weil sie nach katholischer Doktrin von der Priesterweihe ausgeschlossen sind.

Die Argumente dafür seien „vor allem für die Jugend weniger überzeugend“, gab der kanadische Bischof Jean-Guy Hamelin zu bedenken und ging bis auf Adam und Eva zurück, um den Zugang der Frau wenigstens zum Diakonat zu begründen. Auch Bischof Weakland empfahl Laien „und so auch Frauen“ zu allen anderen liturgischen Rollen, die keine Priesterweihe erfordern (Meßdiener, Lektoren, Prediger), aber auch zur kirchlichen Verwaltungslaufbahn bis zum diplomatischen Dienst des Vatikans zuzulassen. Bei den meisten Synodalen stießen solche Stimmen aber nur auf schwachen Beifall.

Mehr von der praktischen Seite behandelten das Problem die Oberhirten aus der Dritten Welt: „Ohne Frauen würde in Asien die Seelsorge zusammenbrechen“, teilte der philippinische Bischof von Balange mit und ließ ebenso wie mancher seiner afrikanischen Amtsbrüder durchblicken, daß man im pastoralen Alltag ganz einfach tut, was europäische Würdenträger nur akademisch umschreiben, wenn sie — wie etwa der Aachener Bischof Klaus Hemmerle — anregen, in der Frauenfrage theologisch und anthropologisch „Engführungen aufzusprengen“.

Von katholischen Frauen selbst, die in der Synode zum Mikrophon treten durften, war dann zu hören, daß sie nicht so sehr der Zutritt zum Altar bewegt, sondern die kirchliche Betrachtungsweise des Ehebetts. Die Australierin Mavis Piral, Mutter von vier Kindern, belehrte die Synodenväter über die auch religiöse Bedeutung von „gegenseitigem sexuellem Verstehen, besonders beim genitalen Sex“, denn es sei sexuelle Intimität, was die Ehe von allen anderen christlichen Beziehungen unterscheidet, und diese sexuelle Natur des Sakraments bedarf der Bekräftigung zum Wohl der Paare, der Familien und der ganzen Kirche.

Vielleicht war es solche Offenheit, die den Präsidenten des Päpstlichen Familienrates, Kardinal Eduard Gagnon, ermutigte, vom hierarchischen Podest auf das, wie er sagte, „Niveau der konkreten Realitäten herabzusteigen, um gewisse ernste Hindernisse zu bedenken und uns bezüglich mancher unserer pastoralen Verhaltensweisen zu befragen, die zweifellos vom Heiligen Geist unterstützt, aber noch der Sünde ausgesetzt sind...“ Was da selbstkritisch anklang, konnte man freilich nur ahnen, denn der Kardinal hatte das ohnehin pressescheue Synodensekretariat angewiesen, daß „der Rest der Rede nicht zu publizieren ist“.

Man war sich einig, daß das kirchlich religiöse Engagement der Laien im Alltag und im privaten wie im politischen Leben mobilisiert werden muß. Angesichts unterschiedlicher Lebens- und Gesellschaftsformen seien dabei — so wünschte Bischof Maximilian Aichern aus Linz - „klar definierte Entscheidungsfreiräume“ für die einzelnen Lokalkirchen notwendig.

Doch trotz vieler schöner Reden von „Communio und allgemeinem Priestertum aller Getauften“ vermochte die Synode nicht über den Schatten eines Denkens zu springen, für das eine Art geistlicher Arbeitsteilung festgelegt bleibt: Der Klerus, vom Papst bis zum Pfarrer, hat den Glauben zu lehren und zu verkünden, die Laien in der Welt ihn folgsam zu bezeugen „ohne Wenn und Aber“, wie Professor Nikolaus Lobko-wicz aus Eichstätt der Synode versichert.

Bei einem Problem waren heftige Auseinandersetzungen erwartet worden, bei den neuen charismatischen Bewegungen. Nur der brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider forderte rund heraus, daß „pastorale Parallelaktionen“ dieser Bewegungen verboten werden müßten, während der polnische Kardinal Frantisek Macharski und manche andere in den Laiengemeinschaften, den Erweckungs- und Jugendbewegungen das ideale Heilmittel gegen Kirchenmüdigkeit sehen, ja von ihnen die wirksamste Antwort an eine säkularisierte Umwelt erwarten.

Der beargwöhnte Gründer einer solchen Bewegung, Prälat Luigi Giussani von „Communio e Liberazioni“, parierte schlau seine Kritiker: Er beteuerte Gehorsam gegenüber jedem Bischof, „der jenseits seiner eigenen Meinungen“, das Charisma der Bewegimg respektiere. Auch Prälat De Por-

tillo, der Chef der umstrittenen Opus Dei-Bewegung (den der Papst selbst zum stimmberechtigten Synodenmitglied ernannt hatte), ging geschickt in Deckung: Er sprach vom Vorrang der großen Mehrheit nicht organisierter Laien in der Kirche und vom sakramentalen Dienst, der „von uns Hirten die Anerkennung des Primats der Person vor den Strukturen erfordert“.

An diesen wollte freilich schon deshalb niemand rütteln, weil sie allemal einen Halt bieten - wenn nicht dem ganzen Gottesvolk, so doch einer Priesterschaft, die das Mysterium des Glaubens, das sie zu verwalten hat, nicht im ge-schichtslosen, luftleeren Raum an den Mann und die Frau bringen könnte. Das Thema „Laien“ brachte die ganze verwirrende Vielfalt von „Welt“ zur Sprache — vom religiösen Untergrund in der Ukraine bis zur „glücklichen Entklerikalisie-rung“ durch den Bürgerkrieg im Tschad, von der Bedrohung durch Drogen, Aids, Islam und protestantischen Sekten bis zu Apartheid, Terrorismus und Wettrüsten.

Es war der philippinische Kardinal Vidal, dem schließlich auffiel, daß im ganzen theologischen Synodenpalaver die Stimme der großen Mehrheit der Christen fast nicht zu hören war: „Sie sind nicht Intellektuelle oder hochgebildet, sondern einfache Leute mit tiefem Glauben - simple folks.“ Ihnen und nicht den klugen Dogmenwächtern hatten ja Religion und Kirche immer schon das Uberleben zu verdanken.

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