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Umstrittener Diakonat

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Obwohl einer der kürzesten Abschnitte des Kirchenschemas, scheint er einer der umstrittensten zu sein: der Abschnitt über die unterste Weihestufe, den Diakonat. Seit Jahrhunderten kennt man im Abendland den Diakonat nur noch als Vorstufe zum Priestertum und nicht mehr als das, was er ursprünglich war, eine dauernde Lebensform. Deshalb steht er heute auch unter dem Zölibat. Nun aber soll es, wo Bischöfe aus seelsorglichen Erwägungen es für nötig befinden, erlaubt werden, Diakone zu weihen, die lebenslang in diesem Ordo bleiben und denen — nach Gutdünken der Hierarchie — auch die Ehe gestattet werden soll.

Dieser Abschnitt bringt somit eigentlich nichts Neues, nichts, was nicht schon die Urkirche gekannt und praktiziert hätte. Er bedeutet jedoch gleichzeitig einen Angriff auf hergebrachte Ordnungen, die man seit Jahrhunderten für unveränderlich hielt, die jedoch nach Ansicht vieler Bischöfe seelsorglichen Erfordernissen der Gegenwart nicht mehr voll entsprechen und daher nach ihrem Ermessen beibehalten oder geändert werden sollten. Er bedeutet weiter, daß solche Entscheidungen nicht notwendig einheitlich für die ganze Kirche ausfallen müssen, also einen wachsenden Pluralismus im Leben der Kirche. So ist dieser Abschnitt des Schemas trotz seiner Kürze ein Zeugnis der Offenheit der Kirche für neue Lebensformen und für neue pastorale Bedürfnisse unserer Zeit.

Viele Gründe für die Wiedereinführung

„In meiner Diözese besteht ein bedenklicher Priestermangel, und doch haben wir 300 Priester zuviel“, orakelte ein französischer Monsignore und gab damit zu verstehen, daß die vorhqndapen Prje-, ster oft weniger „sacerdotal“‘ als eben „diakonal“ begabt seien. Der Erzbischof von Nanking erklärte im Namen von 40 ostasiatischen Bischöfen, es sprächen zahlreiche Gründe für die Wiedereinführung des bleibenden Diakonats: die Bedürfnisse der Missionsländer, die Zunahme der Weltbevölkerung, die rascher ist als die der Christen, die Schwierigkeit der Heranbildung der Priester in den Verfolgungsländern; die Diakone wären eine Brücke zwischen der Hierarchie und dem Volk, da sie zur Hierarchie gehören, aber im Volk leben würden; die Heranbildung der Diakone ist leichter als die der Priester, zumal sie ohne die lateinische „Fachsprache“ geschehen könnte.

„Kirchenversammlungen sind nicht dazu da, zur bestehenden Ordnung ,Amen’ zu sagen“, erklärte dieser Tage Erzbischof Seper von Zagreb, „sondern um für neue Situationen neue Lösungen zu finden.“ Er forderte gleichzeitig die Konzilsväter auf, die heutige und künftige Stellung der Kirche in der Welt realistisch zu betrachten, ehe sie zur Restauration des Diakonats eine kritische Äußerung abgäben: in 50 Jahren werde voraussichtlich nur ein

Zehntel der Menschheit der katholischen Kirche angehören, und selbst für diesen verschwindenden Bruchteil würde der Priesternachwuchs immer spärlicher werden.

„Zweidimensional“ gesehen

Es wurde in diesen Tagen viel vom erweiterten Einsatz der Laien gesprochen. Manche der Väter aber, an ihrer Spitze Kardinal Suenens, gingen bei der Erwägung der pasto-

ralen Nöte „zweidimensional1 vor: nach der horizontalen Bestandsaufnahme der Not der Weltkirche gingen sie vertikal historisch untersuchend vor, um zu prüfen, welche bisher ungenützte Lösungen sich aus der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche anböten. Aus dieser Perspektive erklärte Kardinal Suenens, es sei nicht gerechtfertigt, Laien mit Diakonatsaufgaben zu betrauen, denen als Laien mehr als genug zu tun bliebe, wenn die Apostelgeschichte doch ausdrücklich (Apg. 6 ff) von der Einsetzung von Diakonen spricht, die sakramental ausgezeichnet sind und so als Repräsentanten der Hierarchie wirken könnten.

Der Diakonat gehöre wesentlich zur Verfassung der Kirche, zur Fülle der Gnadengaben und Charismen, die ihr Christus gegeben habe und von der nichts verleugnet werden dürfe. So geht es beim Diakonat auch nicht nur um eine organisatorische Frage der Arbeitsteilung, sondern um eine Gnadengabe für die in diesen ständigen Dienst Gerufenen und für die Gemeinde, die ein Recht auf die von Christus zugedachten Gaben in ihrer Fülle habe.

Nicht nur eine Vorbereitungsstufe

So kennt die Kirchengeschichte tatsächlich bis zum 19. Jahrhundert den Diakonat nicht als bloße Vorbereitungsstufe für das Priestertum, sondern als ein Amt mit umschriebenem Aufgabenbereich, hauptsächlich karitativer und administrativer Art, von den liturgischen Hilfsfunktionen des Messedienens abgesehen. Dem Diakon war es dabei möglich, selbst Bischof zu werden, und bis Pius IX. gab es sogar Kardinals- diakone, die nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich der untersten Weihestufe angehörten.

Die Ostkirche kennt übrigens noch heute den Diakonat, allerdings mit ausschließlich liturgischen Aufgaben. Die von der katholischen Liturgie vorgesehene Funktion des Diakons für jede gesungene Messe wird hingegen heute meist von Priestern oder Ministranten, bestenfalls von wirklichen Diakonen, die aber Priesterkandidaten sind, erfüllt. In Deutschland werden angesichts des großen Priestermangels seit einiger Zeit Theologiestudenten des 3. und

4. Studienjahres verpflichtet, als Diakone über das Liturgische hinaus praktische Diakonatsaufgaben zu übernehmen. So befürworteten neben Suenens vor allem auch Kardinal Döpfner und Bischof Richaud die mindestens regionale Wiedereinführung des dauernden Weihediakonats, zu dessen Heranbildung keine neuen Institutionen benötigt würden. Praktisch seien schon viele Männer hiefür ausgebildet und hätten sich bewährt, so daß man ihnen die sakramentale Weihegnade nicht vorenthalten sollte.

Archäologie?

Dieses Amt sei vor allem neben den Missions- für die Diasporagebiete, für die Großstädte, das Arbeitermilieu geeignet und würde das Bild von der „Kirche der Armen" glaubhaft darstellen. Der „statischere“ Flügel der Konzilsväter hin gegen, voran die Kardinäle Spell- man, Ruffini und Bacci, sehen Gefahren: „Archäologie!“ rief der Erzbischof von New York aus. „Einverstanden!“ antwortete ein Missionsbischof. „Unsere junge Kirche in Afrika ist tatsächlich noch im Stadium der Urkirche und verlangt daher nach diesen Ämtern.“

Kardinal Suenens wandte sich gegen die Meinung, ein restaurierter Diakonat könne den Rückgang der

Priesterberufe beschleunigen: in den durch Diakone „belebten“ Gegenden würden voraussichtlich Priesterberufungen wieder häufiger werden, da der von diakonalen Aufgaben entlastete, „reine“ Priesterberuf wieder attraktiver werden würde.

Für und wider den Zölibat

Neben dieser grundsätzlichen Frage der Wiedereinführung des amtlichen Weihediakonats ist es vor allem die Frage, ob man die Diakone vom Zölibat dispensieren solle oder nicht, welche die Gemüter beim Konzil heftig bewegt. Patriarch Maximos IV. nahm hier wieder einmal die Gelegenheit wahr, davor zu warnen, daß die Gesamtkirche mit der römischen identifiziert werde. In manchen Ostkirchen ist der Ehestand selbst für Priester zugelassen (wenn sie sich vor der Weihe verheiraten; die Bischöfe leben allerdings auch im Osten zölibatär). Der peruanische Kardinal Landazuri Ricketts gab zu bedenken, daß der Verzicht auf den Zölibat der Diakone viele wertvolle Berufungen ermöglichen würde. Und, fügte er „statisch-ökumenisch“ bei, so könnten auch konvertierte verheiratete Pastoren in der Seelsorge Weiterarbeiten.

Keine Breschen schlagen

Der „konservative“ Flügel unter der Führung von Spellman, Ruffini und Bacci hingegen beschwor das Konzil, innerhalb der Hierarchie auch nicht die kleinste Bresche in den Zölibat zu schlagen, da diese sich bald unliebsam ausweiten könnte. Ein Monsignore wies im privaten Gespräch auf die wirtschaftliche Schwierigkeit, der sich ein verheirateter Diakon gegenübersehen könnte: um seine Familie ernähren zu können, müßte er womöglich einen bürgerlichen Beruf neben seinem geistlichen Amt ausüben, und dies würde das Problem der „Arbeiterpriester“ auf eine neue Weise aktuell machen.

Aus den Missionen gaben Stimmen zu bedenken, daß auch die Zölibatsfrage nicht einheitlich beantwortet werden könne und solle: während etwa der holländische Bischof Tillemans, der seit 34 Jahren in Indonesien arbeitet, Diakonat und Ehestand nicht nur für verein bar, sondern ihre Verbindung sogar für vorteilhaft hält, da dies die apostolische Arbeit des Diakons erleichtern und ihn näher an die Nöte des Volkes heranführen würde, machen Bischöfe aus mehrheitlich buddhistischen Gegenden geltend, daß hier — in Parallele zum buddhistischen Mönchstum — zöli- batäre Diakone eher geachtet würden. Für mohammedanische Missionsgebiete gilt wiederum umgekehrt die Ehe für den Diakon als Vorteil, der ihm mehr Anerkennung verschaffen würde.

Was die Frage der Ausbildung der Diakone betrifft, so reichen die Vorschläge vom Sonderseminar, in das auch Priesteramtskandidaten noch übertreten können, über eigene Laienfakultäten, an denen die Diakone ausgewählt werden sollten, bis zur Ansicht, daß es überhaupt keiner eigenen Einrichtungen bedürfe. Einig ist man sich jedenfalls darüber, daß die Diakone kein Latein — die „crux“ der Orientalen, wie es ein Konzilsvater ausdrückte — zu lernen brauchten.

„Wenn ihr keine Diakone braucht, so laßt uns doch die Freiheit, den Diakonat einzuführen. Afrika braucht Diakone!“ rief ein afrikanischer Bischof einem heftig gegen den Diakonat auftretenden Sprecher zu.

Kollegialität beweisen

Und Kardinal Suenens, dessen Stellungnahme bereits mehr als einmal für das Konzil richtungweisend wurde, erklärte hiezu, die Bischöfe, die von der Notwendigkeit des diakonalen Standes nicht überzeugt seien, sollten sich einer für viele Länder so wichtigen Konzilsentscheidung nicht widersetzen und so ihre kollegiale Gesinnung unter Beweis stellen. Diakonie bedeute Dienst. Das Dienen sei ein wesentlicher Zug der Kirche Christi. Als Zeichen für die Welt und auch für die anderen Christen würde die Diakonie diesen Zug verdeutlichen. Die Kirche selbst aber und ihre Amtsträger würden durch diesen Stand an ihre eigene Sendung zum Dienst erinnert und vor dem Streben nach höheren Würden bewahrt. Das Konzil solle sich daher für die Regionallösung aussprechen — das heißt, es der Hierarchie jener Gebiete, in denen der Diakonat besonders notwendig sei, überlassen, dieses Amt wiedereinzuführen. Die lokale Wiedereinführung soll der Billigung durch den Heiligen Stuhl bedürfen.

Man darf mit Spannung der Entscheidung in dieser wichtigen Frage entgegensehen, stellt sie doch gleichzeitig eine Probe aufs Exempel dar, ob die Kirche neue Lösungen wagt, auch wenn sie mit gewissen Risiken verbunden sind — ob sie sie dennoch wagt, im Vertrauen auf den Geist, der sie leitet, und aus echter Verantwortung für eine veränderte Welt.

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