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Leben in Christus

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Zusammenhänge zwischen Dogma und Sitte bei den apostolischen Vätern. Von Karl Hörmann. Verlag Herold, Wien 1952. 348 Seiten

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Zusammenhänge zwischen Dogma und Sitte bei den apostolischen Vätern. Von Karl Hörmann. Verlag Herold, Wien 1952. 348 Seiten

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Das Buch stellt die Frage: „Wonach haben wir unser Tun zu richten?" und gibt darauf die Antwort, welche die apostolischen Väter auf diese Frage haben. — Hörmann 6chickt seiner Untersuchung einen Überblick über die (noch ungeschriebene) Geschichte der Moraltheologie voraus, um den Sinn und den Ort seiner Arbeit abzustecken. Im Schrifttum der Väterzeit liegt noch die Offenbarung als Einheit von Glauben und Leben vor uns. Wohl gibt es da eine überreiche Literatur über Einzelfragen, aber keine theologischen Disziplinen. Dieses Ganze haben die Summen des Hochmittelalters auf eine systematische Einheit gebracht. Die Sittenlehre ist der Glaubenslehre noch eingegliedert.

Die Neuzeit bringt die allmähliche Aufgliederung der theologischen Fächer. Für die Moraltheologie, sagt Hörmann, bedeutet das nicht eine grundsätzliche, wohl aber eine tatsächliche Ablösung von der übernatürlichen Offenbarung. Die Ratio dominiert. Eine Handvoll Prinzipien genügen, um aus ihnen die „Fälle" zu konstruieren oder zu untersuchen. Fragen der Aszetik und Mystik werden bgedrängt. übrig bleibt, bei dem einzelnen Theologen verschieden dosiert, eine ausgiebige Sündenlehre. Der Verfasser 6etzt den Beginn dieses Verfalls mit dem Jahre 1650 an (S. 14). Was mit dieser geschichtlichen Feststellung und Wertung ausgesprochen ist, wird klar, wenn man bedenkt, daß um dieses Jahr die „Medulla theologiae moralis des Hermann Busembaum erstmalig erschien und daß auch die „Theologia moralis“ de6 hl. Alphons von Ligouri hundert Jahre später nur als einer der unzähligen Kommentare zu Busembaums „Nedulla her- auskam.

Die Neubesinnung auf das Wesen der christlichen Sittenordnung, die heute allenthalben in vollem Gange ist, 6ucht Hörmann durch seine Untersuchung der Sittenlehre in den Schriften der apostolischen Väter zu bereichern. Also an Hand jener Literatur, die unmittelbar auf die Schriften des Neuen Bundes folgte. Und er tut das mit einer Eindringlichkeit und wissenschaftlichen Sauberkeit, die alles Lobes wert i6t.

Das Ergebnis? Der Wille Gottes, abgelesen an den Geboten, ist den apostolischen Vätern nicht äußere Richtschnur; das Einwohnen des dreieinigen Gottes in der Seele des Getauften ist das Prinzip seines Lebens und Handelns. Die Christusförmigkeit ist da6 einzige Vorbild. Ob Heteronomie oder Autonomie wäre diesen Vätern eine unbegreifliche Fragestellung. Sie lebten theonom aus Gott, der ihr Leben war.

Das wird vom Verfasser mit der ganzen Akribie einer wissenschaftlichen Untersuchung herausgestellt. Man mag die immer gleiche Schematik seiner Darstellung bedauern, muß ihm aber zustimmen, wenn er gerade dadurch die Einheit in der Verschiedenheit klarmachen will.

Das Bedenken gegen die deduktive Methode des hl. Thomas („So kann man in einer gläubigen Welt Vorgehen“), das Hörmann mit Jacques Leclerq vorbringt, kann man aber nicht für die Aktualität seiner Untersuchung nennen. Denn dieses Bedenken — selbst wenn es Thomas gegenüber stimmte — gälte den apostolischen Vätern gegenüber erst recht, die in ihrer Glaubenshaltung durchaus nicht von der „Vielfalt der Weltanschauungen" um sie beeindruckt oder irritiert waren.

Wohl aber gibt dieses Erstlingswerk für eine kommende Geschichte der Moraltheologie und ihre Besinnung auf ihr ureigenstes Wesen einen in seiner Sachlichkeit und Gründlichkeit kaum überbietbaren Einblick in das Denken jener christlichen Theologen, die als Schüler der Apostel der Offenbarung am nächsten standen.

öq deUeade Canoaes (73i,-§ 2: 1258, §§ 1 und 2; 1325, § 3) — noch einen Gegensatz zur Enzyklika Pius’ XI. „Mortalium ani- mos vom Jahre 1928. Gerade aus diesem Rundschreiben müssen einzelne Stellen fÜT die ökumenischen Bestrebungen der Katholiken heute als ehr zeitgemäß erscheinen. Man denke etwa an die Mahnung: „Es ist absolut unstatthaft, auf dem Gebiet der Dogmen den von den Modemisten eingeführten Unterschied zwischen den sogenannten grundlegenden und nichtgrundlegenden Glaubenswahrheiten zu machen, als müßten die grundlegenden von allen angenommen werden, während die nichtgrundlegenden der freien Zustimmung der Gläubigen überlassen werden könnten. Die übernatürliche Tugend des Glaubens hat doch die Autorität der göttlichen Offenbarung zum inneren Beweggrund, die eine solche Unterscheidung in keiner Weise zuläßt.

Deshalb gilt für alle wahren Anhänger Christi beispielsweise der Glaube an das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria ebenso wie an das Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit; wie es auch gilt, die Menschwerdung unseres Herrn nicht anders zu glauben wie das unfehlbare Lehramt des Papstes, und zwar in dem Sinne, wie es auf ¡dem ökumenischen vatikanischen Konzil festgelegt worden ist Durch die Ausübung des außerordentlichen Lehramtes (wie etwa gelegentlich der Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnähme Mariens in den Himmel) werden keine neuerfundenen Lehren eingeführt; eswirdauchni-chtdemvon Goti der Kirche anvertrauten Gla ibeiisschatze etwas Neues hinfcugefügt, was nicht wenigstens e i n s c h lu ß w e i s e immer darjn enthalten war, sondern es wird nur eine Wahrheit, die bisher noch einigen dunkel erscheinen konnte, eingehender erklärt, oder es wird eine Wahrheit als Glaubenssatz festgestellt, über die bisher bei einigen noch Meinungsverschiedenheiten bestanden.“

Nun hat das Jahr 1952 einen, wie es scheint, verheißungsvollen Fortschritt gebracht. Zu der heuer in Lund stattgefundenen We 11 k i r c h e n k o n f e r e n z n i c h t k a t h o 1 is c h e r Christen waren zum erstenmal von der katholischen Kirche Theologen als „Beobachter" entsandt worden, die von der Leitung der Konferenz respektvoll begrüßt wurden. Zur Vorgeschichte dieses Ereignisses gehört folgendes: die ökumenische Bewegung außerhalb der katholischen Kirche umfaßt ungefähr hundert religipse Gruppen, die den „W e 11 r a t der fcirche“ bilden. In ihm sind auch die Protestanten (Lutheraner, Kalvinisten, Anglikaner) vertreten, ebenso die orthodoxe Kirche. Der Weltrat hat in seiner Erklärung von Toronto (Kanada) im Juli 1950 festgestellt, daß er keineswegs eine „Überkirche" sei, sondern durch Fühlungnahme der Mitglieder in Studien und Diskussionen die Frage der Einheit der Kirche in die Wege leiten wolle,

Seit der ersten Vollversammlung des Weltrates in Amsterdam (1948) hat die aus den wachsenden Problemen entstandene Kommission „Faith and Order" (für Glaube und Verfassung) immer mehr an Bedeutung gewonnen und eben heuer in Lund ihre dritte Konferenz gehalten. Hier wurde die Bezeichnung „Kommission für Glaube und Verfassung“ noch ergänzt durch „Kult . Man kann darin schon einen Hinweis auf die Bedeutung der Liturgie bei dem Weitergang der ökumenischen Bewegung 6ehen. Immer stärker wird in den Beratungen der Übergang von der unsichtbaren, charismatischen Einheit der Kirche zur sichtbaren und historischen Einheit als das Zentralproblem empfunden. Diese Einsicht bedeutet sicher einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte des ökumenismus, sie erleichtert den Blick auf den bisher zu- rüdcgelegten Weg und früher oder später auch das Verständnis für die katholische Lehre vom Wesen der Kirche. Außerdem lassen sich hier zwei Hauptströ- mungen der Bewegung erkennen. Die eine betont die Frage der apostolischen Sukzession und folgerichtig das Episkopalamt, das durch die historische Kontinuität bis auf die Apostel zurückreicht. Diese Richtung wird von der anglikanischen „Hochkirche“ vertreten und von den verschiedenen Gruppen, die den Namen „Episkopalkirchen“ tragen. Diese Tendenz in der Bewegung ist während der letzten Jahre an Ausdehnung und Stärke gewachsen. Die andere, rein „protestantische“ Strömung steht der ursprünglichen reformatorischen Auffassung des 16, Jahrhunderts näher und will in der sozialen Struktur der Kirche nur eine menschliche Institution sehen. Das wesentliche Ziel der ganzen Bewegung geht dahin, im Interesse des Strebens nach Einheit zu einer E rklärung der Kirche (in der Einzahl!) zu kommen. Es kann keine wirkliche Einheit erhofft werden ohne eine Mindestübereinstimmung in der Frage des Wesens der Kirche. So besteht das gegenwärtige Drama des ökumenismus in der Tatsache, daß man noch nicht diese minimale Übereinstimmung finden konnte.

Diese Feststellung will durchaus nicht eine pessimistische Beurteilung der Be-weguug veranlassen. Im Gegenteil, wenn durch das Dilemma die ökumenische Bewegung genötigt wird, das Problem „Kirche" mit aller Klarheit auf- zurollen, wäre es nicht ausgeschlossen, daß gerade dadurch sich ein Ereignis von bedeutender Tragweite in der Religionsgeschichte unserer Zeit vorbereitet, zumal so viel aufrichtiger Glaube und religiöse Gelehrsamkeit in der Bewegung am Werke sind. Jedenfalls liegt hierin für die Katholiken ein Grund mehr, sich für die ökumenische Bewegung stark zu interessieren.

Welche Schlußfolgerungen können sich aus den bisherigen Beobachtungen ergeben? Hier kann der Wortlaut der Begrüßung der katholischen Beobachter in Lund durch den Vorsitzenden der Tagung, den Erzbischof Brillioth von Upsala, aufschlußreich sein: „Wir haben die betrübliche Tatsache zur Kenntnis nehmen müssen, daß die römische Kirche es für unmöglich gehalten hat, eine aktive Rolle in den ökumenischen Unions- bestrebungen zu spielen, obwohl dadurch ein großer Teil der Christenheit ferngeblieben ist. Die Tatsache, daß zum ersten Male offizielle römische Beobachter designiert wurden, beweist, daß die große römische Kirche sich nicht teilnahmslos den Bemühungen zur Herstellung besserer Beziehungen unter den Christen verschiedener Traditionen verhält, und dies trotz aller kirchlichen Hindernisse, die unüber- steigbar zu sein scheinen. Ich habe die große Freude, die vom Apostolischen Vikar von Stockholm eingeführten Beobachter begrüßen zu dürfen."

Das italienische Blatt „Civiltà Cattolica" vom 6. September kommt zu dem Ergebnis: „Man sieht in der Tat, wie sich mit aller Energie der Wunsch nach einer Einheit betätigt, die den konfessionellen Synkretismus ausschließt, ebenso den dogmatischen Relativismus und auch das Kriterium des .Gemeinsamen Nenners’. Und das ist ein nicht zu verachtender Fortschritt auf dem Wege zur Entdeckung der Wahrheit. Wir stellen ihn mit wirklicher Genugtuung fest, auch wenn der Argwohn gegen Rom unter den ökumenisten noch nicht aufhören will. Diese anerkennen noch nicht den Beitrag Roms zur gewünschten Aufklärung. Aber in Wirklichkeit ist Rom für sie schon eine Art dauernder Warnung, sich nicht etwa mit einem abstrakten Idealismus zufrieden zu geben."

In einem Bericht über die Tagung in Lund gibt C. J. Dumont O. P. in dem Blatt „Vers l’Unité Chrétienne" (September 1952) die Stellungnahme jener wieder, die die Probleme von Lund richtig sehen: „Niemand macht sich Illusionen. Der zum Ausdrude gekommene Wille wird sich nicht von heute auf morgen durch positive Ergebnisse erweisen lassen. Es genügt, daß er von einer wachsenden Zahl einflußreicher Personen innerhalb der verschiedenen christlichen Gemeinschaften ernst genommen wird, so daß die ökumenische Bewegung in einen entscheidenden Abschnitt ihrer Entwicklung eingetreten ist,.. Es handelt sich für die getrennten Gemeinschaften um eines: Wiederzufinden und Wiederherzustellen die positiven Elemente der großen Tradition der Kirche, die sie in den Perioden der Krise, die auch die der Trennung gewesen sind, zurückgewiesen oder vernachlässigt haben. Die .Opfer’ und .Verzichte’, von denen man auf der Tagung sagte, daß sie gebracht werden müßten, um Unstimmigkeiten zu beseitigen, können in unseren Augen wohl nur Bereicherungen sein. Deshalb verfolgt der katholische Theologe, ebenso wie sein orthodoxer Bruder, mit einem so großen Interesse das intensive Suchen, das in der ökumenischen Bewegung zum Ausdruck kommt. Nicht zufrieden, allein mit seinem brüderlichen Gebet mitzuhelfen, ist der katholische Theologe bestrebt, seinen Teil dieser schweren Last auf sich zu nehmen, vom Wunsche beseelt, allen Anforderungen eines Ideals zu entsprechen, von dem man sich leider noch so weit entfernt fühlt." (Veröffentlicht von „Centre d’informations Catholiques" Nr. 192 vom 29. September 1952, wo sich auch der Nachweis für unsere Beurteilung der Lage findet.)

Die großen Katholikentage dieses Jahres in Wien und Berlin mit den noch nie dagewesenen Bezeugungen wohl-

wollender Freundschaft zwischen katholischen und evangelischen Christen waren die wirksamste Illustration der Annahme: die Christenheit der Welt ist in ihren besten Vertretern auf dem Wege zur Einheit im Glauben! In der Stimme der Zeit spricht Gott! Der verewigte Bischof Bares von Berlin hatte richtig gesehen, wenn er gelegentlich einer Unterhaltung mit einem protestantischen Professor sagte: „Das Trennende ist Menschenwerk, die Einigkeit kommt von Gott!" In der Feier der heiligen Eucharistie mit der sakramentalen Teilhabe an Christi Opfer ist die Einheit der Kirche gegründet, deren urdiristliches Symbol Maria ist. Wir kommen dem Ziele der Einheit auch dadurch näher, daß die Bibel wieder das Lebensbuch der katholischen Christen wird.

Zeitgemäßer denn je-klingt heute wieder die Schlußmahnung der eingangs erwähnten Instractio des Heiligen Offi-

ziums: „Das hochbedeutsame Werk der .Wiedervereinigung’ aller Christen in dem einen wahren Glauben und in der einen wahren Kirche muß mehr und mehr eine der vorzüglichsten Aufgaben der gesamten Seelsorge werden und ein Hauptanliegen des inständigen Gebets aller Gläubigen zu Gott. Dazu wird gewiß viel beitragen, wenn die Gläubigen in geeigneter Weise, wie etwa durch Hirtenbriefe, über diese Frage belehrt und die Bestrebungen und die diesbezüglichen Vorschriften sowie deren Gründe und Voraussetzungen ihnen dargelegt werden. Alle, besonders die Priester und Ordensleute, mögen ermahnt und angeeifert werden, diese Bestrebungen durch Gebet und Opfer zu befruchten und zu fördern. Ebenso müssen alle darauf hingewiesen werden, daß nichts den Irrenden so wirksam den Weg zur Wahrheit und zum Anschluß an die Kirche ebnet wie der Glaube der Katholiken, der sich durch ein sittlich hochstehendes Leben bewährt.“

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