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„Athanasius heute“

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In seiner aufrüttelnden, Gedenk-schrift zum 1600. Todestag des großen Heiligen und Kämpfers gegen den Arianismus läßt Bischof Dr. Rudolf Graber am Anfang der Schrift auch den bei der Belagerung von Breslau verschollenen Dichter Cosmus Flam (Dr. Jos. Pietsch) mit seinem prophetischen Roman „Athanasius kommt in die Großstadt oder die Tiergrube“ zu Wort kommen.

Cosmus Flam läßt Athanasius sagen: „In dieser Stadt lebt ein kleines Häuflein Menschen, die von Christus etwas gehört haben, und sich Christianer nennen ... Ihr wollt Kinder des Lichts sein, aber ihr möchtet die Kindschaft der Welt nicht gern aufgeben. Ihr solltet an die Buße glauben, aber ihr glaubt an das Glück der neuen Zeit. Ihr solltet von Gnade sprechen, aber ihr sprecht lieber vom menschlichen Fortschritt. Ihr solltet von Gott verkünden, aber ihr predigt lieber den Menschen und die Menschheit. Ihr heißt euch nach Christus, aber ihr solltet euch lieber nach Pilatus nennen ... Ihr seid der große Verderb. Denn ihr sitzt in der Mitte. In der Mitte wollt ihr sitzen zwischen Licht und Welt. Ihr seid Meister im Kompromiß und geht mit der Welt mit. Ich sage euch: geht lieber in die Welt fort und verlaßt den Meister, dessen Reich nicht von dieser Welt ist.“

Diese Worte passen genau auf die heutige Zeit und viele Christen. Bischof Dr. Graber bringt in seiner Schrift eine große Summe an Material, so u. a. den Hinweis, daß die Schlagworte der großen französischen Revolution erst jetzt in das

Bewußtsein der Kirche dringen und ihre unheilvolle Last ausstreuen. Liberte (Freiheit von allem, insbe-sonders vom Dogma), Egalite (Gleichheit für alle, Demokratisierung, damit verbunden Abwertung des Prie-stertums, endloses Palaver), Frater-nite (Brüderlichkeit — alle sind Christen gleichen Werts, damit verbunden Verniedlichung der Sünde, falscher Ökumenismus — das Gift für die Kirche). Aus Raummangel kann nur das Wenige hier angeführt werden, nur die Schlußworte müssen als bedeutungsvoll noch gebracht werden:

Athanasius: „Aus all diesen Gründen bitte ich euch ... die Gottlosen zu verurteilen, damit das Volk euren rechten Glauben und eure entschiedene Ablehnung sieht.“

Görres: „Darum wirke man, wenns noch am Tage ist, in der Nacht kann niemand wirken. Zuwarten ist auch nichts... das hat seither nur die Lage der Dinge in einem rasch zunehmenden Verhältnis zu verschlimmern gedient.“

Die Schrift verdient die weiteste Verbreitung, damit endlich eine Aufrüttelung der Schlafenden kommt und die Folgerungen gezogen werden, um am Kampf für Gott teilnehmen zu dürfen, für viele vielleicht die letzte Möglichkeit — um mit Donoso Cortes zu reden —, sich selbst zu retten.

Zu den Worten von Cosmus Flam und den Zitaten von Athanasius und Görres gehört ein wahrheitsgetreues Bild kirchlichen Lebens aus unserer Zeit. Vorausgeschickt werden muß, daß die Krise der Kirche zuerst eine Krise der Priester ist. Diese Erkenntnis ist da, denn sonst wären die Bemühungen verschiedener nationaler Bischofskonferenzen um gute zentrale Priesterbildungsanstalten nicht zu verstehen. Daß sie notwendig sind, beweist das folgende Bild aus einer westdeutschen Großstadt und ihrem Umkreis. Da ist der erste Pfarrer, der ganz offen erklärt, er könne nicht an die Auferstehung glauben... und er fühle sich bei den Protestanten wohler. Der zweite schreibt in einem seiner Pfarrbriefe, die Dogmen wären zu sehr verabsolutiert worden. Der dritte antwortet auf die Frage nach dem Verständnis der Transsub-stantiation, er sei doch kein Zauberer. Und so fort. Bei Gelegenheit einer großen Wallfahrt wurde von einer bekannten Priestergruppe eine „Gegenkundgebung“ in Form einer Meßfeier in ziviler Kleidung und nach Art der verbotenen Motivmessen inszeniert. In all diesen Fällen — und vielen anderen — ist niemals etwas gehört worden von einer offiziellen Zurechtweisung und Verurteilung. Die genannten Priester sind alle im Amt und verbreiten weiter ihren eigenen Katholizismus, jeder ist sich selbst Papst und oberster Lehrer. Das gläubige Volk, das — ein wahres Wunder Gottes — trotzdem noch treu am Glauben festhält, wird immer mehr verunsichert und dazu macht sich eine Gewöhnung an diese Zustände breit, die dann in Gleichgültigkeit — die machen ja doch, was sie wollen, keiner hindert sie — übergeht und der erste Schritt zum Massenabfall ist. Hier aber erhebt sich die Frage: Erfüllen die Bischöfe ihre Pflicht? Durch Schweigen und Vertuschen wird nichts besser, klare Verhältnisse sind notwendig.

Um die aber schaffen zu können, müssen die Bischöfe unter sich selbst erst mal Ordnung schaffen, denn wenn die Krise der Kirche eine der Priester ist, dann ist sie auch eine der Bischöfe. Auch hier läßt sich wie bei den Priestern eine lange Liste von Fehlentscheidungen, falschen Äußerungen, unverständlichem

Nicht-Handeln aufstellen, die beliebig erweitert werden könnte. Da ist zuerst an der Spitze nicht nur ein „Exzellenter“ sondern ein noch mehr „Hervorragender“, dessen verheerende Äußerungen bei der 1. Bischofssynode noch nicht vergessen sind, dem die Schuld an der Einführung der Handkommunion in der BRD angelastet werden kann, als überhaupt — sowieso nicht — noch keine Notwendigkeit dafür bestand. Der „Una voce“ und „Bew. f. Papst und Kirche“ ablehnt. Ist der nun ein Modernist oder verdient er weiter überhaupt noch Vertrauen? Da ist der zweite, in dessen Bereich das berüchtigte Meßfestival in ... heim stattfand. Der hat mit dem Schuldigen „ein Gespräch gepflogen“ und dabei nach seiner Mitteilung an den betreffenden Pfarrgemeinderat sich mit der Feststellung dieses Regionalvikars begnügt, daß er die Eucharistie nach christlichem Verständnis bejahe. Mit Recht hat der Pfarrgemeinderat eine Festlegung auf die tridentinische Formel verlangt. Nichts ist geschehen. In der gleichen Diözese hat das Sonntagsblatt — ob auf Veranlassung oder Duldung des Bischofs, was aufs gleiche hinauskommt — jede Woche einen Abschnitt aus dem halbhäretischen holländischen Katechismus abgedruckt. Da ist weiter jener, in dessem Bereich der Schweizer Theologe sein Unwesen treibt, der von vier Bischofskonferenzen abgelehnt ist. Zugegeben: die Entziehung der Lehrerlaubnis ist eine schwerwiegende Sache, noch schwerer wiegt aber der eventuelle Verlust des Glaubens vieler junger Theologen durch einen solchen Lehrer. Da ist der vierte, der im Fernsehen das Modeschlagwort von der „ecclesia semper reforman-da“ gebraucht und als richtig ansieht. Wir wissen ja unterdessen, was wir von der ewigen Reformiererei zu halten haben — nichts Gutes bleibt mehr übrig! Der Beispiele sind noch viele, die kleine Auslese mag genügen, obwohl man noch über allzu heftige Vertreter des falsch gesehenen Ökumenismus, Empfehlungen für nichtchristliche Parteien usw. sprechen könnte. Das alles ist aufs Tiefste zu bedauern, muß aber endlich einmal aufhören, wir müssen wieder Apostel haben, die einem Athanasius gleichen.

Drei Gründe sind es, die eine Wandlung bisher verhindert haben. Da ist zuerst das Fassadendenken, die Angst, daß man ein Bild zerstört, das künstlich aufrecht erhalten wird, obwohl es nicht mehr stimmt. Hinter der äußerlich glänzenden Fassade der Kirche verbirgt sich eine beinahe chaotische Uneinheit und Praktiken satanischen Ursprungs (Paul VI.). — Da ist zum zweiten die falsche, ja unchristliche Liebe des Klerus untereinander. Alles mit dem Mantel der Liebe zudecken und auf den Herrn hoffen, ist gegen biblische Aussagen. Hingewiesen sei nur auf die Worte: „Wer euch hört, hört mich“, „Wer die Kirche nicht hört, sei dir wie ein Heide“ usw., ferner die scharfen Worte am Schluß des 2. Joh.-Briefes, wo es heißt „Nehmt sie nicht in eure Häuser auf und habt keine Gemeinschaft mit ihnen“. — Da ist zum dritten der Mangel an Autorität oder ihre Nichtanwendung. Sie ist aber notwendig und ist uns und der Kirche als Aufgabe und Auftrag gegeben, wie Guardini in einem seiner Werke scharfsinnig nachgewiesen hat. Sie muß strikt und streng angewandt werden, denn keine Gemeinschaft von Menschen — und das ist die Kirche auch — kann ohne sie bestehen.

Eine weitere Merkwürdigkeit der heutigen Zeit ist, daß die Entscheidung früherer Konzilien über die Glaubenslehre vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein scheinen. Und doch gelten sie heute noch und sind für das Leben der Kirche, wenn sie ein Hort der Wahrheit und eine Fackel des Lichts sein will, entscheidend wichtig. Aus der Fülle seien nur zwei angeführt, die für uns heute bedeutsam sind.

Da hat das Tridentinum in der 2. Sess. Kap. I, Kan. 1 und 2 über die hl. Messe gehandelt und jeden mit Exkommunikation und Interdikt bedroht, der behaupte, die Messe wäre nur ein Mahl. Da ist formuliert, daß sie „ein wahres und eigentliches Opfer“ sei. All denen, die heute so viel vom Abendmahl reden, ist nicht klar, daß sie Auffassungen der protestantischen Reformatoren nachsprechen. Hier ist für alle Prediger der Anknüpfungspunkt, um alle modernistischen, falschen ökumenischen Gedanken über die Eucharistie zurückzuweisen, die wie in Holland zum Beispiel schon bis zur Interkom-munion gehen. All das ist mit katholischer Lehre nicht vereinbar, zeigt nur den schiefen Weg an, der schon gegangen wird und sich in Holland so weit auswirkt, daß unser Herr im Sakrament in manchen Kirchen überhaupt nicht mehr anzutreffen ist.

Die zweite Entscheidung eines Konzils, die für uns heute hochbedeutsam ist, steht im I. Vatikanum, 4. Sess. III. Kap. Sie sei ihrer Bedeutung wegen im Wortlaut zitiert:

„Wenn daher jemand sagt, der römische Pontifex habe nur das Amt eines Aufsehers und Lenkers, nicht aber die volle und höchste Jurisdiktionsgewalt über die gesamte Kirche, und zwar nicht nur in Glaubens- und Sittensachen, sondern auch in Dingen der Zucht und Leitung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche, oder er habe nur einen Hauptanteil, nicht aber die gesamte Fülle dieser höchsten Vollmacht, sowohl gegenüber allen Kirchen ausnahmslos wie gegenüber allen Hirten und Gläubigen ausnahmslos: der sei im Bann.“

Das müßte heutzutage in allen Kirchen wieder offen angeschlagen werden, denn es gilt heute immer noch, auch das II. Vat. hat nicht daran gerüttelt. Die Väter des I. Vat. müssen direkt eine Eingebung des Heiligen Geistes und ein Voraussehen gehabt haben, um uns Wirrköpfen von heute hier klar, den Marsch zu blasen. Mit dieser Formulierung ist es aus damit, den Papst zu einem Vereinsvorsitzenden auf Zeit zu machen, ebenso ist es aus mit der falschen Kollegialität, die sowieso nur ein Wiederaufleben der konzilia-ren Theorie ist, die im 15. Jahrhundert im 5. Lateranum nach vorhergegangenen mehrfachen Irrungen endgültig zu Grabe getragen wurde. Mit dieser Formulierung ist es aber auch aus mit allem Nationalismus und Einzelkirchentum, die beide sowieso nur ihren Grund im Machtstreben einzelner Hierarchen haben.

Man versteife sich ferner nicht auf die Langmut Gottes und auf das Her-renwort von seinem Bei-uns-Bleiben bis zum Ende. Schon Newman hat in einer bedeutsamen Predigt darauf hingewiesen, daß wir nicht auf dieses Wort hin sündigen dürfen. „Denn, so sagt er, das stimmt zwar, wie aber wenn wir selbst den Herrn aus der Kirche herausdrängen. Dann ist das das Ende der Kirche, aber auch das Ende der Zeit.“ Nach allen Erfahrungen der Zeit sieht es ganz danach aus: Maria, die Gottesmutter, haben wir ja schon in die Wüste getrieben und unser Herr wird in manchen Kirchen immer seltener oder man findet ihn überhaupt nicht mehr. Eine Parallele hierzu: Jeder, auch der dümmste Mathematiker oder Statistiker kann sich heute schon ausrechnen, und zwar an Hand der Schematismen der einzelnen Diözesen, daß sie in gut einem Menschenalter von Priestern ausgeblutet sein werden — wenn nicht eine grundlegende Wende eintritt. Man nehme die Dinge nicht zu leicht und versündige sich nicht an der Geduld Gottes, sie hat auch mal ein Ende, wie uns die Offenbarung beweist. Und wenn man sich dazu rund herum in der Welt umsieht, sind alle Voraussetzungen für ein Ende — zum mindesten Europas — gegeben.

Der Ruf der Christen der ersten drei Jahrhunderte: Maran atha — Komm Herr — ist heute aktueller denn je.

ATHANASIUS UND DIE KIRCHE UNSERER ZEIT. Von Bischof Doktor Rudolf Graber. Verlag Josef Kral, Abensberg. 82 Seiten.

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