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Ende oder Anfang?

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Zum Abschluß des österreichischen Synodalen Vorgangs traf Kardinal König zwei bemerkenswerte Feststellungen, die eine Überlegung nützlich erscheinen lassen: der Vorgang ist abgeschlossen, man werde in ein oder zwei Jahrzehnten vielleicht wieder eine ähnliche Veranstaltung planen. Die Beschlüsse des Vorgangs hätten zwar keine juristische Verbindlichkeit, ihnen käme jedoch ein moralisches Gewicht zu. Stellt man das Geschehen in Österreich in einen größeren Rahmen, so besteht kein Zweifel, daß das Ende solcher Versammlungen mit gemischten Gefühlen aufgenommen wird. Das gilt für das niederländische Pastoralkonzil (1968 bis 1970) wie auch für die Synode in der Bundesrepublik Deutschland (seit 3. 1. 1971).

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Zum Abschluß des österreichischen Synodalen Vorgangs traf Kardinal König zwei bemerkenswerte Feststellungen, die eine Überlegung nützlich erscheinen lassen: der Vorgang ist abgeschlossen, man werde in ein oder zwei Jahrzehnten vielleicht wieder eine ähnliche Veranstaltung planen. Die Beschlüsse des Vorgangs hätten zwar keine juristische Verbindlichkeit, ihnen käme jedoch ein moralisches Gewicht zu. Stellt man das Geschehen in Österreich in einen größeren Rahmen, so besteht kein Zweifel, daß das Ende solcher Versammlungen mit gemischten Gefühlen aufgenommen wird. Das gilt für das niederländische Pastoralkonzil (1968 bis 1970) wie auch für die Synode in der Bundesrepublik Deutschland (seit 3. 1. 1971).

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Hier wird ein Konzept offenkundig, das auf allen Ebenen der Kirche praktiziert werden soll. Dem Papst stehe die Zweiheit eines Bischofsund Laienrates zur Seite, gegen deren Beschlüsse er jedoch ein Veto einlegen dürfe. Die einzelnen Länder werden von der ständigen Synode des nationalen Pastoralamtes gelenkt, Diözesen und Pfarren besitzen schon jetzt in der Form von Pastoralräten und Pfarrgemeinderäten ihre analogen Gremien. Trotz gegenteiliger Klarstellungen durch die Kleruskongregation spricht man unbekümmert von kollegialen Leitungsgremien, weil es anscheinend nicht gelingt, den Unterschied zwischen Leitung und kollegial ausgeübtem Mitspracherecht klarzustellen. Der Begriff des Leitungsorgans wird weiterhin im Zwielicht bleiben, sei es aus Naivität oder auch gezielter Absicht. Sonst wäre die Langlebigkeit dieser Konfusion nicht zu erklären.

Wer etwa den Beitrag von Küng über die „Mitentscheidung der Laien in der Kirchenleitung“ gelesen hat (Theol. Quartalschrift, 149, 1969, S. 147 ff.), erkennt hier die Grundlegung einer Konzeption, die kaum vertieft wird, jedoch in gleichlautenden und, immer kühner werdenden Forderung .wiederkehrt. Bibliker, Dogmatiker, Kirchenrechtler und selbst Pastoraltheologen finden hier ein Tätigkeitsfeld, so oft über Strukturen der Kirche, der Diözese oder der Gemeinde Christi geschrieben wird, als hinge das Wohl und Wehe der Seelsorge davon ab.

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Die vom Konzil verkündete Gleichheit aller, die Rückbesinnung auf das durch die Taufe erworbene allgemeine Priestertum, die Mitverantwortung aller und die laienapostolische Sendung werden mißverstanden, um eine Beteiligung aller an der Kirchenleitung zu fordern. Schon taucht das Schreckgespenst der Hierarchie auf, das mit einer demagogisch geführten Klage über das Zweiklassensystem gekoppelt wird. Vom Geiste des Konzils müßte hier gar nicht mehr gesprochen werden, da man sich nicht einmal scheut, seinen Buchstaben zu unterdrücken. Nirgends ist jedoch von einem Verzicht auf das hierarchische Prinzip die Rede; die dogmatische Konstitution über die Kirche sowie das Bischofsund Priesterdekret sprechen hier eine deutliche Sprache.

Die Wiederkehr des Gedankens vom Bischofskollegium als Träger der höchsten Gewalt, vereint mit dem Haupt, schließt eine Auflösung des Petrusamtes in ein Kollegium keineswegs ein; noch weniger vermag man aus den Texten herauszulesen, die höchste Kirchenleitung fordere einen allgemeinen Kirchenrat, dessen Beschlüsse der Generalsekretär, nämlich der Papst, auszuführen habe. Man argumentiere nicht mit dem Vetorecht, diesem im staatlichen und internationalen Leben oft genug mißbrauchten und deshalb schleißig gewordenen Recht.

Selbstverständlich ist auch das päpstliche Recht nicht einfachhin unbeschränkt, die Kirche keine Diktatur oder absolute Monarchie. Nicht nur das göttliche Recht setzt Schranken, auch die Ökonomie des Handelns geht von der Maxime aus, daß der Papst zum Aufbau und nicht zur Zerstörung des Leibes Christi zu wirken hat. Der Konsens in der Kirche, ein allgemein erteilter Rat oder die Meinung qualifizierter Fachberater entbehren nicht des moralischen Gewichtes, auch wenn es sich nicht

um juristisch einklagbare Rechte handelt. Die primatiale Gewalt des Papstes erschöpft sich jedoch nicht in der Funktion eines Ratsvorsitzenden mit Bindung an die Beschlüsse dieses Gremiums, allenfalls mit der Gewährung eines Vetorechtes. ★

Eine ähnliche Erwägung gilt dem bischöflichen Amt, ganz gleich, ob es

sich um den Episkopat eines Landes oder den Einzelbischof handelt. Die Räte der Diözese, Priester-, Pastoral-und Laienrat, sind, wie es bereits der Name sagt, mit beratendem Charakter ausgestattet, auch wenn ihnen in einzelnen, vom Gesetz vorgesehenen Fällen beschließende Stimme zukommt.

Die Kleruskongregation hat in zwei Rundschreiben aus jüngster Zeit keinen Zweifel daran offen gelassen, daß es sich nicht um „Leitungsgremien“ handelt, sondern um Organe mit kollegial ausgeübten Beratungsfunktionen. Dabei wurde noch vermerkt, daß einzig und allein dem Priesterrat der Charakter eines „Senates des Bischofs“ zukommt. Wo Pastoralräte sich als oberste Gremien der Diözese gerieren, geschieht es gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers.

Selbstverständlich ist das keine frohe Kunde für jene, die aus den Konzilstexten das Gegenteil herauslesen wollen. Ganz abgesehen davon, daß konkrete Aussagen vorliegen, wurde durch das II. Vatikanum eine grundsätzliche Aussage über die Zuordnung von Weihe- und Leitungsgewalt ausgesprochen. Das bedeutet für den Bischof, daß seine Leitungsvollmacht auf der Weihe beruht Und sich von ihr nicht trennen läßt. Das widerspricht der Forderung, der Bischof möge die Weihefunktionen persönlich ausüben, die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben jedoch einem Gremium überlassen. Dann träfe der Vorwurf zu, daß der Bischof zum Zauberer degradiert wurde, der sich nur noch dem „magischen Rest“ zu widmen hätte.

Die Betätigung von beratenden Gremien setzt immer voraus, daß das

bischöfliche Amt in seinem Sinn gewahrt bleibt. Zeitlos zu bestimmen, was dazu gehört, ist historisch und sachlich nicht leicht. Sicherlich wäre es damit abgetan, daß man lediglich das Vetorecht einräumt oder die Möglichkeit vorsieht, gegen Gremial-beschlüsse nach Rom rekurrieren zu dürfen. Mit dieser Konzession glaubt Rahner die Autorität des Bischofs genügend gewahrt zu haben (Vom Sinn des bischöflichen Amtes: Pastorale Informationen 1972, S. 7).

Es' kann jedoch der Sinn bischöflicher Leitungsbefugnisse nicht nur darin liegen, mit dem Vetorecht auf die Mitregierung anderer reagieren zu dürfen, ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit einer eher odiosen Repressivmaßnahme, die hier zur ordentlichen Regierungsmaßnahme erhoben wird. Das entspräche der dem demokratischen Staatsapparat abgelauschten Wechselwirkung von „checks and balances“, die Exekutive und Legislative durch Abhängigkeit oder Vetorecht voneinander abhängig machen, beide jedoch der Kontrolle durch die Judikatur unterwerfen, wie es in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Wenn das Volk Träger der Macht ist, steht es ihm frei, Modelle zu entwickeln, die dieser Gegebenheit gerecht werden. Gerade diese Voraussetzung fehlt jedoch in der Kirche, ihre verfassungsrechtliche Grundkonzeption geht nicht von der Repräsentation des Volkes aus.

Die Rekursmöglichkeit an den Papst widerspricht auch einem anderen Prinzip, das gerade von den Verfechtern des Subsidiaritätsprin-zips betont wird. Man stelle sich die Folgen einer Zentralisation vor, wie sie die Geschichte in dieser Form nicht gekannt hat. Selbstverständlich besteht immer eine Beschwerdemöglichkeit, selbst wenn ein formeller Rekurs nicht ausdrücklich erwähnt wird. Diese Möglichkeit jedoch als ordentliches Mittel in die Diözesan-regierung einzubauen, müßte die Wirksamkeit diözesaner Leitungsbefugnisse blockieren.

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Was hier von der Diözese gesagt wird, gilt auch für die Gesamtheit aller Bistümer eines Landes. Die Bedenken eines nationalen Pastoralrats sind um so größer, als es bisher ein bischöfliches Leitungsgremium auf nationaler Ebene nicht gibt. Man argumentiere nicht mit der Existenz der Bischofskonferenz. Sie hat durch das II. Vatikanum eine gewisse Aufwertung erfahren, und soweit hier Tendenzen der Dezentralisierung sichtbar werden, ist dies nur zu begrüßen. Dennoch zeigten sich schon in der Konzilsaula Bedenken, die zu einer vorsichtigen Dosierung der Kompetenzen führten. Bedeutet doch die Verleihung von größeren Machtbefugnissen an die Bischofskonferenz einen Eingriff in die Rechte der Einzelbischöfe, selbst wenn wir darauf verzichten, von einer Autonomie der Diözese zu sprechen.

Diese Voraussetzungen muß man kennen, wenn Synoden oder synodale Vorgänge nun auf Landesebene fortgesetzt werden sollen. In der Bundesrepublik sind solche Überlegungen im Gange, in Holland lag bereits der Beschluß vor, als Fortsetzung des Pastoralkonzils einen permanenten nationalen Pastoralrat zu gründen. In einem Schreiben der Präfekten dreier römischer Kongregationen (Glaubens-, Bischofs- und Kleruskongregation) vom 21. Juli 1972 wurde betont, daß die Zeit dafür noch nicht reif sei.

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Wer die üblichen Reaktionen kennt, kann erahnen, daß solche Äußerungen einen Aufschrei des Protestes verursachen. Wer jedoch die Wirklichkeit wahrnehmen will, wird eher zugeben, daß die römische Antwort maßvoll war. Was spricht für den Mangel an Reife? Zunächst die immer wiederkehrende Forderung nach Mitentscheidung im Sinne einer Beschlußfassung. Die in Österreich verwendete Terminologie war aufschlußreich. Trotz der amtlichen Stellungnahme, und hier darf ich

mich auf den Hl. Stuhl berufen, daß es keine Synode mit gesetzgebenden Befugnissen sei, wurde nur allzuoft eine Ausdrucksweise verwendet, die das Gegenteil aussagte oder bewußt offenließ. Wenn nun Kardinal König feststellte, daß es sich nicht um juristische Bindungen handle, die den Beschlüssen innewohne, sondern nur um eine moralische Kraft, so trifft sich das mit der bisherigen Regelung des Beispruchsrechtes. Einen einmütig erteilten Rat darf der kirchliche Vorgesetzte nicht ohne überwiegende Gründe in den Wind schlagen.

Nun aber fehlt es schon heute nicht an Stimmen, die von einem sozialen Druck auf die Bischöfe sprechen, und das gerade in Kreisen von „Synodalen“. Das ist kein moralisches Gewicht mehr, sondern eine Erpressung, mit der den Bischöfen gegenüber gearbeitet wird.

Ein moralisches Gewicht, soll es Bedeutung haben, kann nur einem Rat innewohnen, der von einem dafür qualifizierten Gremium erteilt wurde. In Hochschulkreisen spricht man von einer nach Qualifikation gestuften Mitsprache. Im kirchlichen Leben dürfte sich dieser Grundsatz noch nicht herumgesprochen haben. Ja, der Druck soll sich über die Grenzen eines Landes fortsetzen, wenn Empfehlungen oder Voten für römische Stellen geplant sind, um auch dort mit vollendeten Tatsachen aufwarten zu können.

Inwieweit die Abstimmungsergebnisse für die österreichischen Bi-

schöfe ein moralisches Gewicht darstellen, wird von der Prüfung abhängen, ob solche Resolutionen nach Thematik, Verhandlungstaktik, Qualifikation der Teilnehmer und gesamtkirchliche Verantwortung eine echte Bejahung verdienen. Hier wird die moralische Verpflichtung zunächst einmal in der Uberprüfung bestehen müssen, ob eine Zustimmung im Gewissen zu verantworten ist. Das heißt aber nicht, daß man vor lautstarken Gruppen kapituliert, weil sie mit demagogischen Methoden sowie dem Einsatz der Massenmedien arbeiten, zumal die Öffentlichkeitsarbeit immer mehr dazu neigt, nicht Informationen zu vermitteln, sondern einen innerkirchlichen Druck zu erzeugen.

DDr. Jakob Weinbacher, Weihbischof und Ordensvikar der Erzdiözese Wien, Sekretär der österreichischen Bischofskonferenz, Präsident der Wiener Katholischen Akademie, Großprior des Ritterordens vom heiligen Grab zu Jerusalem für Österreich, Kaplan des nobelsten Ordens der Welt, des Ordens vom Goldenen Vlies, langjähriger Rektor der Santa Maria dell'Anima in Rom, langjähriger Generalvikar der Erzdiözese Wien, seit über einem Jahrzehnt Obmann des österreichisch-katholischen Pressvereins Herold, feiert am 27. Juni zusammen mit Erzbischof Dr. Josef Schoiswohl, seinem „Kurskollegen“, mit einem feierlichen Gottesdienst im Stephansdom um 12 Uhr das goldene Priesterjubiläum. Der eigentliche Wedhetag ist der 20. Juli, aber mit Rücksicht auf die Urlaubszeit wurde die Feier vorverlegt.

DDr. Jakob Weinbacher, geboren 1901 in Wien, war zwei Jahre nach seiner Weihe Kaplan und wurde dann Zeremoniär von Kardinal Piffl. Nach Erwerbung des theologischen Doktorates sandte ihn der Kardinal nach Rom zum

Studium des kanonischen Rechts. 1932 wurde DDr. Weinbacher Sekretär des Kardinals Innitzer. 1938, nach dem Anschluß von der Gestapo verhaftet, wurde er schließlich nach Mecklenburg verbannt, und war seit 1943 in Stettin inhaftiert. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1945 wurde DDr. Weinbacher in das Wiener Domkapitel berufen und zum Leiter der Caritas bestellt, gerade in der damaligen Zeit eine Stelle, durch die er viel Leid lindern konnte. 1950 wurde er Generalvikar der Erzdiözese, 1952 Rektor der „Anima“ in Rom. 1961 nach Wien zurückberufen, wurde er durch Kardinal König neuerlich zum Generalvikar bestellt. 1962 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Weihbischof.

Trotz seiner Überlastung durch die vielen Ämter hatte der Jubilar immer auch Zeit, sich den Aufgaben eines Obmanns des katholischen Pressvereins Herold zu widmen, dessen Unternehmungen, vor allem aber der FURCHE, seine volle Aufmerksamkeit und Hilfe galt. So hat das Haus Herold allen Anlaß, dem Jubilar seine besonderen Glückwünsche darzubringen. W. L.

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