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Botschaft in die Kerker der Ostkirchen

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Die Enzyklika „Orientales «cclesias des Heiligen Vaters vom 15. Dezember 1952, deren deutscher Text nunmehr im Wortlaut vorliegt, erinnert eingangs an das aufrichtige Interesse des Heiligen Vaters für das Schicksal der Ostkirchen, das sich in der Radiobotschaft vom 3. März 1939, in der Enzyklika „Summi Ponti-ficatus“, in der Verleihung des Purpurs an den Patriarchen der Armenier von Cilicien, in der Kodifizierung der die Ostkirchen betreffenden kirchlichen Gesetze, in der Einsetzung einer eigenen Kongregation und eines Institutes für orientalische Studien ausgedrückt habe, und wendet sich dann mit Sorge der bedrückenden gegenwärtigen Lage der Ostkirchen zu:

„Augenblicklich bereiten nun leider andere Dinge Uns stets wachsende Sorgen. Hat sich doch in vielen Ländern, vorzüglich des orientalischen Ritus, ein neuer Sturm entfesselt, der blühende christliche Gemeinschaften zu verwirren, zu verderben, ja völlig zu vernichten droht. Während in vergangenen Jahrhunderten man nur einzelne Dogmen der katholischen Religion angriff, geht man.jetzt, wie ihr wißt, viel brutaler vor. Man sucht an den Universitäten, in den Schulen, in der Oeffentlichkeit, in den Familien wie im Leben des gläubigen Volkes alles auszumerzen, was göttlich ist oder mit Gott in Beziehung steht, als ob alles nur Märchen und Betrug sei; heilige Rechte, Einrichtungen und Gesetze werden mit Füßen getreten ...

Wir wissen, daß heute sehr viele Christen der Ostkirche bitterlich weinen, wenn sie ansehen müssen, wie ihre Bischöfe getötet, deportiert werden oder wenigstens es ihnen unmöglich gemacht wird, frei zu ihren Gläubigen zu sprechen oder ihre Amtsgewalt auszuüben, wie es ihre Pflicht wäre; wenn sie wahrnehmen müssen, wie nicht wenige ihrer Gotteshäuser zu profanen Zwek-ken bestimmt werden oder dem völligen Verfall anheimgegeben sind; wenn sie daran denken, daß von jenen Gebetsstätten aus nicht mehr die Stimme der Beter zum Himmel emporsteigen darf in den wunderbaren Melodien eurer Liturgie, um den Tau der göttlichen Gnaden herabzuflehen, auf daß Herz und Sinn sich erheben und Trost und Kraft finden in dem übergroßen Leid und Wehe. Wir wissen, daß viele eurer Landsleute in Gefängnisse und Konzentrationslager deportiert worden sind, oder, auch wenn sie noch in ihren Häusern weilen, doch nicht jene heiligen Rechte ausüben dürfen, die ihnen zustehen. So namentlich das Recht, ihren Glauben nicht nur im innersten Heiligtum ihres Gewissens zu bewahren, sondern auch in der Oeffentlichkeit zu lehren, zu verteidigen und zu verbreiten im Kreise ihrer Familie für eine angemessene Erziehung der Kinder oder in der Schule für eine gute Heranbildung der Jugend...

Unter diesen überaus schmerzlichen Nachrichten, die an Uns gelangen, ist es vor allem eine, die Uns in der letzten Zeit auf das aller-schmerzlichste getroffen hat, und nicht nur Uns, nicht nur alle Christen, sondern auch alle, die noch etwas auf die Würde und Freiheit des Menschen geben. Wir meinen jenes Vorkommnis in Bulgarien, wo eine kleine, aber blühende katholische Gemeinschaft bestand und wo ein furchtbarer

Sturm schmerzlichen Verlust angerichtet hat Entsprechend dem gewöhnlichen Anklagesystem wurden die Diener der Kirche verschiedener Staatsverbrechen angeklagt. Unter ihnen würde Unser ehrwürdiger Bruder Eugenius Bossilkoff, Bischof von Niko-polis, mit drei anderen priesterlichen Mitarbeitern zum Tode verurteilt. Nicht wenige andere schmachten in Gefängnissen oder wurden in Konzentrationslager gebracht. Mit ihnen wurde eine größere Anzahl Katholiken in verschiedenster Art bestraft und so derselben Kfone und Ehre teilhaftig. Im Gewissen fühlen Wir Uns verpflichtet, dagegen Protest zu erheben und dieses schreiende Unrecht der ganzen Christenheit kundzutun.

Das, was namentlich in der letzten Zeit in Bulgarien sich ereignet hat, geschieht leider seit einiger Zeit schon in anderen Ländern, wo die Ostkirche blüht, so in Rumänien, in der Ukraine und anderswo.

Was R u man i e n betrifft, so haben Wir durch ein apostolisches Schreiben im März dieses Jahres (vgl. A. A. S., Jahrg. XXXXIV, Ser. II, Vol. XIX, S. 249 ff.) schon entschieden Vorstellungen erhoben gegen jene ungerechten Bedrückungen, unter denen die Gläubigen eures, wie die des lateinischen Ritus leiden. Wir haben sie ermuntert, mit unbesieglicher Standhaftigkeit der Religion ihrer Väter treu zu bleiben.

Nun möchten Wir noch voll tiefen Schmerzes die Aufmerksamkeit auf ein anderes Uns überaus teures Land lenken, auf die Ukraine, wo nicht wenige Gläubige mit heißem Verlangen und grenzenloser Liebe ihre Blicke nach Rom richten und den Apostolischen Stuhl als das Zentrum der katholischen Religion und unfehlbaren Lehrer der Wahrheit gemäß Christi Auftrag verehren (vgl. Matth. 16, 19—19; Joh. 11, 15—17; Luk. 22, 32). Zu Unserem größten Schmerz haben Wir erfahren, daß diese schon seit längerer Zeit nicht geringen Verfolgungen ausgesetzt sind und sich in einer nicht weniger unglücklichen Lage befinden als die anderen oben erwähnten Länder. Ja, wie Uns berichtet wird, waren sie die ersten, die Leiden, Verluste und Ungerechtigkeiten zu erdulden hatten, weil sie für ihre Religion eintraten. In besonderer Weise erinnern Wir an die Bischöfe, die mit als erste die Freiheit der Kirche verteidigten, die nach der Stadt Kiew gebracht wurden, wo sie angeklagt und zu verschiedenen Strafen verurteilt worden sind; nach Kiew, sagten Wir, das einmal Ausstrahlungszentrum christlichen Glaubens in all jenen LändeYn war. Einige von ihnen gingen bereits in einen glorreichen Tod, und werden so, wie Wir hoffen dürfen, vom Orte ewiger Seligkeit ihren Blick in inniger Liebe ihren Söhnen und Kampfgefährten zuwenden und Gott um Seinen Schutz für sie bitten.

Wir können sodann nicht jene Gläubigen des lateinischen und orientalischen Ritus übergehen, die, nachdem ihnen Heimat und Hof entrissen und sie selbst in fernes, unbekanntes Land deportiert wurden, dort nun ohne ihre rechtmäßigen Seelsorger leben, die . sie trösten, ihnen helfen, sie leiten und ihnen die übernatürlichen Stärkungen der Religion bringen könnten ...

Dennoch schenken Uns, ehrwürdige Brü der, inmitten so vieler und so großer Leiden, die Uns wie euch schmerzlich berühren, gewisse Nachrichten zugleich einen Trost. Es ist Uns nämlich bekannt, daß jene, die unter so beklagenswerten und schwierigen Bedingungen leben, fest im Glauben bleiben, und zwar mit solch unerschütterlicher Standhaftigkeit, daß sie Unsere wie aller Rechtschaffenen Bewunderung verdienen. Ihnen allen gilt daher Unser väterliches Lob, das ihre Standhaftigkeit erhöhen und sie immer mehr stärken möge. Sie dürfen fest überzeugt sein, daß Wir, als der Vater aller, der die .Sorge um alle Gemeinden' (2. Kor. 11, 28) trägt und den ,... die Liebe zu Christus drängt' (ebd. 5, 14), täglich flehende Bitten zu Gott erheben, auf daß das Reich Christi überall siegreich sei, das Reich, das den einzelnen Völkern wie Nationen den Frieden bringt...

Fern sei daher von euch, ehrwürdige Brüder, alle Mutlosigkeit. Wie schon eure Ahnen so viele Schwierigkeiten, Tücken und Gefahren überwunden haben, indem sie heroischen Mutes bis zum Märtyrertod gekämpft, so fürchtet auch ihr euch nicht, ihr, die ihr der Ostkirche angehört, und mit euch die Gläubigen des lateinischen Ritus. Die göttliche Gnadenhilfe ist mit euch. Höret jedoch zugleich nicht auf, den Herrn und Seine liebreiche Mutter zu bitten, vor allem für die, die heute sich in besonderer Gefahr befinden», es möge ihnen christlicher Starkmut gegeben sein. Betet ferner, auf daß endlich alle begreifen, was übrigens klar ist wie das Licht der Sonne, daß nämlich ,die Waffen, mit denen wir kämpfen, nicht weltlicher Art, doch mächtig sind vor Gott' (2. Kor. 10, 4), und daß die Kirche nicht nach weltlicher Macht trachtet, sondern das ewige Heil der Seelen sucht, nicht im dunkeln gegen die Regierungen intrigiert, sondern — indem sie die Heilswahrheiten verkündet, die imstande sind, beste Staatsbürger zu formen — die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft festigt und stärkt Wenn sie daher sich der Freiheit wird erfreuen können, die ihr von Gott verliehen worden ist, und ihre Kräfte öffentlich entfalten und in aller Oeffentlichkeit mitten im Volk wird arbeiten können, so wird sie zweifelsohne viel zum Gemeinwohl beitragen, verschiedene Klassen der Staatsbürger einander in Gerechtigkeit Und Eintracht näherbringen und alle Völker zu jenen wahren Frieden führen helfen, der — wi» von allen ersehnt — im Wollen eines jede gegenwärtig sein muß.

Um dies alles zu erreichen, Ist Unser Wunsch, daß ihr, ehrwürdige Brüder, das Abhalten öffentlicher Gebete veranlaßt und die euch anvertrauten Gläubigen ermahnt, mit den Gebeten Sühneopfer zu vereinigen. Ganz besonders wünschen Wir, daß die Priester, die jeden Tag das heilige Meßopfer darbringen können, jener Bischöfe und Priester gedenken, die — weit entfernt von ihren Kirchen und Gläubigen — nicht die Möglichkeit haben, das eucha-ristische Opfer zu feiern... Wenn im nächsten Monat Januar vielerorts die übliche Oktav für die Einheit der Kirche gefeiert wird, halten Wir es für angebracht, daß besonders bei dieser Gelegenheit innig zu Gott gebetet wird, nicht nur, damit bald Wirklichkeit werde, was des Erlösers Wunsch ist: ,Vater, bewahre sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast, auf daß sie eins seien, so wie Wir' (Joh. 17, 11), sondern auch, daß die Kerker sich öffnen und die Ketten sich lösen, die heute so viele in Elend tragen, die sich nichts anderes haben zuschulden kommen lassen, als daß sie versucht haben, tapfer für die Rechte des Glauheni und die religiösen Einrichtungen einzustehen; und daß endlich die christliche Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Eintracht und der Friede, die für alle die höchsten Güter sind, überall ihren Sieg feiern.

Als Unterpfand dessen und als Zeichen Unseres väterlichen Wohlwollens, erteilen Wir euch, ehrwürdige Brüder, den eurer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen und ganz besonders allen, die sich in so schwieriger Lage befinden, von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.

Gegeben in Rom bei St. Peter, den 15. Dezember 1952, im vierzehnten Jahre Unseres Pontiflkar.es.“

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