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Wer Kirche erlebt, soll freier atmen
Rund 75 Priestervertreter aus 22 europäischen Staaten waren vom 11. bis 15. April in Salzburg versammelt, um gemeinsam mit zehn Bischöfen Erfahrungen über Leben und Arbeit auszutauschen und nach neuen Wegen der Kirche in Europa zu suchen. Besonders bedeutsam war die Mitarbeit von Delegierten aus fünf Ostblockstaaten.
Als erster Experte referierte der Passauer Pastoraltheologe Paul M. Zulehner. Kirche, so führte er aus, gibt es wegen der Auferstehung. Deshalb müsse sie Gottes Auferweckungshandeln in
Geschichte und Gesellschaft sichtbar machen und vorantreiben, müsse verdichteten Erfahrungsraum für die gottgewirkten Übergänge des Menschen aus den vielen Toden zum Leben bilden.
Beim Plural „Tode“ ginge es sowohl um den einen großen, bedrohlichen, ewigen Tod wie auch um die vielen kleinen Tode, d. h. um Todeserfahrungen, die Menschen schon zu Lebzeiten machen. Wer immer mit der Kirche in Berührung kommt, müsse aufatmen, das Haupt erheben, Hoffnung schöpfen und neues Leben empfangen können. Diese Grundaufgabe der Kirche könne unter den gegebenen Bedingungen nur in enger Zusammenarbeit von Priestern und engagierten Laienchristen erfüllt werden.
Aus einer Kirche für das Volk muß nach Zulehner immer mehr eine Kirche des Volkes werden, wofür es nicht in erster Linie /
mehr, sondern andere Priester aus anderen Gemeinden brauchte.
Der englische Jesuitenpater Prof. John Mahoney befaßte sich mit den Hauptmerkmalen prie- sterlichen Lebens, die sich historisch in Form der evangelischen Räte von Armut, Zölibat und Gehorsam entwickelt haben. Spannungen im Leben des Priesters sollten nicht als etwas Böses angesehen, sondern kreativ genützt werden.
Uber die pastorale Verantwortung des Priesters referierte der französische Dominikanerpater Prof. Hervė M. Legrand. Die verbreitete Priesterkrise dürfe nicht vorschnell mit einem moralischen oder spirituellen Defizit oder einer dogmatischen Unsicherheit erklärt werden. Legrand widersprach der These, die Kirche Europas sei überaltert und nicht mehr fähig, ihre Probleme zu lösen, die Zukunft läge in der Dritten Welt: Die bei uns in Europa anstehenden Schwierigkeiten könnten nur hier und durch uns gelöst werden.
Acht Sprachgruppen waren bemüht, die Gedankenfülle der Vorträge aufzuarbeiten. Eines war bald klar: Bei aller Gemeinsamkeit vieler Probleme bringen fundamentale gesellschaftliche Unterschiede in verschiedenen Staaten sehr verschiedene Situationseinschätzungen und Zielvorstellungen mit sich. So ist etwa der Stil eines „Pastoralfaschismus“, wie ihn Prof. Zulehner nannte, längst überall durch ein behutsames Werben um die Menschen abgelöst worden.
Während aber manche Delegierte z. B. für eine freie Mitwir-
kung des Gottesvolkes bei Bischofsbestellungen — etwa nach dem Muster deutschsprachiger Schweizer Diözesen — plädierten, wies ein Vertreter aus dem Osten gerade die Abhängigkeit des Bischofs vom Papst und jene der Priester vom Bischof als notwendige Garantie kirchlicher Freiheit aus.
Heißes Eisen Zölibat
Der Zölibat ist immer ein Thema solcher Treffen. Einige klagten über den autoritären Stil der kirchlichen Obrigkeit etwa durch Verweigerung von Laisierungen. Daneben wurde die positive Seite des Zölibats, der größere Freiheit und Verfügbarkeit mit sich bringt, herausgestrichen. Auch erhob sich die Frage nach neuen Formen des Amtes, etwa nach der Weihe bewährter, verheirateter Männer und der Priesterweihe für Frauen. Der Wunsch dazu müsse, so wurde betont, erst noch viel stärker aus lebendigen Christengemeinden kommen.
Wie im neuen Kirchenrecht schon angebahnt, müßten viele Fragen einer lokalkirchlichen, partizipativen Lösung zugeführt werden, hieß es. Entscheidungen für die Kirche im ganzen würden immer schwieriger, ja auch immer unpassender. Die Tagung in Salzburg war bei aller Verschiedenheit von Standpunkten vom Geiste der Achtung vor der Situation und dem Selbstverständnis des anderen gekennzeichnet.
Der Verfasser, Dechant und Pfarrer in Wien, ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Priesterräte.
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