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Für Stabilität und festen Halt

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Die sieben Bücher des neuen Codex sind den allgemeinen Normen, dem Volk Gottes, der Lehrfunktion, den Sakramenten und Gottesdiensten, dem Sachen-, Straf- und Verfahrensrecht gewidmet.

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Die sieben Bücher des neuen Codex sind den allgemeinen Normen, dem Volk Gottes, der Lehrfunktion, den Sakramenten und Gottesdiensten, dem Sachen-, Straf- und Verfahrensrecht gewidmet.

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Aus dem Gedanken eines „Ag- giornamento“ des kirchlichen Lebens an die Verhältnisse der Zeit heraus hat Papst Johannes XXIII. am Feste Pauli Bekehrung (25. Jänner) 1959 die Abhaltung eines ökumenischen Konzils und die Totalrevision des kirchlichen Rechtes angekündigt. Die für die-

ses letztere Anliegen 1963 eingesetzte Kardinalskommission hat zunächst die Ergebnisse des Konzils abgewartet, um die Rechtserneuerung aus dem Geist und den Grundsätzen desselben vorzunehmen.

Die Schöpfer des neuen Codex Iuris Canonici (CIC) wollten nicht über das Konzil hinausgehen und nicht von ihm abweichen, doch wollten sie, da das Konzil in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens mehr allgemeine, grundsätzliche Aussagen traf, auf der Basis der Aussagen des Konzils eine konkrete rechtliche Ordnung gestalten.

Dabei ist zu beachten, daß so manche Impulse des Konzils in der Zeit seitdem schon konkrete Gestalt angenommen haben. Man denke beispielsweise an die diöze- sanen Räte (Priesterrat, Diöze-

sanrat bzw. diözesaner Pastoral- rat), an die Ausübung des Diakonates als selbständige Weihestufe, an die Einführung der Volkssprache in der Liturgie, an die Stärkung der Stellung der Diözese oder an das intensive ökumenische Bemühen.

Zweifelsohne hat das II. Vatikanum eine große Dynamik in das kirchliche Leben gebracht. Aber dem Leben und so auch dem Leben der kirchlichen Gemeinschaft eignet nicht nur eine dynamische Komponente sondern auch ein Moment der Dauer, des bleibenden Wertes, der Stabilität. Und so steht ja auch das Konzil selbst, bei aller Reform und Neuerung, die es bringt, in der großen Linie der kirchlichen Tradition.

So ist, um ein Beispiel zu nennen, bei aller Akzentuierung der Kollegialität, der Mitverantwortung und Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung durch das Konzil vielfach doch auch die Verantwortung des Amtsträgers für die eigentliche Entscheidung betont. Was die im Zeichen des Grundsatzes „Ecclesia semper re- formanda“ stehende dynamische Komponente der Rechtserneuerung betrifft, so sei erwähnt, daß es Rechtsbereiche gibt, in denen das neue Gesetzbuch nur eine Rahmenregelung bietet und den Erlaß konkreter Vorschriften partikulären Organen (beispielsweise den Bischofskonferenzen) überläßt und diese beauftragt, die von ihnen gegebenen Vorschriften von Zeit zu Zeit zu überprüfen und zu erneuern (z. B. in der Priesterausbildung). Auch in diesem Sinne ist der neue Codex Spiegelbild des II. Vatikanums.

Das neue ekklesiologische und pastorale Verständnis des Konzils findet auch im Kirchenrecht seinen Niederschlag. In der Literatur werden drei charakteristische Züge der nachkonziliaren Rechtsentwicklung genannt:

1. die Stärkung der Stellung der Diözese (Tendenz zur Dezentralisation):

2. die stärkere Einbindung des Laien in den aktiven Vollzug des kirchlichen Lebens und

3. die Tendenz, größere vom Recht nicht geregelte Freiräume für das Handeln des mündigen Christen zu schaffen.

Auch der neue Codex weist im Vergleich mit dem von 1917 die drei genannten Züge auf. Beispielsweise ist gegenüber dem letzteren die Zahl der Canones reduziert. Allerdings könnte, wie die Erfahrung des partikulären Synodal- und Gremialwesens der nachkonziliaren Ära zeigt, das Bestreben, die Ergebnisse gre- mialer Beratungen mit Rechtsverbindlichkeit auszustatten, eine Vermehrung der partikularrechtlichen Vorschriften begünstigen.

In der Codexkommission wurden zehn — der neuen geistigen Linie entsprechende — Leitsätze, die die CIC-Reform prägen sollen, erarbeitet. Diese haben die Billigung der Bischofssynode 1967 erhalten.

Bezüglich des die kirchliche Entwicklung seit dem II. Vatikanum prägenden Trends zur Dezentralisation spricht man auch von der „Wiederentdeckung der Teilkirche“ und von der „Aufwertung des Bischofsamtes“. Ver

schiedenes, was früher Rom Vorbehalten war beziehungsweise was die Bischöfe nur kraft römischer Bevollmächtigung tun konnten, können sie nun auf Grund eigenen Rechtes, als Hirten ihrer Diözese tun (z. B. verschiedene Dispense von Ehehindernissen, Ehesanationen usw.).

Seit dem 19. Jahrhundert (insbesondere seit 1848) haben sich die Bischofskonferenzen als Forum des Gesprächs über gemeinsame Aussagen der Bischöfe und koordinierte Vorgangsweisen herausgebildet. Wenngleich sie so von großem praktischem Gewicht waren, so kam ihren Beschlüssen doch keine kirchenrechtliche Verpflichtungskraft zu. Erst das II. Vatikanische Konzil hat den Bischofskonferenzen für bestimmte Angelegenheiten rechtliche Entscheidungskompetenzen zugewiesen, die in der Folge immer stärker ausgeweitet wurden’(z. B. Verwendung der Volkssprache in der Liturgie, Einführung des Diakonates als selbständige Weihestufe im betreffenden Land). Auch diese Entwicklung wird vom neuen Codex besiegelt.

Besonderes Gewicht hat bei der Neukodifizierung des Kirchenrechtes in Anlehnung an Aussagen des II. Vatikanischen Konzils die Betonung des subjektiven Rechtsschutzes. Dies kommt einerseits sowohl in der Erstellung eines, wenn man so sagen darf, Grundrechtskataloges (im Zusammenhang mit der Aufzählung grundlegender Pflichten), also eines Kataloges von Rechten, die allen Gläubigen zukommen, zum Ausdruck als auch in der Ausarbeitung eines Verwaltungsverfahrens und eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Der einzelne hat gegebenenfalls die Möglichkeit, Entscheidungen kirchlicher Verwaltungsorgane (sogar römischer Kurialbehör- den) vor kirchliche Verwaltungsgerichte zu bringen. Dabei kommt natürlich sehr viel darauf an, daß diese Gerichte, soweit möglich.

mit echter Unabhängigkeit ausgestattet sind.

Die starke Betonung des einzelnen und seiner Charismen begünstigt auch den Ausbau eines kirchlichen Vereinigungsrechtes.

Neben den von der kirchlichen Autorität errichteten Vereinigungen hat es auch schon bisher Vereinigungen auf Grund von freien Zusammenschlüssen gegeben, die eine Empfehlung der kirchlichen Stellen erhalten haben. Bei diesen empfohlenen Vereinigungen hat das frühere Recht die Vorstellung begünstigt, es handle sich um außerhalb des kirchlichen Raumes zustande gekommene Vereinigungen; das neue Recht kennt nun auch im innerkirchlichen Bereich auf Grund freien Zusammenschlusses von Gläubigen für kirchliche Zwecke entstandene Vereinigungen.

Der Impuls des II. Vatikanums betreffend die stärkere Aktivierung des Laien findet auch im neuen Recht seinen Niederschlag. Neben den allen Gläubigen (Klerikern und Laien) zukommenden Rechten und Pflichten bringt er auch einen Katalog der besonderen Laienrechte und -pflichten. Die niederen Weihen des früheren Rechtes, die nur Klerikern als Durchgangsstufe auf dem Weg zum Priestertum Vorbehalten waren, wurden bereits 1972 abgeschafft. In Verbindung damit hat man die Dienstämter des Akoly- then und Lektors, die nunmehr Laienämter sind, eingeführt.

Darüber hinaus gibt es auch im neuen Codex noch andere Möglichkeiten der Mitwirkung von Laien im liturgischen Raum. Weitgestreut sind die Möglichkeiten der Laienarbeit in der kirchlichen Verkündigung, insbesondere auch in der Lehrtätigkeit. In viel stärkerem Maße als früher sind Laien in kirchliche Gremien eingebunden. Sie können auch zu verschiedenen Synoden zum Beispiel (Diözesansynoden) herangezogen werden.

Der Autor ist Universitätsprofessor für Kirchenrecht in Graz.

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