7054244-1991_12_06.jpg
Digital In Arbeit

Sag mir, wo die Priester sind

Werbung
Werbung
Werbung

„Der Priestermangel in und für Österreich ist akut.” Mit dieser Feststellung wies vorige Woche in Wien der Grazer Diözesanbischof Johann Weber als Präsident des um die Förderung von Priesterberufen bemühten Canisius-Werkes darauf hin, daß die Zahl der katholischen

Priester in Österreich sinkt. Dies stelle, so Weber, nicht nur ein zahlenmäßiges Problem für die Kirche dar, sondern sei auch Anlaß zum Nachdenken darüber, was die Kirche für Gesellschaft und Kultur leiste. Hier zeige sich auch ein Spiegelbild für den Glauben im Land.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel. Derzeit wirken rund 5000 Priester in Österreich, pro Jahr wurden in den letzten Jahren (ausgenommen 1988) etwa 60 neue Kleriker geweiht. Wenn sich daran nichts ändert, würde es demnach 80 bis 90 Jahre dauern, den gegenwärtigen Bestand an Priestern zu erneuern! Das heißt, die Weihen können mit den Abgängen in keiner Weise Schritt halten, zumal beispielsweise in der Erzdiözese Wien schon fast 50 Prozent der 1300 Priester über 60 Jahre alt sind. Zwischen 1984 und 1989 verlor Österreich 684 Priester, aber nur 364 Neuzugänge aus den sieben Priesterseminaren waren in dieser Zeit zu verzeichnen. Die Zahl der

Seminaristen erreichte 1990 mit 353 einen Tiefstand.

Es gibt in Österreich 3075 Pfar-rensowiel239 weitere Kirchen und Seelsorgestellen, 660 Gemeinden haben keinen ständigen Priester mehr am Ort. Immer häufiger müssen Pfarrer mehrere Gemeinden betreuen, was zu einem ernsten Problem werden kann. Gefahren sieht Bischof Weber vor allem für die Jugendarbeit und das Bußsakrament, in dem „die Teilnahme an Freuden und Leiden des Lebens” besonders deutlich werde, Chancen sieht er im Erwachen von Zehntausenden Laien, die zunehmend Verantwortung in der Kirche übernehmen.

Nun will das Canisius Werk mit neuen Prospekten und Inseraten um rund vier Millionen Schilling den Priesterberuf positiv ins Gespräch bringen. Dies sei ein Versuch wie die Kirchenbeitrag-Kampagne „Trag was bei”, aber keine „Werbeaktion”, betonte Weber: „Man kann im Grunde für den Priesterberuf nicht .werben', denn an erster

Stelle steht die Berufung durch Gott, aber man kann ein Klima schaffen.”

Der steirische Bischof warnte vor falschen, längst überholten Priesterbildern, etwa von dem vom „distanzierten, weltfremden Pfarrherren”. Die Kampagne solle zeigen, was es heißt, ein „moderner Mann Gottes” zu sein, der im Sinne des „Aggiornamento” von Papst Johannes XXIII. bemüht ist, „das Unvergängliche ins Heute zu bringen”. Der Priester müsse fasziniert von Jesus Christus sein und eine tief sitzende Freude daran haben, „den Menschen etwas zu öffnen, was sie sonst nicht bekommen”.

Zur oft gestellten Frage, ob der Priestermangel nicht durch Änderungen der jetzigen Regelungen bezüglich Zölibat, bewährte verheiratete Männer („viri probati”) und Frauen behoben werden könnte, meinte Weber, bei der hohen Ausfallquote von 50 Prozent an den Seminaren stehe die Zölibatsfrage nicht an erster Stelle und die Frauenfrage habe schon evangelische Kirchen an den „Rand des Zerfalls” gebracht. Hinsichtlich der Glaubenslehre wären Änderungen theoretisch möglich, doch auch die Tradition der Kirche habe „einen verpflichtenden Grad”.

Daß Tendenzen in der katholischen Kirche, hinter das II. Vatikanische Konzil zurückzugehen, mögliche Priesterkandidaten abschrek-ken, glaubt Weber nicht. Er gibt solchen Tendenzen, wissend, daß es nach jedem Konzil Krisen gegeben hat, auch keine Chance: „Es ist sicher nicht möglich, hinter das Konzil zurückzugehen.” Schließlich verglich Bischof Weber die Kampagne mit der Präsentation der Kirche in einer Auslage und stellte klar, daß es nicht um das Vorgaukeln einer „Happy-Kirche” geht, sondern darum, die Sorgen und das Leid der Menschen zu teilen und nicht „introvertiert” vorwiegend eigene innere Kämpfe auszutragen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung